1.1 Resumé der Thermodynamik

• Thermodynamischer Zustand; Zustandsgrößen
  Durch Angabe mehrerer makroskopischer Meßgrößen (Zustandsgrößen) $X_{i}$ kann man den Zustand eines Körpers eindeutig beschreiben:
  Substanzmenge (in mol) $n$; Druck $P$; Volumen $V$; Temperatur $T$; Innere Energie $E$; etc.
  
  Zustandsgleichungen der Form $f(X_{1},X_{2},..)=0$ reduzieren die Anzahl der unabhängigen Zustandsgrößen:
  $PV=nRT$; $E=n C_{V} T$ (ideales Gas); $(P+an^{2}/V^{2})(V-bn)=nRT$ (reales Gas; Van der Waals); usw.
• 1. Hauptsatz
  Das JOULEsche Experiment (Reibungswärme) zeigte, daß Wärme eine Form der Energie ist. Mechanische Energie $(W)$ und Wärme $(Q)$ können ineinander umgewandelt werden. Dabei bleibt aber die Gesamtenergie erhalten, d.h. unter Berücksichtigung der inneren Energie $E$
  

  $$dE=dQ-dW$$ (1.1)

  
  
  Dabei werden Energien, die dem System zugeführt werden, positiv gerechnet. Häufig tritt die mechanische Energie in Form von Volumsarbeit auf: $dW=- P dV$ (Kolben gegen Gewicht).
  Zu beachten ist, daß $E$ eine Zustandsgröße ist, daß $Q$ und $W$ aber nicht nur vom Zustand, sondern auch von der Geschichte des Systems abhängen; dies wird oft durch die Schreibweise $dE=\bar{d}Q-\bar{d}W$ betont.
  
  Innere Energie des idealen Gases: Der Expansionsversuch (ebenfalls von JOULE) beweist, daß $E_{idG}=C_{V} T$, daß die innere Energie des idealen Gases also nur von der Temperatur $T$ abhängt:
  
  Aus $\Delta W=0$ folgt $\Delta E=\Delta Q$, aber wegen $T_{2}=T_{1}$ ist auch $\Delta Q \propto \Delta T=0$; daher ist $\Delta E=0$. Da aber im Endzustand das Volumen anders ist, kann $E$ nicht von $V$ abhängen. In $E=E(V,T)$ kann also nur $E=E(T)$ gelten.
  
  Wie aber sieht $E(T)$ aus? Führt man z. B. isochor, d.h. bei $V=const$, Energie zu, dann kann dies nur Wärme sein: $\Delta E=\Delta Q = C_{V} \Delta T$. Also ist (wegen $C_{V}=const$) $E(T)=C_{V} T$.
  
  
• Thermische Wechselwirkung / Thermisches Gleichgewicht / Temperatur
  Bringt man zwei Körper in Kontakt, sodaß sie Energie austauschen können, dann fließt im allgemeinen eine gewisse Menge von Energie in eine Richtung. Sobald keine Wärmeenergie mehr fließt, herrscht Thermisches Gleichgewicht (p.def.).
  Eine Meßgröße zur Beschreibung dieses Gleichgewichts ist die Temperatur: $\left[ T_{1}=T_{2}\right]_{Glg}$.
• 2. Hauptsatz
  Nicht alle Energieumwandlungen, die dem 1. Hauptsatz genügen, sind auch tatsächlich möglich. Der 2. Hauptsatz besagt, welche Umwandlungen nicht möglich sind. Es gibt verschiedene logisch äquivalente Formulierungen:

  Nicht möglich sind Prozesse, bei denen ausschließlich $\Delta Q$ vollständig in $\Delta W$ umgewandelt wird. [Kelvin]

  Beispiel: Expansion eines Gases gegen Gewicht; nachher ist zwar $\Delta Q$ in $\int P dV$ verwandelt, aber der Zustand ist nun ein anderer (größeres $V$).

  Nicht möglich sind Prozesse, bei denen ausschließlich $\Delta Q$ von einem kalten zu einem warmen Reservoir transportiert wird. [Clausius]

  Beispiel: Wärmepumpe; nachher ist zwar $\Delta Q$ transportiert worden, aber dazu mußte mechanische Energie zugeführt werden.
  
  
• Reversible Prozesse
  Wenn die Umkehr der Zeitrichtung $t \longrightarrow -t$ ebenfalls zu einem möglichen Prozeß führt, nennt man den Vorgang reversibel.
  Aus dem 2. HS folgt, daß es Prozesse gibt, die nicht reversibel sind.
  
  Beispiel 1: Reversible Expansion
  
  

  Ein ideales Gas werde isotherm - d.h. unter steter Zufuhr von Wärme - gegen ein (langsam abnehmendes!) Gewicht expandiert. Die innere Energie des idealen Gases ändert sich dabei nicht $(E_{idG}=C_{V} T),$ daher gilt $$\Delta Q = \Delta W = \int P(V) dV = RT \int \frac{1}{V} dV = RT \ln \frac{V_{2}}{V_{1}}$$ (1.2) Die Umkehrung des Prozesses ist möglich: durch langsames Erhöhen des Außendrucks (z.B. Gewicht auf Kolben) und Abführen überschüssiger Wärme in einen Thermostaten kann man das Gas wieder isotherm komprimieren.

  
  
  Beispiel 2: Irreversible Expansion
  Ein ideales Gas werde ins Vakuum expandiert (JOULEscher Expansionsversuch). Befund: $T_{2}=T_{1}$, daher ebenfalls keine Änderung der inneren Energie. Nun wurde keine Arbeit geleistet bzw. gespeichert, nur das Volumen wurde vergrößert.
  Eine Umkehr der Zeitrichtung führt zu keinem möglichen Prozess: das Zusammenschrumpfen des Gases auf das kleinere Volumen ohne Zufuhr von mechanischer Energie findet nicht statt.
  
  
• Entropie
  Die mathematisch mächtigste Formulierung des 2. Hauptsatzes bedient sich der folgendermaßen definierten Größe:
  
  Sei $1 \longrightarrow 2$ ein reversibler Weg vom Zustand $1$ nach $2$. Dann ist die Differenz der Entropien gegeben durch
  

  $$\Delta S \equiv S(2)-S(1) = \int_{1}^{2}\frac{dQ}{T}$$ (1.3)

  
  
  
  
  $S$ hat folgende wichtige Eigenschaften:
  
  • $S$ ist eine Zustandsgröße, d.h. in jedem Zustand eines Systems hat $S$ einen wohldefinierten Wert. Dieser ist allerdings nur bis auf eine additive Konstante bestimmt; der dritte Hauptsatz beseitigt dieses Problem durch die Aussage $S(T \rightarrow 0) =0$.
  • $\Delta S > \int_{1}^{2} dQ / T$ bei jedem nicht reversiblen Übergang.
    
  • Sobald sich ein thermisch isoliertes System im Gleichgewicht befindet, hat die Entropie ihr Maximum erreicht.
    
  • In einem thermisch isolierten System (u. a. auch dem Universum) ist $dQ=0$ und daher $\Delta S \geq 0$, d.h. spontan nimmt die Entropie niemals ab.
    
  • Aus dem ersten HS $dE=T dS -P dV$ folgt
    

    $$\left. \frac{dE}{dS}\right\vert _{V}=T$$ (1.4)

    
    
    Das heißt, das oben definierte thermische Gleichgewicht läßt sich auch so beschreiben:
    Bei Kontakt zwischen zwei Körpern fließt so lange Energie, bis
    

    $$\left. \frac{dE}{dS}\right\vert _{1}=\left. \frac{dE}{dS}\right\vert _{2}$$ (1.5)

    
    

  • Sind zwei Systeme im thermischen Gleichgewicht, dann gilt $S_{ges}=S_{1}+S_{2}$; die Entropie ist also additiv (extensiv).
  
  
  
• Anwendung der Entropie:
  Die Entropiebilanz gibt Auskunft darüber, ob ein Prozeß nach dem 2. HS möglich ist. Insbesondere hilft sie bei der Diagnose, ob ein Vorgang reversibel ist oder nicht.
  
  Beispiel 1: Reversible Expansion
  In obigem Experiment ist die Zunahme der Entropie des Gases
  

  $$\Delta S_{Gas} = \frac{\Delta Q}{T} = \frac{\Delta W}{T} = R \ln \frac{V_{2}}{V_{1}}$$ (1.6)

  
  
  Gleichzeitig liefert ein Wärmespeicher die Energie $\Delta Q$ an das Gas; seine Entropie nimmt dabei um
  

  $$\Delta S_{Sp} = - \frac{\Delta Q}{T} = - R \ln \frac{V_{2}}{V_{1}}$$ (1.7)

  
  
  ab. Damit ist die Entropie des Gesamtsystems erhalten, und der umgekehrte Vorgang ist ebenfalls möglich: $\Longrightarrow$reversibel.
  
  Beispiel 2: Irreversible Expansion:
  Anfangs- und Endzustand des Gases sind dieselben wie oben; da $S$ eine Zustandsgröße ist, gilt wieder
  

  $$\Delta S_{Gas} = R \ln \frac{V_{2}}{V_{1}}$$ (1.8)

  
  
  Diesmal wird aber keine Energie zugeführt, daher ist $\Delta S_{Sp} = 0$ und somit $\Delta S > 0$. Der umgekehrte Prozeß müßte die Gesamtentropie verringern, was nicht zulässig ist: $\Longrightarrow$irreversibel.
  
  
• Makroskopische Bedingungen und Thermodynamische Potentiale
  Zwei unabhängige Zustandsgrößen definieren den thermodynamischen Zustand (,,Makrozustand``) eines Gases.
  
  Je nach der konkreten experimentellen Anordnung dienen zwei der vier Größen $V,T,P,S$ als Makrobedingungen:
  • $(S,V)$: Das System ist zunächst thermisch und mechanisch isoliert: $\Delta Q = T \Delta S=0$ und $\Delta W=P \Delta V=0$. Die innere Energie ist durch $S$ und $V$ eindeutig gegeben: $E=E(S,V)$.
    
    Nun sollen die Makrobedingungen reversibel geändert werden. Aus dem 1. HS $dE=T dS -P dV$ folgen dann die thermodynamischen Relationen $P=-(dE/dV)_{S}$ und $T=(dE/dS)_{V}$.
    
    Die innere Energie $E(S,V)$ ist damit ein Beispiel für ein Thermodynamisches Potential.
    
    
  • $(V,T)$: Das System ist mechanisch abgeschlossen $(\Delta V=0)$, kann aber Energie mit einem Wärmebad austauschen: $T=const$.
    
    Definieren wir die Helmholtzsche Freie Energie $A(V,T) \equiv E-TS$, dann folgen aus $dA = -P dV-S dT$ die Relationen $P=-(dA/dV)_{T}$ und $S=-(dA/dT)_{V}$.
    
    Bei der oben diskutierten isothermen Expansion ändert sich also die Freie Energie des Gases gerade um $\Delta A = -\int P dV$.
    
    
  • $(P,S)$: Thermische Isolierung, aber beweglicher Kolben.
    
    Enthalpie $H\equiv E+PV$: $dH = T dS + V dP$ $\Longrightarrow$ $T=(dH/dS)_{P}$ und $V=(dH/dP)_{S}$.
    
    
  • $(P,T)$: Wärmebad und beweglicher Kolben.
    
    Gibbssches Potential $G(P,T) \equiv A+PV$: $dG = -S dT + V dP$ $\Longrightarrow$ $S=-(dG/dT)_{P}$ und $V=(dG/dP)_{T}$.
    
    Merkregel: Maxwellsches Quadrat