Franz Martin Wimmer:
98/99 PS Übung 3
WS 98/99, LV 601 369 PS: GESCHICHTE DER PHILOSOPHIE
(2,1): Ursprünge und Anfänge des Philosophierens - Übung 3
(30. 11. 98):
Kommentieren Sie folgende Teile antiker Texte,
indem Sie sich fragen, inwiefern es sich um philosophische oder philosophisch
relevante Texte handelt und welcher Tradition bzw. Person sie zuzuschreiben
sind. Begründen Sie Ihre Antworten.
Text 1:
Was Gestalt, Schall und Farbe hat, ist Ding
genannt. In einem sind alle Dinge gleich: keins kann das Sein erreichen,
das jenseits ihrer aller ist: sie sind nur, was sie erscheinen. Der Mensch
allein vermag formlos und unwandelbar zu werden. Kann einer dies in Vollkommenheit
erreichen, wie sollten die Dinge ihn hemmen? Er verharrt in seinem Gesetz
und wohnt in der endlosen Verborgenheit. Er umfängt den Anbeginn und
das Ende alles Seienden.
Text 2:
Das Denken und das, weswegen der Gedanke ist,
sind dasselbe, denn du wirst das Denken nicht ohne das Seiende finden, in
dem es ausgesprochen ist, denn nichts ist oder wird sein außer dem
Seienden, da es das Schicksal daran gebunden hat, ein Ganzes und unbeweglich
zu sein. Darum wird alles bloßer Name sein, was die Sterblichen in
ihrer Sprache festgesetzt haben, überzeugt, es sei wahr: Werden sowohl
als Vergehen, Sein sowohl als Nichtsein, Verändern des Ortes und Wechseln
der leuchtenden Farbe.
Text 3:
Wer Gottheiten bildet und Götzen gießt,
hat keinerlei Nutzen davon. ... Der Baum soll dem Menschen dienen zum Brennholz;
man nimmt hiervon und es wird warm. Aber den Rest macht man zu Gott, zu seinem
Götzen, den man verehrt; man wirft sich nieder und betet zu ihm. ...
In seinen Sinn kommt es nicht, ... daß er sich fragt: Ich verbrannte
die Hälfte im Feuer, über seinen Kohlen buk ich Brot, briet das
Fleisch und aß es; sollte ich da wohl, was übrigbleibt, zum Scheusal
machen, mich neigen vor dürrem Holz?
Text 4:
Wer andere kritisiert, muß etwas entgegensetzen.
Darum sagte [er]: 'Begrenztheit ist durch Allgemeinheit zu ersetzen.' Aber
wie kann Begrenztheit durch Allgemeinheit ersetzt werden? Ich sage, wenn
jeder die Art der anderen so betrachtet, als wäre es die seine, wer
würde dann die Art der anderen angreifen? Andere sollten wie man selbst
betrachtet werden.
Text 5:
Wasser und Feuer haben subtilen Geist, aber
kein Leben. Pflanzen und Bäume haben Leben, aber keine Wahrnehmung;
Vögel und Tiere haben Wahrnehmung, aber keinen Gerechtigkeitssinn. Der
Mensch hat Geist, Leben und Wahrnehmung und darüberhinaus Gerechtigkeitssinn;
darum ist er das edelste der irdischen Dinge.
Text 6:
Die Sterne entstehen als Feuerring, getrennt
von dem Feuer, das den Kosmos durchdringt, und von Nebel umhüllt. Es
gibt Atemlöcher, gewisse Durchgänge wie bei Pfeifen, durch welche
die Sterne scheinen. Wenn diese verstopft sind, gibt es Finsternisse.
Text 7:
Wahrlich, Frau, der Ehemann ist [der Ehefrau]
nicht um des Ehemannes willen lieb, sondern um ihres Selbstes (= ihrer selbst)
willen ist der Ehemann [der Ehefrau] lieb. ... Wahrlich, Frau, der Besitz
ist [dem Besitzer] nicht um des Besitzes willen lieb, sondern um seines Selbstes
(= seiner, des Besitzers, selbst) willen ist der Besitz [dem Besitzer] lieb.
... Wahrlich, Frau, alles [denkbare Liebe] ist [allen denkbaren Liebhabern]
nicht um seinetwillen lieb, sondern um ihres Selbstes (ihrer, aller, selbst)
willen ist alles [allen] lieb.
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Letzte Bearbeitung: 6. Dezember 1998
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