Als mikrokanonisches Ensemble haben wir jene Gesamtheit
von Mikrozuständen
bezeichnet, die bei gegebenen eine Energie im Intervall
aufweisen. Die Anzahl der möglichen Mikrozustände, die einem System unter den
Bedingungen zukommen, ist proportional zu dem Volumsbereich im
Phasenraum, in dem diese Mikrozustände liegen. Der Logarithmus dieses
Phasenraumvolumens (gemessen in Volumseinheiten
)
wurde tentativ mit der aus der Thermodynamik bekannten Entropie
identifiziert. Damit diese Gleichsetzung sinnvoll ist, muß zwei
Eigenschaften aufweisen, die aufgrund der Thermodynamik gefordert werden:
1.
Im Gleichgewicht sollte sich die verfügbare
Gesamtenergie
so auf die beiden Systeme aufteilen, daß
THERMISCHE WECHSELWIRKUNG
Nehmen wir nun an, zwei Systeme () und
() werden miteinander in thermischen Kontakt gebracht; sie
können also Energie austauschen, wobei aber die Gesamtenergie
erhalten bleiben soll;
ihre ,,privaten`` Volumina und Teilchen bleiben getrennt. Wir
wollen die Frage beantworten, wie
groß das Phasenraumvolumen des zusammengesetzen Systems ist.
Ad 1. Die optimale Teilenergie genügt der Forderung
, oder
(4.3)
Dies ist aber nichts anderes als die aus der Thermodynamik bekannte Gleichung
(4.4)
oder, mit
,
(4.5)
Ad 2. Die Gesamtenergie sei gemäß
auf die beiden Teilsysteme aufgeteilt.
Dann ist nach 3.30
(4.6)
und daher
(4.7)
wobei jene Teilenergie des Systems ist, für die das Produkt
ein Maximum ist.
Das heißt, bei thermischem Kontakt zwischen zwei nach außen isolierten
Systemen fließt so lange Energie von
einem System zum anderen, bis die Größe
() in beiden Systemen gleich groß ist. Da das zusammengesetzte
System dann das größtmögliche
Volumen im Phasenraum einnimmt, ist diese Aufteilung der Energien die
wahrscheinlichste. Es können zwar
Fluktuationen um diese Energieaufteilung auftreten, diese bleiben aber
wegen der Schärfe des Maximums von
sehr klein.
Man sollte sich bewußt sein, daß die obigen Aussagen zwar von eminenter
physikalischer Bedeutung sind, daß sie aber - in relativ einfacher
Weise - aus den geometrischen Eigenschaften hochdimensionaler Kugeln
hergeleitet werden konnten.
BEISPIEL:
Betrachten wir Systeme wie im obigen Beispiel,
wobei aber vor der thermischen
Wechselwirkung , und somit sein soll.
Das Maximum des Produkts
liegt bei
, und das zugehörige Volumen im
Phasenraum ist
(4.8)
Wie verhält sich nun das Volumen (und damit die Wahrscheinlichkeit)
einer anderen Energieverteilung,
beispielsweise zu 4.8?
(4.9)
Die Energiefluktuationen sind bei diesen kleinen Systemen also noch
relativ groß:
.
Für größere
Teilchenzahlen wird
aber mit kleiner:
; somit
.
THERMODYNAMIK IM MIKROKANONISCHEN ENSEMBLE
Das System, dessen Mikrozustände der mikrokanonischen
Gesamtheit angehören, soll
nun mit der Außenwelt in Kontakt stehen. Die makroskopischen Bedingungen
() sollen sich ändern, und zwar in quasistatischer
Weise, das heißt
so langsam, daß das System jederzeit die zu den
augenblicklichen Makrobedingungen
gehörige Mikrogesamtheit durchlaufen kann.
Handelt es sich zum Beispiel um ein Gas mit der anfänglichen
Energie und dem
Volumen , dann soll die zu gehörige Phasenraum-Schale
jederzeit gleichmäßig überstrichen werden, bevor sich und weiter
verändern. Unter dieser Voraussetzung steht die aufgenommene bzw. abgegebene
differentielle Energie mit der differentiellen Volumenänderung gemäß
(4.10)
in Zusammenhang.
Definiert man (neben
) den
Druck gemäß
(4.11)
dann ist 4.10 identisch mit der thermodynamischen Gleichung
(4.12)
Beispiel: Klassisches ideales Gas, mit
(4.13)
Löst man diese Gleichung nach auf, dann erhält man die
innere Energie
zu
(4.14)
Laut Thermodynamik ist
; daher gilt
(4.15)
Die spezifische Wärme des idealen Gases ist daher, in Einklang mit dem
Experiment,
(4.16)
Der Druck ergibt sich aus
:
(4.17)
SIMULATION IM MIKROKANONISCHEN ENSEMBLE: DIE
MOLEKULARDYNAMIK-RECHNUNG
Es ist uns nicht
schwergefallen, die Entropie eines idealen Gases als
Funktion der Größen , und herzuleiten. Aus
aber ließ sich die Thermodynamik dieses simplen
Modellsystems ableiten. Die Lösung des Problems war deshalb so
einfach, weil wir keine Kräfte zwischen den Teilchen annahmen.
Die Statistische Mechanik hält auch für jene Fälle
Lösungsverfahren bereit, in denen die Partikel miteinander in
Wechselwirkung stehen. Eine Darstellung dieser theoretischen
Methoden (Virialentwicklung, Integralgleichungs-Theorien usw.)
läßt sich im gegebenen Rahmen aber nicht unterbringen.
Ein pragmatischeres Verfahren zur Ermittlung der thermodynamischen
Eigenschaften eines beliebigen Modellsystems
ist die Computersimulation. Die klassischen Bewegungsgleichungen von
Massenpunkten, die über durch ein abstandsabhängiges Potential
(beispielsweise nach Lennard-Jones) miteinander wechselwirken, lauten
(4.18)
Für einen zur Zeit gegebenen Mikrozustand
kann man diese Bewegungsgleichungen jeweils für einen kurzen Zeitschritt
mittels numerischer Näherungen lösen; die so berechneten neuen
Positionen und Geschwindigkeiten
zur Zeit sind wieder Ausgangswerte für den nächsten
Rechenschritt und so fort. Dieses Simulationsverfahren wird als
Molekulardynamik-Methode bezeichnet.
Da wir nur Kräfte zwischen den Teilchen, aber keine äußeren Kräfte
annehmen, bleibt die Gesamtenergie im System erhalten: die Trajektorie
des Systems liegt also auf der Energiefläche . Wenn das
System chaotisch ist, werden alle
Zustände auf dieser Hyperfläche mit gleicher Häufigkeit aufgesucht.
Ein Mittelwert über besagte Trajektorie müßte also einem
Mittelwert über das mikrokanonische Ensemble entsprechen. So lassen sich
zum Beispiel die beiden Beiträge zur inneren Energie als Mittelwerte
gemäß
errechnen, wobei zu jedem Zeitpunkt aus den Geschwindigkeiten
und
aus den Positionen zu
bestimmen ist. In ähnlicher Weise kann die Temperatur aus
,
der Druck aus dem Mittelwert des sogenannten ,,Virials`` berechnet
werden. Als Virial bezeichnet man die Größe
;
der Duck ist gegeben durch
.
Im Fall harter Kugeln erfolgt die Berechnung der Teilchenbahnen anders.
Bei gegebenen
berechnet man die Zeitspanne
bis zum allernächsten Stoß, der zwischen irgendwelchen
zwei Teilchen im System - nennen wir sie und - vergehen
wird. Dann bewegt man alle
Kugeln im System um den Weg
weiter. Die
Geschwindigkeiten der beiden Stoßpartner werden gemäß den
Gesetzen des elastischen Stoßes neu berechnet, und der Kreis
ist geschlossen.