laufendes FWF-Projekt

FWF-PROJECT: Korporale Performanz_Wissenschaftlicher Part

Philosophischer Kontext

Jenseits der stoischen Idee

Um einen Raum für die Sinnlichkeit des Denkens, die Körper des Denkens und das Denken der Körper und der Künste freizulegen, gilt es die stoische Idee der Wissenschaft als von den Sinnen und Körpern streng abgesetzte durchzustreichen. Was ist die Gabe des Performens, die Gabe der Künste für die Wissenschaft, und welches ist die Gabe der Wissenschaft für die Künste?

Judith Butler und Luce Irigaray ist es gelungen, in ihren Werken Körper von Gewicht sowie Macht des Diskurses/Unterordnung des Weiblichen aufzuzeigen, dass der Akt der Ausschließung des „Mater/iellen“ für das Denken der abendländischen Geschichte der Philosophie im Ganzen konstitutiv ist. Er markiert nicht irgendein Ereignis in der Geschichte des abendländischen Denkens, sondern verleiht ihr erst jenen einheitlichen Charakter, der sie insgesamt – und insgeheim – zu einer asketischen Praxis des Lebens macht. Im Zuge der Fragestellung Was bedeuten asketische Ideale?, kann Friedrich Nietzsche in der dritten Abhandlung Zur Genealogie der Moral daher reüssieren. „Es besteht unbestreitbar, so lange es Philosophen gegeben hat (von Indien bis England, um die entgegengesetzten Pole der Begabung für Philosophie zu nehmen), eine eigentliche Philosophen- Gereiztheit und -Rancune gegen die Sinnlichkeit.“ (ebenda, KSA Bd. 5, 350).

Asketische Ideale – wo sind die Gegenentwürfe?

Das asketische Ideal, in dem der Ausschluss des Sinnlichen, des Mater/iellen und Körperlichen im Akt des Philosophierens von den Philosophierenden selbst leibhaftig praktiziert wird, stellt auch heute noch eine entscheidende Existenz-Voraussetzung dafür dar, von der Scientific Community als redlicher Forscher (Bacon) wissenschaftlich anerkannt zu werden, so dass wir mit Nietzsche immer noch sagen müssen: „der Philosophische Geist hat sich zunächst immer in die früher festgestellten Typen des contemplativen Menschen verkleiden und verpuppen müssen,… um in irgend einem Maße auch nur möglich zu sein: das asketische Ideal hat lange Zeit dem Philosophen als Erscheinungsform, als Existenz-Voraussetzung gedient, – er musste es darstellen, um Philosoph sein zu können, er musste an dasselbe glauben, um es darstellen zu können.“ (ebenda, 360).

Der fatale Glaube an eine Welt, in der alles Mater/ielle, alles Sinnliche, alles Leidenschaftliche immer nur ein passives Moment der Konstitution einer entkörperten geistigen Welt sein durfte, ist der nüchterne, alles ernüchternde Habitus, der das Geschlecht der Philosophen bisher im Ganzen charakterisiert und in seinem Geruch „Gender gerecht“ normiert hat. Wer diesen Geruch nicht am  eigenen Leibe trägt, dünkt dem redlichen Wissenschaftler immer noch suspekt.

Bis heute ist eine nüchterne Maskierung des Philosophen und Wissenschaftlers nötig, die ihm vom Dispositiv der herrschen Macht abgenötigt, erzwungen wird, um ihn in den etablierten Korpus der Wissenschaft aufzunehmen. – Auch heute ist es ihm noch immer nicht erlaubt, diesseits des Ausschlusses der Sinnlichkeit, diesseits der Ausschließung des Mater/iellen, diesseits des Ausschlusses des Weiblichen inmitten des Wissenschaftskorpus’ in Erscheinung treten zu dürfen.

„Was bedeutet eben die Macht jenes [asketischen] Ideals, das Ungeheure seiner Macht? Weshalb ist ihm in diesem Maße Raum gegeben worden? – Weshalb nicht besser Widerstand geleistet worden? Das asketische Ideal drückt einen Willen aus: wo ist der gegnerische Wille, in dem sich ein gegnerisches Ideal ausdrückt?“ (Friedrich Nietzsche, ebenda, 395).

Sollte es möglich sein, dem Stattfinden dieses gegnerischen Ideals irgendwo statt-, irgendwo Raum geben zu können?

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Künstlerischer Part

Philosophy on Stage # 3