Mag. Dr. Ivan Fauri

Dissertation: Heraklit und Derrida

Abstract

Wenn es nicht einer außerordentlichen Gewaltanwendung gleichkäme, dann könnte man die Absichten, die hinter der vorliegenden Arbeit stecken, auf einen Satz komprimieren: Demjenigen, was sich an der Grenze zwischen Ereignis und Supplement, zwischen Erstem und Zweiten, zwischen origo und simulatio auftut und verbirgt, zu folgen. In der Lektüre zweier Denker, die sich an den tradierten chronologischen Enden der europäischen Philosophiegeschichte befinden, sollen tiefgelegene Gemeinsamkeiten freigemacht werden, die sie in der Herangehensweise an jene Problematik eng aneinander binden. Dabei wird ihre Nahelegung zum einen den Aufweis ermöglichen, Heraklit als prominenten „Vorläufer“ (im Sinne Heideggers: als Eröffner) Derridas zu etablieren, und zum anderen den Versuch gestatten, die Fragmente Heraklits im Derrida’schen Lichte neu zu lesen und zu verstehen. Es scheint bemerkenswert, dass die Interpretationen eines Denkers, dem eine dunkle und uneindeutige Ausdrucksweise nachgesagt wurde, über Jahrtausende hinweg auf wenigen festgefahrenen Bahnen verlaufen sind. Ziel dieser Arbeit wird es demnach auch sein, diesen Routen – fast könnte man sagen: einem Geisterfahrer ähnlich – auszuweichen und sich einen differenten Weg durch das Dickicht der Heraklit’schen Fragmente zu schlagen. Derridas Texte werden hierbei zugleich Fährten legen, denen es zu folgen gilt, und selbst Schauplatz des Lesens von Spuren sein: Obwohl Derrida Heraklit große Dankbarkeit ausspricht, bleiben die Referenzen auf Heraklit in seinen Texten stets sporadisch, flüchtig und oberflächlich.Diese Untersuchung versteht sich insofern auch als Eröffnung einer Suche, bei der die quasiverborgene, gespenstische Präsenz Heraklits im Denken Derridas zutage treten soll. Die Auseinandersetzung zwischen beiden Denkern wird sich im ersten Teil der Arbeit im Dunstkreis der Frage nach dem Ursprung (ἀρχή) bewegen, worin das Feuer (πῦρ) Heraklits und die Asche (cendre) Derridas die Hauptbezugspunkte bilden und sich eventuell auch „berühren“. Das zweite Kapitel widmet sich sodann einer eingehenden Analyse des Begriffes des Logos (λόγος), der bei Heraklit zum ersten Mal philosophische Relevanz erlangte und ins Zentrum seiner Überlegungen vorgestoßen ist; im Ausgang von Derridas Kritik der abendländischen Metaphysik als Logozentrismus soll daraufhin versucht werden, Heraklits Logos-Verständnis von ebenjener Kritik zu emanzipieren und in die Nähe dessen zu legen, was Derrida zufolge dem Logos auf singuläre Art widersteht: der différance. Im letzten Teil wird schließlich eine „phänomenologische“ Annäherung an die in den beiden Kapiteln umrissenen Problembereiche initiiert, die sich im Umkreis des Hörens und des Fließens abspielen wird.

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