WIRTSCHAFTS- UND SOZIALGEOGRAPHIE WIRTSCHAFTSINFORMATIONEN Prof. Mag. Wolfgang Sitte – Dr. Christian Sitte Markt, Staat und Globalisierung im 21. Jh.: der Mediationsstaat em. Univ.-Prof. Egon Matzner* Die sozialstaatlich regulierte Marktwirtschaft ist zweifellos jene Wirtschaftsform, die sich bisher als am erfolgreichsten erwiesen hat, allgemeinen Wohlstand zu mehren. Darin liegt nach dem Scheitern des realsozialistischen Projektes auch die große Hoffnung der Armen und Hungernden. Von einer sozialstaatlich regulierten Martwirtschaft ist heute jedoch wenig die Rede. Denn auf der globalen Tagesordnung stehen heute Deregulierung und Privatisierung. Man soll sich aber keiner Täuschung hingeben. Der Prozess der Marktausweitung, die der Deregulierung und Privatisierung entspricht, ist keineswegs Folge eines Faszinosums. Nicht Mystik, sondern Machtpolitik ist dabei im Spiel. Anthony Lake, Sicherheitsberater von George Bush sen., hat dies seinerzeit (in einer Rede am 21. September 1993, zitirt nach Wade, 2002) klar ausgesprochen: „Die Ausweitung der (demokratischen) Marktwirtschaft sei, nach dem Ende der Sowjetunion, das Hauptziel der globalen Strategien der USA.“ Wir begegnen den Folgen täglich in verschiedener Gestalt, einmal als Globalisierung, ein andermal als Bedeutungsverlust des Nationalstaates. In der Tat wird der nationalstaatliche Gestaltungsraum in kleinen wie großen Ländern geringer. Die Erfüllung von öffentlichen Aufgaben nach Form und Ausmaß wird heute immer weniger von nationalen Parlamenten und Regierungen, auch nicht von deren Delegierten bei internationalen Organisationen bestimmt. Ihre Rolle ist auf die „Mediation“, also die Weitergabe und Durchsetzung von anderswo beschlossenen Regeln, beschränkt. Die Nationalstaaten werden so immer mehr zu Regelnehmern anstatt Regeln selber zu machen. Brüsseler Beschlüsse, an denen sie mitwirkten, in ihren Hauptstädten zu vertreten haben. Die entscheidende Neuerung geht dabei häufig nicht von Brüssel, sondern von der so genannten Globalisierung aus. Deshalb ist zu fragen: (1) Was steht im Kern hinter der Globalisierung? Was ist ihre die Staatsfunktionen betreffende Hauptwirkung? (2) Wie entstehen die Regeln, nach denen die Globalisierung abläuft? Wer ist der „Rule Maker“? Diese Fragen werden in den konventionellen Debatten über Globalisierung und Staatsfunktionen nur selten gestellt. In diesen wird Globalisierung meist als das Anwachsen der grenzüberschreitenden Ströme von Geld, Personen, Waren und Diensten verstanden. Zustandekommen, Verlauf und Richtung werden für gleichsam naturwüchsig, ja unveränderbar gehalten. Dem ist entgegenzuhalten, dass diese Entwicklungen nach Regeln erfolgen, die von Menschen bewusst gemacht werden. Sie sind deshalb nicht unveränderbar, sondern gestaltbar. Schließlich ist Politik kein Naturereignis, sondern ein von Menschen bestrittener Prozess. 1. Regelmachen im Zeitalterder Globalisierung Im Zeitalter einer in allen Bereichen dominierenden Macht kann es keine Regeln mit globaler Geltung ohne Mitwirken des Hegemon geben. Mittel und Ziel ist dabei, wie schon eingangs angeführt, die globale Marktöffnung. (Dies ist, was selten bedacht wird, seit 100 Jahren die selbst gewählte Mission der USA, die 50 Jahre durch ihre Beschaffung mit der Eindämmung des Kommunismus unterbrochen war.) Die dazu bereit stehenden Mittel sind vielfältig, wie es Thomas L. Friedman, einflussreicher Publizist, Leitartikler der New York Times und Berater von Jimmy Carter und Madeleine Albright, deutlich macht: „Die unsichtbare Hand des Marktes wird nie ohne die versteckte Faust funktionieren – McDonald kann nicht ohne McDonell Douglas, dem Produzenten der F-15, gedeihen. Und die versteckte Faust, die die Welt für Silicon Valleys Technologien schützt, heißt US Army, Air Force, Navy und Marine Corps.“ (New York Times – Weekend, 28. März 1999) Der herrschenden Marktideologie liegt die Utopie zugrunde, dass sie denkbar beste Gesellschaft durch (1) möglichst ungehemmten Wettbewerb, (2) Maximierung des „Shareholder Value“, (3) Kontrolle der Unternehmen durch Börsen und (4) minimale Regierungsintervention bei Marktversagen gewährleistet ist. Diese Ideologie hat im so genannten „Washington Consensus“ ihren realpolitischen Ausdruck gefunden. Bezeichnung und erste Formulierung gehen auf Welt- bank-Ökonomen zurück. Der „Washington Consensus“ drückt unverhüllt die Globalisierung als Spiel nach US- Regeln aus. Danach bestimmen auch der Weltwährungsfonds und andere Finanzinstitutionen ihre Kreditvergabe und so die Wirtschaftspolitik ihrer Klienten. * In Memoriam von E. Matzner, Ökonom, em. Univ.-Prof. an der TU Wien. Aus: WISO 26. Jg., 2003, H. 1, S. 13–20, wirtschaftsund sozialpolitische Zeitschrift des Inst. f. Sozial-und Wirtschaftswissenschaften, der AK – 4020 Linz, Weingartshofstr. 10. Wissenschaftliche Nachrichten Nr. 122 · Juli/August 2003 Man könnte diese Dogmen als das funktionale Äquivalent der Zehn Gebote unserer Zeit bezeichnen. Die drei wichtigsten Gebote, für alle, die Kredite erhalten und ausländische Direktinvestitionen anlocken wollen, lauten: 1. Du sollst nur an den einen, deregulierten Markt und seine Gleichgewichts-Theorie glauben. 2. Du sollst nicht begehren, dass öffentliches Vermögen bleibt oder entsteht. 3. Du sollst das Null-Defizit im Staatshaushalt und den Ausgleich im freien Handel mit dem Ausland ehren. Woher kommen diese Gebote? Will Hutton vom Londoner Observer verweist in seinem Buch The World We’r In (2002) auf die tiefen Wurzeln im amerikanischen Gründungs-Mythos. Neuzeitlich wurden sie 1979 in einem Manifest des US Business Round Table gefordert. Seit der Präsidentschaft Reagans werden sie sukzessive national, international und global durchgesetzt. Pannen und Rückschläge gibt es, wie in der OECD das vorläufige Scheitern des absoluten Investorenschutzes gegenüber jedweder Regulierung. (In der Öffentlichkeit als „Mutual Agreement on Investment“, kurz MAI bekannt.) Anderswo ist man da schon weiter: Nach NAFTA-Regeln muss ein US-Chemiekonzern entschädigt werden, weil die kanadische Regierung dessen der Krebsförderung verdächtigen Bezinzusatz nicht auf den Markt ließ. Über die WTO, die EU und andere Organisationen soll dieser Investorenschutz globale Geltung erhalten. Zu Jahresbeginn wird der umfassende Investorenschutz von der ASEAN realisiert. In der EU steht er auf der wirtschaftspolitischen Agenda und es rührt sich bisher kein Widerstand. Weitere, im Rahmen des GATS („General Agreement on Trade in Services“ der WTO) vorbereitete Marktöffnungen betreffen Grundausbildung, Alters-und Krankenvorsorge, auch Stadt-und Regionalplanung, Sicherheitsdienste und Kulturfunktionen (vgl. Fritz/Scherrer, 2002). Im Bereich von Wissenschaft und Forschung wird Marktöffnung durch die Privatisierung der Rechte auf wissenschaftliche Erkenntnisse („Intellectual property rights“) vorangetrieben. Promotoren dieser Entwicklung sind überall starke und international tätige Lobby-Gruppen wie der bereits genannte US Business Round Table, der European Round Table of Industrialists, der Transatlantic Dialogue oder der Transatlantic Business Round Table. Sie üben unregulierten, außerparlamentarischen Einfluss offen aus; ihre Aktionen werden sogar auf allgemein zugänglichen Websites dokumentiert. Im Wesentlichen handelt es sich um Einflussnahme auf die Agenda beschlussfassender Gremien und auf die Durchführung der getroffenen Entscheidungen. 2. Corporate Takeover – Captive States Wenn auch formal zumeist legal zustande gekommen, ist die progressive Übergabe von öffentlichen Aufgaben an immer weniger regulierte und kontrollierte Märkte sozial, wirtschaftlich und demokratiepolitisch fragwürdig. Das Ergebnis ist der von den global operierenden Unternehmungen gefangene „Captive state“. Außerhalb der USA ist dieser Prozess in Großbritannien am weitesten gediehen und daher am besten dokumentiert. Eine fundierte wissenschaftliche Analyse liegt neuerdings vom britischen Ökonomen Malcom C. Sawyer (2002) von der Universität in Leeds vor. George Monbiot, Kolumnist des englischen Guardian, belegt, wie seit M. Thatcher und T. Blair die Marktöffnung bei öffentlichen Aufgaben staatlich durchgesetzt wirde. Dabei spielt die Private Finance Initiative (PFI) eine tragende Rolle. Den privaten Investoren, die beispielsweise eine Schule errichten und betreiben, garantiert die Regierung eine Mindestrendite zwischen 15 und 25 Prozent. Deshalb sollte man besser nicht von „privat“ sprechen, sondern von einer neuen Form einer hoch-und festverzinslichen Staatsanleihe, die als versteckte Staatsschuld zu bezeichnen wäre. Als Folge muss die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben quantitativ und qualitativ verringert werden. Der Widerstand der betroffenen Bevölkerung wird in der Regel ignoriert. Dass Markt- Kalkül öffentliche Aufgaben häufig schlechter und trotzdem teurer erfüllt, weist Monbiot an zahlreichen Beispielen aus der Geschichte des PFI nach. 3. EU als Regelnehmer Mit der EU sollte nach Vorstellung vieler Europa stark genug werden, um seine Interessen, Werte und Traditionen in der Welt-und Globalisierungspolitik gebührend zum Tragen zu bringen. Das ist bisher nicht geschehen. Die EU ist ohne Wählerauftrag dabei, dem „Bench Mark“ Modell der US-Wirtschaft und -Gesellschaft zu folgen, sich also rasch zu amerikanisieren. Aufforderungen zur Selbstbehauptung Europas sind selten und, wenn einmal vorgebracht, bleiben ungehört. Das Buch „Die Selbstbehauptung Europas“ von Altbundeskanzler Helmut Schmidt (2000) ist dafür ein Beleg. Dabei gibt es, von „rechts“ und „links“, ein europäisches Gesellschafts-und Wirtschaftsmodell, das sich substanziell vom amerikanischen unterscheidet und diesem in vielen Belangen überlegen ist. Zwar verbinden, wie Will Hutton darlegt, die gesamte demokratische Welt Grundwerte, wie Herrschaft des Rechts, Demokratie und Unternehmerwirtschaft, in drei Punkten aber bestehen wesentliche Unterschiede: • „Eigentum“ ist in Europa mit sozialen Pflichten verbunden, wohingegen es in den USA persönliche Unabhängigkeit begründet und es – gottgewollt – dem Vernunftbegabten und Fleißigen uneingeschränkt zusteht. • „Der Gesellschaftsvertrag“ (Th. Hbbes, J. Locke, J. J. Rousseau) bindet in der europäischen Tradition alle Bürger ein und verlangt nach Fürsorge für die Schwächeren und Vorsorge für Notfälle. Im amerikanischen Verständnis gilt Umverteilung als widernatürlich. Habgier gilt als gut, denn Reichtum „tröpfle“ auf die Armen „herunter“. • Die öffentliche Sphäre, die Idee der „Res Publica“, war in Europa immer stärker präsent, in den USA nur phasenweise (Roosevelts New Deal). 4. Wiederbegründung der Res Publicaals globale Aufgabe Die öffentlichen Angelegenheiten bildeten von Anfang an ein Hauptanliegen von Gewerkschaften und Sozialdemokratie. Die moderne Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen sollte sich deshalb weniger der radikalen Marktöffnung, sondern der zeitgemäßen Re- Wissenschaftliche Nachrichten Nr. 122 · Juli/August 2003 gulierung der Marktkräfte annehmen. Dies ist, auf längere Sicht, auch ein unerlässlicher Beitrag zum Gedeihen der Marktwirtschaft. Die Hauptanstrengung muss dabei auf die Neubestimmung der globalen und europäischen Regeln gerichtet sein. Die Wiederbegründung der Res Publica sollte die globale Aufgabe der volksbewussten Kräfte im 21. Jahrhundert sein. Literatur Friedmann, T. L. (1999), The Lexus and the Olive Tree: Understanding Globalisation, New York: Farrar & Strauss. Hutton, W. (2002), The World We’r In. London: Little, Brown, Time Warner. Kaul, I. et al. (Eds.) (1999), Global Public Goods. Oxford: U. P. Matzner E. (1982), Der Wohlfahrtsstaat von morgen. Entwurf eines zeitgemäßgen Musters staatlicher Interventionen. Frankfurt: Campus. Matzner, E. (2000), Monopolare Weltordnung. Zur Sozioökonomie der US Dominanz. Marburg: Metropolis Verlag. (On-line edition: www.ciando.de München 2001) Matzner, E. (2001), Die vergeudete Republik. Wie sie wiederbegründet werden könnte. Klosterneuburg: Vaberre. Monbiot, George (2000), Captive State. Corporate Takeover of Britain. Basingstoke: Pan Macmillan. Sawyer, Malcolm C. (2002), „The Private Finance Initiative: A Critical Assessment.“ http://129.11.89.221/MBK/MalcolmSawyer/pfi.doc Schmidt, H. (2000), Die Selbstbehauptung Europas. Perspektiven für das 21. Jahrhundert. Stuttgart München: Deutsche Verlags- Anstalt. Tiberghien, Y. (2002) „Political Mediation of Global Financial Forces: The Political of Structural Reforms in Japan and South Korea.“ Paper presented at the ISA Annual Convention of the American Association of Political Sciences. New Orleans: March 24–27, 2002. Wade, R. H. (2002), „US hegemony and the World Bank: the fight over people and ideas“. Review of International Political Economy, 9:2 Summer 2002: 201–229. Lütz, S. (2002), „Der Staat und die Globalisierung von Finanzmärkten.“ Frankfurt a. M.: Campus. Fritz, T./Scherrer, C. (2002), „Zu wessen Diensten? Öffentliche Aufgaben unter Globalisierungsdruck.“ Hamburg: VSA. Buchbesprechungen TAGUNGSBERICHT UND WISSENSCHAFTLICHE ABHANDLUNGEN DES 53. DEUTSCHEN GEOGRA- PHENTAGES 2001 IN LEIPZIG. Herausgegeben im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Geographie von A. Mayr, M. Meurer und J. Vogt. Leipzig 2002, 746 Seiten, ISBN 3-9808754-0-7. Der jedes zweites Jahr an einem anderen Universitätsstandort stattfindende Deutsche Geographentag – nicht zu verwechseln mit den Deutschen Schulgeographentagen – hat sich längst zu einem auch international stark beachteten Kongress entwickelt, auf dem in geballter Weise in zahlreichen Vorträgen, Fachsitzungen und Exkursionen neue Forschungsergebnisse der Geographie vorgestellt und diskutiert werden. Indem der Geographentag den aktuellen Stand der Fachdisziplin und ihre gegenwärtigen Forschungstrends zeigt, bildet er ein zentrales Element bei ihrer Innen-und Außendarstellung und die Veröffentlichung aller dort gehaltenen Vorträge bzw. Referate in den meist ein Jahr danach herauskommenden „Tagungsberichten“ informiert auch Nichtteilnehmer ausführlich darüber. Daher sollten nicht nur die Bibliotheken der Universitäten, sondern auch diejenigen der Pädagogischen Akademien die „Tagungsberichte“ enthalten, damit die dort Unterrichtenden und Studierenden über die Entwicklung ihres wissenschaftlichen Bezugsfaches informiert sind. Das Leitthema vom Geographentag 2001 in Leipzig hieß Stadt und Region – Dynamik von Lebenswelten. Es war in vier Subthemen unterteilt: (1) Städte im Wettbewerb, (2) Zur neuen Sozialgeographie der Stadt, (3) Stadtökologie und Umweltmanagement, (4) Modelle, Prognosen und Szenarien für die Zukunft der Stadt und Stadtregion. Insgesamt enthält der „Tagungsband“ 75 Vorträge bzw. Referate. Sie spiegeln eindrucksvoll das Forschungsfeld, die gesellschaftliche Relevanz sowie die Leistungsstärke der modernen geographischen Stadtforschung wider. Anhand einiger im Folgenden beispielhaft gebrachten Titeln, soll die Bandbreite gezeigt werden: „World city network formation in a space of flows“, „Dienstleistungsspezialisierung und europäische Städtekonkurrenz“; „Humangeographie as Socialgeography: From Hagerstrand to Post-Modernism“, „Segregierte Armut und soziale Benachteiligung“, „Die Stadt und die Fremden“; „Landschaftsbewertung und -optimierung“, „Luftschadstoffe und deren gesundheitliche Relevanz“; „Raum-zeitliche Differenzierung lufthygienischer Austauschleistungen in bebauten Tallagen“; „Stadtökologie als Herausforderung für den Geographieunterricht“, „Die eigene Kommune als stadtökologisches Lernfeld“; „Substitution von städtischem Verkehr durch I&K-Technolo- gien“; „Stadtzukünfte – Leitbilder, Modelle und Versionen im Geographieunterricht“. Abschließend möchte ich noch zwei Vorträge hervorheben, die allein die Beschäftigung mit dem Tagungsband lohnen: E. Lichtenbergers von den Zuhörern stürmisch akklamierte Festansprache Wozu braucht die Gesellschaft die Stadt? sowie P. Halls großartiger Vortrag über Die europäische Stad, 2025: Dilemmata und Lösungen der Zukunft. W. S. W. J. WAGNER: Geschichte Österreichs. 336 Seiten mit ca. 100 farbige Abbildungen und Grafiken sowie rund 200 farbigen Karten. Niederösterreichisches Pressehaus, St. Pölten 2002, 29, 80 Euro. Wer sich vor allem als Nichthistoriker über die wesentlichen Abläufe der österreichischen Geschichte informieren möchte, kann das in dem vorliegenden Buch relativ rasch und zuverlässig. In chronologischer Reihenfolge werden darin die entscheidenden politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Phasen unter Einblendung interessanter Details und erklärender Hintergründe in leicht verständlicher Sprache dargestellt und mit kurzen einführenden Überblicken, der knappen Vorstellung wichtiger histori- Wissenschaftliche Nachrichten Nr. 122 · Juli/August 2003 scher Persönlichkeiten sowie einer umfangreichen Auflistung prägender Eckdaten ergänzt. Eine wichtige Funktion bei der Information kommt in dem Buch den zahlreichen farbigen, neu entworfenen Karten zu. Diese geben nämlich nicht nur die historische Kartographie wieder, sondern tragen durch ihre dynamische Gestaltung ganz wesentlich zur raschen Aufnahme und auch zum besserem Verständnis der Geschehnisse bei. Das ausführliche Inhaltsverzeichnis sowie ein umfangreiches Personen-und Sachregistern erleichtern die spezielle Suche nach Informationen. Vielleicht hätte man bei der Darstellung der einzelnen Epochen einige wichtige neuere, in öffentlichen Bibliotheken aufliegende Werke für an Vertiefung interessierte Leser noch angeben können. W. S. BIRG, Herwig: Die demographische Zeitenwende. Der Bevölkerungsrückgang in Deutschland und Europa. Taschenbuch der Beck’schen Reihe 1426, München 2001, 226 Seiten. Auch dieses Buch verdeutlicht uns an einem Standardthema des Geographieunterrichts die engen Zusammenhänge von zeitlicher Entwicklung – geographischen Gegebenheiten – ökonomischen, soziologischen und politischen Parametern. Hinter dem etwas spröden Titel schildert der Demograph BIRG das Hauptthema unserer zukünftigen Gesellschaft, mit dem sich unsere Schüler auseinandersetzen werden müssen! Nicht wie vor einigen Jahrzehnten gepredigt, die Übervölkerung der Erde stelle ein Problem dar, sondern der Bevölkerungsrückgang besonders in den entwickelten Industrieländern. In einem Vergleich von ökologischen und demographischen Nachhaltigkeitsszenarien, verdeutlicht er als grundsätzlichen Unterschied: „… Umweltprobleme und demographische Probleme haben viele Gemeinsamkeiten: Sie kündigen sich Jahrzehnte im voraus an, bevor sie akut werden, und wenn sie da sind, ist es viel zu spät, um das Blatt zu wenden …“, ebenda S. 12. Nur streicht er heraus, wissen wir bei der Umwelt es nur ungefähr, während wir die demographischen Folgen genau kalkulieren können. Faszinierend sind nicht nur BIRGs Belege und Aufhellungen der Hintergründe (der Baybyboom der 60er fußte auf generativen Sozialisationsmustern, die noch um 1900 gelegt worden sind …, bzw. es geht nicht um die „Ein-Kind- Familie“, sondern die politisch überhaupt nicht angegangene Hemmschwelle ist die zum zweiten oder nötigen dritten Kind!), sonder auch gerade seine weiteren ökonomischen Argumentationen was die Folgen für eine nötige Wachstumspolitik bzw. für das Ausbleiben und die dabei absehbaren politischen Konsequenzen sind ! Hier wird das Buch spannend und bringt uns einen wichtigen Hintergrund für einen kontrovers vorgetragenen zukunftsfähigen (handlungsorientierten?) Geographie und Wirtschaftskundeunterricht! Jeder GW-Lehrer der Oberstufe sollte dieses Taschenbuch einmal zur Hand nehmen – die Bevölkerungsgeographiekapitel unserer Oberstufenbücher sähen dann anders aus! Ch. S. GINTHÖR Oliver: Scharzbuch 2003. Verwendung & Verschwendung. Wie der Staat unser Geld ausgibt. Bund der Steuerzahler. Linde Verlag, Wien 2003, 116 Seiten, 12 Euro. Der Autor, von Beruf Steuerberater und der Bund österr. Steuerzahler (www.steuerzahler.at) haben dieses instruktive Bändchen herausgegeben. Es enthält zunächst einen Abschnitt „Wohin fließt das Steuergeld“) immerhin 55 Mrd. Euro) in dem – reich mit Graphiken in Zeitreihen ergänzt – wesentliche Entwicklungen und Fakten der österreichischen Budgetpolitik gezeigt werden. Eine Fundgrube für einen lebendigen GW-Unter- richt in der 7. Klasse sind dann die in den nächsten beiden Kapiteln gebrachten Fallbeispiele – einmal aus dem Bundesbudgetvollzug und zum Zweiten aus den Haushalten der Länder, denen oft auch internationale Vergleichdaten beigefügt sind. Haargenau sind hier mitunter skurril anmutende Budgetpositionen angeführt! Kapitel über die Verwaltungsreform und das Wirken des Rechnungshofes runden das Buch ab, das man auch für Vertiefungsgebiete zu Matura nur wärmstens empfehlen kann (ev. im Vergleich mit Informationen von der Homepage des Finanzministeriums ). Ch. S. TUMPEL Michael: Steuern kompakt 2003. Einführung in die Steuerlehre. Linde Verlag, Wien 2003, 128 Seiten, 12,50 Euro. Auch dieses Buch des bekannten Wirtschaftsverlages ist in leicht verständlicher Form eine interessante Ergänzung und Vertiefung zum GW-Unterricht der Oberstufe. Der Autor, Professor an der Uni Linz will damit eine kompakte, aber möglichst umfassende Darstellung des österreichischen Steuersystems bieten. Der Aufbau ist so gewählt, dass neben einer Übersicht zum Steuerrecht (und seinen Gestaltungsspielräumen) auch ein solcher bezüglich des Verfahrensrechtes gewonnen werden kann. Ch. S. PETRI Gottfried: Kritisches denken als Bildungsaufgabe und Instrument der Schulentwicklung. Studienverlag Innsbruck, 302 Seiten, 28 Euro. Der Autor geht im Eingangskapitel des Buches zunächst auf Grundlagen und Verfahrensweisen ein, die helfen sollen kritisches Denken bei Schülern zu entwickeln. Danach zeigt er, wie – in Zeiten der Schulprogramm und Schulprofilentwicklung – wie diese Ansätze für eine erfolgreiche Schulentwicklung eingesetzt werden können. Gerade für GW-Lehrer interessant ist dann der Modulentwurf in dem konkret dieses umzusetzen demonstriert wird: „Entwicklung unserer Wirtschaft und Lebenswelt“ in dem vom Kapitel Wirtschaften bis hin zur Globalisierung und ihren Auswirkungen ein Bogen gespannt wird. Andere Module liefern Ähnliches für andere Fächer, etwa: „Lebenszufriedenheit und Sinnerfüllung“. Weiteren Abschnitte behandeln die Eignung von Einstiegsfragen für den Unterricht von Themen aus dem Humanbereich zur Schulung des kritischen Denkens ein und beleuchten abschließend die Problematik von Messbarkeit, Schulbarkeit und Nutzbarkeit kritischen Denkens. Ch. S. Ein Inhaltsverzeichnis aller in den Wissenschaftlichen Nachrichten erschienenen GWK-Beiträge unter Medien/Zeitschriften.finden Sie unter www.gw.eduhi.at Wissenschaftliche Nachrichten Nr. 122 · Juli/August 2003