3.2. Partner- und Gruppenarbeit
 
 

Kurzbeschrieb
 

Partnerarbeit ( PA) lässt sich kurzfristig, aber auch als "Lernpartnerschaft" über längere Zeit realisieren, auch als Voraussetzung für Gruppenarbeit (GA). Das Lernen wird hier wie dort mit Arbeitsaufträgen ausgelöst und gesteuert. In der arbeitsgleichen GA lösen alle Gruppen die gleiche Aufgabe, in der arbeitsteiligen GA wird ein Thema aufgeteilt.
Sowohl beim arbeitsteiligen als auch beim arbeitsgleichen Verfahren ist zu beachten, dass die Arbeitsaufträge tatsächlich einen Gruppenprozess erfordern und bewirken.
Der Lehrer übernimmt die Rolle des Beobachters, des aktiven Zuhörers, des Beraters. Er stellt auch gruppeninterne Arbeitsplanung, die Arbeitsrückschau und die lernwirksame Darstellung der Arbeitsergebnisse sicher.
Meistens werden die Ergebnisse der Klasse (dem Plenum) vorgestellt (Gruppenberichte, Ausstellung, Texte, Spiel). Das Vorstellen der Gruppen-Arbeitsergebnisse lässt sich auch mit Plakat-Lektüre oder mit Gruppenmischung oder im Sinne eins "Info-Marktes" realisieren.
Der Lehrer hat sich auch darüber Gedanken zu machen, wie er das "soziale Lernen" in der Gruppe fördern und unterstützen kann, so dass Aussenseiter integriert werden, Kooperation und gegenseitiges Verständnis aufgebaut werden.
Didaktischer Einsatz:
Wir unterscheiden vier Hauptformen....

(Gasser. „Didaktische Impulse". S.34 + Gasser. „ Neue Lernkultur". S.143)
 
 
 

Schlüsselfragen und Qualitätskriterien
 

Schlüsselfragen:

(Gasser. „Didaktische Impulse". S.34 + Gasser. „ Neue Lernkultur". S.143)
 
 

Vier entscheidende Momente in der didaktischen Konzeption Gruppenarbeit möchte ich besonders hervorheben:

Guten Gruppenunterricht zu verwirklichen ist durchaus anspruchsvoll. Didaktisch wertvolle Hinweise finden sich bei Hilbert Meyer :
(Meyer. „Unterrichtsmethoden - II Praxisband". S.250+251)
 

Didaktische Kriterien für guten Gruppenunterricht

Die Lehrziele der Lehrerin und die Handlungsziele der Schülerinnen sind im Gruppenunterricht nicht identisch. (Dies ist nichts Besonderes - im Frontalunterricht ist's ebenso!) Die Lehrerin will arbeitsfähige Kleingruppen bilden - die Schülerinnen wollen in Freundschaftscliquen zusammensein, selbständiger und lockerer als normal arbeiten können und sich ein Stück weit der unmittelbaren Kontrolle der Lehrerin entziehen. Die Lehrerin muß deshalb das Kunststück fertigbringen, einerseits die Schülerinnen zum selbständigen und solidarischen Handeln zu ermuntern, andererseits für einen auch in fachlicher Hinsicht befriedigenden, den erhöhten Zeitaufwand rechtfertigenden Unterrichtserfolg zu sorgen. Dieses schwierige Ziel ist m. E. dadurch zu erreichen, daß die Lehrerin...

Gruppenunterricht ist von allen vier Sozialformen sicherlich die anspruchsvollste. Es ist nicht gut, ihn ªeinfach so´ anzusetzen, weil er doch so wichtig sei. Vielmehr müssen die Voraussetzungen für die Gruppenarbeit sehr genau geklärt werden. Die`Lehrerin sollte überprüfen, Ich fasse diese Überlegungen und Begründungsversuche zu den folgenden drei Kriterien zusammen:
1.) Durch die Ausweitung der Selbsttätigkeit sollen die Schülerinnen zu mehr Selbständigkeit im Denken, Fühlen und Handeln verleitet werden.
2.) Durch die Arbeit in kleinen Gruppen soll die Fähigkeit und Bereitschaft zum solidarischen Handeln gefördert werden.
3.) Durch den phantasievollen Wechsel der Symbolisierungsformen und Handlungsmuster soll die Kreativität der Schülerinnen hervorgelockt werden.


Auch unter Berücksichtigung der geforderten Qualitätskriterien können mehr oder weniger grosse Realisierungsschwierigkeiten auftreten. Diese müssen nicht immer in didaktischen Fehlleistungen wurzeln, sie können auf den institutionellen Rahmen der Schule zurückzuführen sein:
 

Gruppenunterricht liefert zwar gewisse Spielräume für ein freies und selbstbestimmtes Lernen der Schülerinnen, aber die in der Ersten und Zweiten Lektion beschriebene Widersprüchlichkeit des institutionellen Rahmens schulischen Unterrichts wird damit nicht aufgehoben. Schule leidet insgesamt an dem Widerspruch, einerseits eine fortwährende individuelle Leistungsbeurteilung und Selektion der Schülerinnen zu betreiben, andererseits Selbständigkeit und Solidarität der Schülerinnen zu einem wichtigen Erziehungsziel zu machen. Im Frontalunterricht wird diese Widersprüchlichkeit durch das methodische Handeln der Lehrerin eher geglättet und übertüncht, in projektförmigen Lehrveranstaltungen wird sie wegen des Verzichts auf Zensierung ein Stück weit außer Kraft gesetzt, aber im Gruppenunterricht tritt sie offen zutage:

These 11.5: Die übergeordneten Ziele des Gruppenunterrichts, nämlich die Förderung der Selbständigkeit und Kreativität sowie die Entwicklung solidarischen Verhaltens, können unter den gegebenen institutionell-organisatorischen und personellen Rahmenbedingungen schulischen Unterrichts nur widersprüchlich und halbherzig verfolgt werden.


Gruppenunterricht ist, was die Gestaltung des schulischen Gewaltverhältnisses betrifft, weder Fisch noch Fleisch. Er gibt die Schülerinnen ein Stück weit, aber nicht völlig frei; er setzt die Selektionsfunktion der Schule ein Stück weit, aber nicht völlig außer Kraft; er fördert das solidarische Handeln der Schülerinnen, gibt aber kaum Gelegenheit, es ernsthaft auf die Probe zu stellen (es sei denn, die Schülerinnen probten den Aufstand und handelten solidarisch gegen ihre Lehrerin).
Nun wäre es unsinnig und unlogisch, wegen dieser Schwierigkeiten auf Gruppenunterricht zu verzichten. Denn der Gruppenunterricht produziert die skizzierte Widersprüchlichkeit nicht, sondern liefert nur den Rahmen, sie offener als in den übrigen Sozialformen zum Vorschein kommen zu lassen. Durch eine Rückkehr zum Frontalunterricht würden die Schwierigkeiten nicht behoben, sondern verschleiert. Das bei vielen Lehrerinnen vorhandene Negativ-lmage des Gruppenunterrichts ist also leicht zu erklären, aber nicht theoretisch zu rechtfertigen. Nun kann es aber nicht durch theoretische Belehrungen behoben werden. Das Negativ-lmage bleibt als subjektive Einstellung m. E. solange handlungsleitend, bis es durch bessere eigene Erfahrungen mit dieser Sozialform abgelöst worden ist und so die von jeder Lehrerin verinnerlichten Unterrichtsbilder korrigieren konnte. Deshalb kann ich jene Lehrerinnen, die selten oder nie Gruppenunterricht machen, nur bitten, es einmal mit einer gezielt vorbereiteten Serie kleiner Gruppenarbeitsphasen zu versuchen. - Es lohnt sich! Gruppenunterricht kostet mehr Vor- und Nachbereitungszeit als Frontalunterricht, er ist risikoreicher, aber er ist auch lebendiger, interessanter und letztlich befriedigender.
(Meyer. „Unterrichtsmethoden - II Praxisband". S.252)
 
 
 
 

Vorzüge und Ziele der Methode
 

Im Kontrast zum Frontalunterricht zeichnen folgende Qualitäten gute Partner- und Gruppenarbeit aus:
(Meyer. „Unterrichtsmethoden - II Praxisband". S.245ff.)
 

Gruppenunterricht kann von seiner Struktur her einige Funktionen erfüllen, die ihn deutlich vom Frontalunterricht abgrenzen:

Ich fasse zusammen: Gruppenunterricht ist, wenn er zielstrebig gestaltet wird, geeignet, die Selbständigkeit und Solidarität der Schülerinnen zu fördern. Zunächst zur ersten Funktion:
These 11.1: Gruppenunterricht ist geeignet, die Schülerinnen durch einen didaktisch begründeten Wechsel der Handlungsmuster und der Symbolisierungsformen zum selbständigen Denken, Fühlen und Handeln zu ermutigen.


Unter verschiedenen Symbolisierungsformen versteht Meyer beispielsweise:

- Sprache (vorherrschend)
- handwerklich-bildnerisches Gestalten (Bsp. plastisches Modell, Zeichnen)
- Rollenspiel, Sketch
- Standbild, Pantomime
- Diverse Mischformen wie: Streitgespräch, Textcollage, etc...
In diesem planvollen Wechsel der Symbolisierungsformen (und dem sich dabei von selbst einstellenden Wechsel der Handlungsmuster) steckt der Schlüssel zum Erfolg des Gruppenunterrichts! Solange die Gruppenarbeit lediglich eine Fortsetzung der schon im Frontalunterricht und in der Einzelarbeit vorherrschenden, die Schülerinnen langweilenden Handlungsmuster und Symbolisierungsformen liefert, ist es nicht weiter verwunderlich, wenn die Schülerinnen die im Gruppenunterricht existierende Handlungsspielräume mißbrauchen, Nebentätigkeiten nachgehen oder gammeln.

Nun ist der skizzierte Wechsel der Symbolisierungsformen nicht auf den Gruppenunterricht beschränkt. Er kann auch im Frontalunterricht, in der Partner- und der Einzelarbeit stattfinden. Die zweite, noch wichtigere Aufgabe des Gruppenunterrichts ist demgegenüber nirgendwo sonst zu erfüllen. Sie ergibt sich aus der schlichten Tatsache, daß mehrere Schülerinnen zusammenarbeiten und darauf angewiesen sind, sich zu verständigen:

These 11.2: Das übergeordnete, theoretisch begründete Ziel des Gruppenunterrichts besteht darin, die Schülerinnen durch die gemeinsame Arbeit an der gestellten Lernaufgabe zum solidarischen Handeln zu befähigen.


Solidarität entsteht nicht von selbst und schon gar nicht durch verbale Belehrungen. Sie kann nur dort wachsen, wo Menschen gemeinsam arbeiten, interagieren und sprechen. Es ist ein beglückendes Gefühl, eine schwierige Aufgabe gemeinsam gemeistert zu haben - dieses Glücksgefühl ist der eigentliche Motor für die Entwicklung von Solidarität im Unterricht. (Solidarität durch gemeinsames Leiden gibt es auch - aber dies sollte nicht zum Ziel des Unterrichts umdefiniert werden!) Die zweite These macht den utopischen Überschuß deutlich, der im Begriff des Gruppenunterrichts enthalten ist. Nicht jede bunt zusammengewürfelte Schülerinnenschar ist eine Gruppe. Von ªGruppen´ dürfte eigentlich erst dann gesprochen werden, wenn durch beständiges und erfolgreiches Zusammenarbeiten eine Solidargemeinschaft entstanden ist, die die schwächeren Schülerinnen einzubinden und die stärkeren zu nützlicher Hilfestellung anzustacheln weiß.

Dieses anspruchsvolle Ziel ist nur dann zu erreichen, wenn sowohl die Lehrerin wie auch die Schülerinnen bereit und in der Lage sind, ihre Rollen neu zu definieren.
Die Lehrerin ist im Gruppenunterricht nicht so sehr die Wissens- und Kompetenzvermittlerin, sie ist auch nicht in erster Linie der Scheuerpfahl, an dem sich die Schülerinnen zum Zwecke ihrer Identitätsbildung reiben können, sondern vorrangig die Moderatorin des gemeinsamen Lernprozesses. Dies kostet, wie alle gruppenunterricht- erfahrenen Lehrerinnen bestätigen, nicht weniger, sondern mehr Kraft, Mühe und vor allem auch Vorbereitungszeit, als dies für die meisten Varianten des Frontalunterrichts der Fall ist. Während des Unterrichts liegt der Schwerpunkt der Arbeit der Lehrerin nicht in der Darstellung und Vermittlung eines Sach-, Sinn- oder Problemzusammenhanges, sondern in der Formulierung von Arbeitsperspektiven, im Beobachten und Interpretieren, im Ermutigen und Stabilisieren der Schülerinnen, im Bereitstellen von Materialien und in der Lenkung der Auswertung.

Die Lehrerin muß neu lernen:

Die Lehrerin muß verlernen, Die Lehrerin muß eine Tugend entwickeln, die der herkömmlichen Rollendefinition widerspricht:
These 11.3: Die Lehrerin, die Gruppenunterricht machen will muß wagen, ihre Schülerinnen ein Stück weit allein zu lassen.


Dies fällt vielen Lehrerinnen schwer, und zwar weniger wegen der rechtlichen Bedenken, die unbegründet sind, als aus psychischen Gründen.

Auch die Schülerinnen müssen im Gruppenunterricht ein neues Rollenverständnis entwickeln - sie dürften damit aber weniger Schwierigkeiten als die Lehrerinnen haben. Sie müssen neu lernen:

Die Schülerinnen müssen verlernen: Die Schülerinnen müssen ein hohes Maß an Selbstdisziplin entwickeln, um Gruppenunterricht erfolgreich werden zu lassen. Da dies im Frontalunterricht kaum einzuüben ist, sollte die Lehrerin auch dann, wenn eine Klasse eigentlich noch nicht ªreif´ für Gruppenunterricht ist, das Risiko eingehen und ihre Schülerinnen ein Stück weit freigeben. Die Schülerinnen müssen an sich selbst, also im praktischen Handeln erfahren können, was es heißt, den Lernprozeß selbst zu organisieren.
These 11.4: Die Schülerinnen müssen lernen, sich ihres Verstandes ohne Anleitung anderer zu bedienen.

 
 
 

Einstiegsformen und -hilfen
 

Als Hilfe insbesondere für den Einstieg in die Methode Partner- und Gruppenarbeit folgt abschliessend eine Checkliste zur Vorbereitung:
(Meyer. „Unterrichtsmethoden - II Praxisband". Auszüge aus S.254ff.)
 
 


 
 
 
 

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