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4.3 Die großkanonische Gesamtheit

Ähnlich wie beim Übergang vom mikrokanonischen zum kanonischen Ensemble bringen wir ein kleines System ($1$) in Kontakt mit einem großen ($2$). Diesmal lassen wir aber nicht nur den Austausch von Energie zu, sondern auch den Übertritt von Teilchen aus einem System ins andere.

Abbildung: System in Kontakt mit einem Energie- und Teilchenreservoir: $\rightarrow $ großkanonische Gesamtheit
\begin{figure}\includegraphics[width=300pt]{fig/f4gkg.ps}
\end{figure}


Wieder kann man die Wahrscheinlichkeitsdichte im Phasenraum des kleineren Systems angeben; sie hängt nun auch von der Teilchenzahl $N_{1}$ ab (sowie von $\{ \vec{r}_{i}, \vec{v}_{i}; i=1, \dots N_{1} \}$):
\begin{displaymath}
p(\vec{r}, \vec{v}; N_{1}) \propto e^{\mu N_{1}/kT} e^{-E(\vec{r}, \vec{v})/kT}
\end{displaymath} (4.49)

Durch Summieren dieser Dichte über alle möglichen Werte von $N_{1}$ und - bei jedem $N_{1}$ - Integration über alle $\{ \vec{r}_{i}, \vec{v}_{i}; i=1, \dots N_{1} \}$ erhält man die große Zustandssumme
\begin{displaymath}
Z(\mu,V_{1},T) \equiv \sum_{N_{1}=0}^{\infty} e^{N_{1}\mu/kT}
Q(N_{1},V_{1},T)
\end{displaymath} (4.50)

Sie gibt das ,,statistische Gesamtgewicht`` aller möglichen Zustände des Systems $1$ an. Vor allem aber dient sie als Quellfunktion für die Thermodynamik.

THERMODYNAMIK IM GROSSKANONISCHEN ENSEMBLE
Aus der großen Zustandssumme lassen sich auf einfache Weise Ausdrücke für die thermodynamischen Observablen herleiten. So gilt, mit $z \equiv e^{\mu /kT}$ und $\beta \equiv 1/kT$,
$\displaystyle P$ $\textstyle =$ $\displaystyle \frac{kT}{V} \ln Z(z,V,T)$ (4.51)
$\displaystyle N (\equiv \langle N \rangle)$ $\textstyle =$ $\displaystyle z \frac{\partial}{\partial z}
\ln Z(z,V,T) = kT \frac{\partial \ln Z}{\partial \mu}$ (4.52)
$\displaystyle U (\equiv \langle E \rangle)$ $\textstyle =$ $\displaystyle - \frac{\partial}{\partial \beta}
\ln Z(z,V,T) = kT^{2} \frac{\partial \ln Z}{\partial T}$ (4.53)

Die Schwankung der Teilchenzahl bleibt - trotz Freigabe dieser Anzahl - im allgemeinen gering; und zwar gilt wieder $\Delta N / N \approx 1/\sqrt{N}$. Damit ist die Äquivalent dieser Gesamtheit mit dem kanonischen Ensemble gegeben.

Beispiel: Wieder soll uns das klassische ideale Gas als Beispiel dienen. Für die große Zustandssumme finden wir

$\displaystyle Z(z,V,T)$ $\textstyle =$ $\displaystyle \sum_{N}z^{N}\frac{V^{N}}{N!}
\left( \frac{2 \pi m k T}{h^{2}}\right)^{3N/2}$  
  $\textstyle =$ $\displaystyle \sum_{N} \frac{y^{N}}{N!}\;\;{\rm mit}\;
y \equiv Vz \left( \frac{2 \pi m k T}{h^{2}}\right)^{3/2}$ (4.54)

Daher gilt

\begin{displaymath}
Z=\exp \left[-zV \left( \frac{2 \pi m k T}{h^{2}}\right)^{3/...
...}\;
\ln Z = -zV \left( \frac{2 \pi m k T}{h^{2}}\right)^{3/2}
\end{displaymath} (4.55)

Aus den Formeln für Druck und innere Energie ergibt sich

\begin{displaymath}
P=-kTz \left( \frac{2 \pi m k T}{h^{2}}\right)^{3/2}
\;\;{\r...
...-kTz \frac{3V}{2}\left( \frac{2 \pi m k T}{h^{2}}\right)^{3/2}
\end{displaymath} (4.56)

Daher ist $P = 2U/3V$ oder

\begin{displaymath}
P=\frac{2}{3V} \frac{3NkT}{2} = \frac{N}{V} kT
\end{displaymath} (4.57)

im Einklang mit der Zustandsgleichung für das ideale Gas.


SIMULATION IM GROSSKANONISCHEN ENSEMBLE: GKMC
Auch die Zustände der großkanonischen Gesamtheit können mit einem Zufallsverfahren durchgemustert werden. Ähnlich wie im kanonischen Monte Carlo-Verfahren generiert man dazu eine Folge von Mikrozuständen $\vec{\Gamma}_{c}(m),   m=1, \dots M$ mit der ihnen zukommenden relativen Häufigkeit. Dabei variiert man aber auch die Teilchenzahl, indem man gelegentlich ein Teilchen hinzufügt oder entfernt, und zwar nach einer Zufallsregel, die im Einklang mit der Wahrscheinlichkeit einer solchen Verdichtung oder Verdünnung steht. Die Mittelung einer Größe über diese ,,Markovkette`` von Konfigurationen ergibt wieder einen Schätzwert für die zugehörige thermodynamische Observable.
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F. J. Vesely / StatPhys Tutorial, Deutsch, 2001-2003