Franz Martin Wimmer
Vorlesungen zur Geschichtsphilosophie
WS 2013 Übersicht gesamt:
1. Vorlesung: Begriffliches,
Bedeutungen von "Geschichte", Geschichtstheorie als Theorie von
"stories" (H. White)
2. Vorlesung: Thema
1: Vorstellungen zum Verlauf von Geschichte
3. Vorlesung: Thema 2: Akteure und Faktoren
4. Vorlesung: Thema
3: Annahmen von Gesetzmäßigkeiten
5. Vorlesung: Thema
4: Erkennbarkeit - idiographisch vs nomothethisch
6. Vorlesung: Thema
5: Erklärbarkeit - hermeneutisch vs szientistisch
7. Vorlesung: Thema
6: Perspektivität und Objektivität
Dritte Vorlesung (29. 10. und 5. 11. 2013)
Nehmen wir an, eine geschichtsphilosophische Position will die Frage klären, wer oder was eigentlich Geschichte bewirkt. Sie stellt die Frage nach den Autoren oder Akteuren, den Urhebern oder den eigentlich Handelnden hinter dem, was wir als Geschichte wahrnehmen. Diese Frage wird in der Geschichtsphilosophie tatsächlich regelmäßig gestellt.
Wir können uns vorstellen, dass es auf diese Frage nicht unendlich verschiedene Antworten gibt, sondern nur einige wenige, die aber in Bezug auf die Art von Subjekt, das als Urheber oder als Bewirker hinter Ereignissen, Prozessen, Zuständen der Geschichte angenommen wird, in deutlicher Weise verschieden sind.
Zu der Frage, wer oder was eigentlich die Geschichte
bewirkt, ist im Verlauf der Zeit immer wieder etwas gesagt worden
von Autoren, deren Absicht es war, die Situation ihrer Gegenwart
durch eine Untersuchung der Vergangenheit zu erklären.
Wie in den Beispielen vorhin angesprochen, können kategorial
unterschiedliche Akteure oder Faktoren als hinter den
tatsächlichen Ereignissen und Verläufen von Geschichte wirksam
angenommen werden. Man kann darunter zwei Gruppen von Handelnden
oder Bewirkenden unterscheiden und entsprechend von heteronomen
oder von autonomen Modellen sprechen, je nachdem, ob
angenommen wird, dass Menschen selbst Geschichte bewirken
(Autonomie) oder diese letztlich von außermenschlichen Kräften
bewirkt wird (Heteronomie).
Die Erklärung wesentlicher
historischer Entwicklungen durch klimatische Bedingungen
geht in europäischer Tradition auf antike Autoren zurück,
insbesondere ist hier an die Medizinerschule von Kos zu erinnern,
wovon Hippokrates einschlägige Texte hinterlassen hat. Er
untersucht, welche körperlichen (besonders gesundheitlichen) und
geistigen Eigenschaften von Menschen auf das vorherrschende Klima
ihres Lebensraums zurückzuführen seien.
Nennen wir eine "klimatheoretische" Antwort auf unsere Frage, wer
oder was eigentlich die Geschichte bewirkt, eine solche,
in der zumindest für einen entscheidenden Teil der menschlichen
Vergangenheit die jeweiligen Umweltbedingungen einer menschlichen
Gruppe als entscheidend angesehen werden, so begegnen wir solchen
Theorien bis in unsere Zeit immer wieder. Ich nenne einige Werke,
die das belegen:
Ibn Khaldun: Muqaddima. ([arab, ca 1400] dt. auszugsweise Anfang
19. Jh.) Vgl. VO 2004 über arabische
Geschichtsphilosophie - Ibn Khaldun
Charles de Montesquieu: Geist der Gesetze ([frz. 1748] dt. 1753)
Vgl. Skriptum
Geschichtsphilosophie I
Johann Gottfried Herder: Ideen zur Philosophie der Geschichte der
Menschheit (1784-91) vgl. dass. Skriptum
Henry Thomas Buckle: Geschichte der Zivilisation in England
([engl. 1857-61] dt. 1870) vgl. Skriptum
Geschichtsphilosophie II, Anhang
Friedrich von Hellwald: Culturgeschichte in ihrer natürlichen
Entwicklung bis zur Gegenwart (1875)
Watsuji, Tetsuro: Fudo. Wind und Erde. Der Zusammenhang zwischen
Klima und Kultur ([jap. 1935] dt. 1992)
Jared Diamond: Arm und Reich. Die Schicksale menschlicher
Gesellschaften. ([engl. 1997] dt. 1998)
sind ebenfalls als Erklärungen für Unterschiede zwischen
menschlichen Gesellschaften entwickelt worden, also als Theorien
über Geschichte. Wie Rassentheorien überhaupt, sind sie
Produkte der europäischen Neuzeit seit dem späten 18. Jahrhundert,
insbesondere im 19. und 20. Jahrhundert entwickelt. Um so Geschichte
zu erklären, muss "wissenschaftlich" geklärt werden, welche und
wieviele "Rassen" die Menschheit in der Gegenwart aufweist oder in
der Vergangenheit aufgewiesen hat; ferner, ob und welche
intellektuellen, psychischen, sozialen und kulturellen
Unterschiede zwischen diesen "Rassen" bestehen, die kollektiv
bestimmend sind und konstant bleiben; schließlich, welche
Errungenschaften, Entwicklungen oder Katastrophen in der bekannten
Menschheitsgeschichte von welchen "Rassen" verursacht worden sind.
Es gibt zu jeder dieser drei Fragestellungen umfangreiche
Literatur, jedenfalls in europäischen Sprachen. Dennoch ist
auffallend, dass etwas wie eine Universalgeschichte der Menschheit
in rassentheoretischer Sicht zwar häufig ansatzweise, für
bestimmte Regionen, Zeiten oder auch Lebensbereiche, aber nicht in
systematischer Durchführung unternommen worden ist. Am ehesten
kommt dem wohl nahe:
Artur Graf Gobineau: Versuch über die Ungleichheit der
Menschenracen. Hg.: Ludwig Schemann. Bd. I-IV. Stuttgart:
Fromanns, 1898. (Erstdruck frz.: Essay sur l'inégalité des races
humaines, 1853-55)
Dennoch sind Theorien über "Rassen" kein nebensächliches
Geistesprodukt in kultur- und geschichtsphilosophischen
Zusammenhängen. Vgl. dazu meinen Aufsatz: "Rassismus und
Kulturphilosophie" (1989)
Georg Wilhelm Friedrich HEGEL (1770-1831)
Geschichtsphilosophische Hauptwerke:
Rechtsphilosophie, insbes. §§ 341-360
Vorlesungen über die Philosophie der
Weltgeschichte [Anm. 1]
Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie
Hegel formuliert als Ausgangsfrage, die sich bei unserer
Beschäftigung mit Geschichte zunächst stellt, das Dilemma, dass
wir einerseits gewohnt sind, in einer chaotischen Welt zu leben,
in der Denken, Gedachtes und Begriffe auseinanderfallen,
zueinander "abstrakt" sich verhalten und dass wir doch in der
Reflexion auf der Einheit, der Identität des Bewußtseins und
Selbstbewußtseins bestehen. Die verschiedenen Stufen, die das
individuelle Bewußtsein auf dem Weg von der abstrakt-sinnlichen
Existenz bis zum konkreten Selbstbewußtsein durchläuft, will er in
der Geschichte der Menschheit ebenso wiederfinden wie in der
Geschichte des Individuums oder des Denkens. Diese Stufen bilden
auch den Gang des Geistes insgesamt und damit die Geschichte der
Vernunft. Wissenschaft ist insofern begriffene Geschichte, als im
höchsten Wissen keine besonderen, einzelnen Gesichtspunkte als
solche mehr vorkommen.
Das Resultat dieses Ganges ist also, dass der Geist, indem er
sich objektiviert und dieses sein Sein denkt, einerseits die
Bestimmtheit seines Seins zerstört, anderseits das Allgemeine
desselben erfaßt, und dadurch seinem Prinzip eine neue
Bestimmung gibt. Hiemit hat sich die substantielle Bestimmtheit
dieses Volksgeistes geändert, d.i. sein Prinzip ist in ein
anderes, und zwar höheres Prinzip aufgegangen. (Meiner, 72)
Geschichte sieht Hegel als Prozeß, in dem die Vernunft - als
solche - zu sich selbst, zum vollen Bewußtsein ihrer Äußerungen
kommt - sie muss sich äußern, nur so stößt sie auf ihre
Gegenstände, die sie sich erst aneignen muß. Die Gesamtrichtung
dieser Äußerungen der Vernunft in der Geschichte ist die Richtung
auf eine verwirklichte Freiheit.
Die Mittel des geschichtlichen Prozesses.
Hegel fragt nach den Mitteln, mit deren Hilfe der Geschichtsprozeß
sich vollzieht. Das sind zunächst Individuen, die ihre jeweils
eigenen Zwecke verfolgen. Dabei verändern sie den jeweils
bestehenden Zustand, aber sie schaffen ihn nicht einfach ab,
sondern tun etwas, was Hegel mit dem Wort "aufheben" bezeichnet:
er beobachtet, dass bei der Veränderung von Zuständen durch
Menschen die früheren Zustände immer noch irgendwie erhalten
bleiben - aufheben heißt im Deutschen (auch) aufbewahren. Es
bleibt aber natürlich nicht einfach nur der alte Zustand erhalten,
sondern etwas wird wirklich verändert, abgeschafft (wie
beispielsweise eine Vorschrift “aufgehoben” wird). Und schließlich
heißt “auf-heben” auch, dass etwas auf eine höhere Stufe befördert
wird. Alle diese drei Elemente meint Hegel, wenn er das Wort
"Aufhebung" oder "aufheben" verwendet und er behauptet, dass sie
immer ineinander gingen. Die einzelnen Menschen, wenn sie nach
ihren individuellen Bedürfnissen und Träumen etwas ändern, "heben"
also den jeweils bestehenden Zustand dadurch in dreifachem Sinn
“auf”. Gibt es in der Gesamtheit dieser Einzelhandlungen etwas,
das als Muster oder Gesetz den unendlich vielen Bedürfnissen und
Plänen der einzelnen Menschen zugrundeliegt, das darin vielleicht
zum Ausdruck kommt oder sich durchsetzt, von dem aber alle die
wirklichen Menschen in der Geschichte gar keine Vorstellung
hatten? Nur wenn ein derartiger Gesamtplan in der Geschichte zu
erkennen ist, kann es eine Wissenschaft von der Geschichte geben.
Es geht “vernünftig” zu.
Der Staat
Vernünftig verhalten sich die handelnden Menschen, wenn ihr Wollen
universalisierbar ist, wenn sie einen Staat bilden. Das Material
der Geschichte und der eigentliche Gegenstand des Denkens über
Geschichte ist für Hegel also der "Staat". In der Weltgeschichte
kann nach ihm nur von Völkern die Rede sein, die einen "Staat"
bilden.
Das ist nicht eine Geschichte des ganzen Globus, denn es gibt
Völker ohne Geschichte, in Afrika und Amerika insbesondere
(s.unten, Anhang) und:
Die Weltgeschichte geht von Osten nach Westen, denn Europa ist
schlechthin das Ende der Weltgeschichte, Asien der Anfang.
Es ist auch nicht eine Geschichte aller Zeiten, in denen Menschen
gelebt haben, denn
Die Zeiträume, wir mögen sie uns von Jahrhunderten oder
Jahrtausenden vorstellen, welche den Völkern vor der
Geschichtsschreibung verflossen sind und mit Revolutionen, mit
Wanderungen, den wildesten Veränderungen mögen angefüllt gewesen
sein, sind darum ohne objektive Geschichte, weil sie keine
subjektive, keine Geschichtserzählung aufweisen. (Meiner,
146)
Es ist die Geschichte von Völkern, die einen Staat bilden.
Ein "Staat" nun ist
-ein Allgemeines (wie es Allgemeines auch in den Gesetzen der
Physik gibt), in dem
-das Individuell-Besondere (die "besonderen Zwecke") aufgehoben
sind im - allgemeinen - Interesse.
... der subjektive Wille ist betrachtet worden, wie er einen
Zweck hat, welcher die Wahrheit einer Wirklichkeit ist, und zwar
insofern er eine große welthistorische Leidenschaft ist. Als
subjektiver Wille in beschränkten Leidenschaften ist er
abhängig, und seine besonderen Zwecke findet er nur innerhalb
dieser Abhängigkeit zu befriedigen. Aber der subjektive Wille
hat auch ein substantielles Leben, eine Wirklichkeit, in der er
sich im wesentlichen bewegt und das Wesentliche selbst zum
Zwecke seines Daseins hat. Dieses Wesentliche ist selbst die
Vereinigung des subjektiven und des vernünftigen Willens: es ist
das sittliche Ganze - der Staat, welcher die Wirklichkeit ist,
worin das Individuum seine Freiheit hat und genießt, aber indem
es das Wissen, Glauben und Wollen des Allgemeinen ist... (G
W.F. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Hg.
Th. Litt, Stuttgart: Reclam 1961, S. 85)
Der Staat ist die göttliche Idee, wie sie auf Erden vorhanden
ist. Er ist so der näher bestimmte Gegenstand der Weltgeschichte
überhaupt... (ebd.,86f.)
Indem der Staat, das Vaterland, eine Gemeinsamkeit des Daseins
ausmacht, indem sich der subjektive Wille des Menschen den
Gesetzen unterwirft, verschwindet der Gegensatz von Freiheit und
Notwendigkeit. Notwendig ist das Vernünftige als das
Substantielle, und frei sind wir, indem wir es als Gesetz
anerkennen und ihm als der Substanz unsres eignen Wesens
folgen... (ebd.,87)
Die besonderen Staaten und ihre Aufhebung
Die "besonderen Staaten" unterscheiden sich nach dem in ihnen
herrschenden Prinzip.
So gibt es den Staat, in dem es Herren und Leibeigene gibt. Deren
Verhältnisse zu- und untereinander sind durch Eigentumsgesetze
geregelt, und beide haben Eigentum. Was es aber heißt, Eigentum,
Besitz zu haben, darf in diesem Staat nicht auf einen allgemeinen
Begriff gebracht werden, das würde zum Widerspruch mit der
Realität führen und der Staat bräche auseinander. Die Herrschaft
dieses besonderen Prinzips erzeugt eine erste Stufe von
Notwendigkeit, in der alle Institutionen und Denkweisen in einem
Staat miteinander verknüpft sind.
Wenn nun das geistige Prinzip, auf dem ein solcher Staat beruht,
sich geäußert hat, wenn es Kultur, Religion, Wissenschaft usf.
geworden ist, so ist seine innere Notwendigkeit erfüllt, es gibt
Neues, Aufhebung nur noch in der Überwindung dieses besonderen
Staats. Das ist der Fall gewesen beim Feudalstaat ebenso wie bei
demjenigen Athens, jedesmal tötet der Geist seine besondere
Gestalt, indem er sich verwirklicht.
Der besondere Volksgeist ist der Vergänglichkeit unterworfen,
geht unter, verliert seine Bedeutung für die Weltgeschichte,
hört auf, der Träger des höchsten Begriffs zu sein, den der
Geist von sich gefaßt hat. Denn jedesmal das Volk ist an der
Zeit und das regierende, das den höchsten Begriff des Geistes
gefaßt hat. Es kann sein, dass Völker von nicht so hohen
Begriffen bleiben; aber sie sind in der Weltgeschichte auf die
Seite gesetzt. Weil aber das Volk ein Allgemeines, Gattung ist,
so tritt eine weitere Bestimmung ein. Der Volksgeist ist als
Gattung für sich existierend; hierin liegt die Möglichkeit, dass
in diesem Existierenden das Allgemeine, das in ihm ist, als das
Entgegengesetzte erscheint. Das Negative seiner kommt in ihm zur
Erscheinung; das Denken erhebt sich über das unmittelbare
Wirken. Und so erscheint sein natürlicher Tod auch als Tötung
seiner selbst. Wir beobachten so einesteils den Untergang, den
sich der Volksgeist selbst bereitet. ... Das Weitere aber nach
dem Momente der Vergänglichkeit ist, dass allerdings nachher auf
den Tod Leben folgt.(Meiner, Bd. I, 69f.)
Die bestimmte Gestalt des Geistes geht nicht bloß in der Zeit
vorüber, sondern wird in der selbstwirkenden, selbstbewußten
Tätigkeit des Selbstbewußtseins aufgehoben. Weil dies Aufheben
Tätigkeit des Gedankens ist, ist es zugleich Erhalten und
Verklären. (Meiner, Bd. I, 70 f.)
Mit dem Sachverhalt, dass das jeweils alte, zur Gewohnheit
gewordene Prinzip sich selbst umbringt - als Geist zu existieren
heißt tätigsein - stellt Hegel somit eine zweite Form von
Notwendigkeit vor: die des zwangsläufigen Übergangs: jede Gestalt
vernichtet sich, hebt sich auf.
Der notwendige Gesamtverlauf
Was bisher gesagt wurde - die innere Stimmigkeit oder
Notwendigkeit menschlicher "Staaten", ihr zwangsläufiges
Untergehen und Aufgehen in einem anderen "Staat" - ließe noch den
Gedanken zu, dass es sich eben um ein Drama verschiedenster
Prinzipien, Staatsformen, Lebensäußerungen handelt, die
nebeneinander, hintereinander existieren können, ohne dass hinter
dem Ganzen noch ein Gesetz oder ein Sinn stünde.
Hegel sieht hier jedoch eine dritte, die allgemeinste Stufe der
Notwendigkeit gegeben. Da es sich in jedem Fall in der Geschichte
um die Verwirklichung von Zwecken eines "Geistes" handelt, sind
die Bedeutungen dieses Wortes kurz zu verdeutlichen.
In welcher Form werde ich mir dessen bewußt, dass es etwas
Geistiges gibt? Zunächst erlebe ich mein eigenes Wahrnehmen der
Welt, meine eigenen Urteile über Dinge, meine eigene
Geistestätigkeit, als individuellen oder, wie Hegel sagt,
"subjektiven" Geist.Sodann aber bemerke ich, dass dieser mein
subjektiver Geist in allen seinen Tätigkeitsformen auf
Voraussetzungen beruht, die er nicht selbst schafft. Wenn ich das
hier schreibe, so verwende ich nicht nur ein Gerät, das ich nicht
erfunden habe und auch nicht machen könnte, ich verwende ein
Zeichensystem von geringem Umfang, das Alphabet, und eine Sprache,
die mir mit vielen anderen Menschen gemeinsam zur Verfügung steht.
Ich befinde mich also in einem "objektiven" geistigen Zustand; was
sich da äußert, nennt Hegel auch den "Volksgeist" oder den
"objektiven Geist". Diese Volksgeister sind verschieden in den
verschiedenen Zeiten und Regionen der Menschheitsgeschichte, und
bis zu diesem Punkt sind wir vorhin gelangt.
Es gehen die Veränderungen des objektiven Geistes aber nicht ins
Endlose fort:
Der Tod eines Volksgeistes ist Übergang ins Leben, und zwar
nicht so, wie in der Natur, wo der Tod des einen ein anderes
Gleiches ins Dasein ruft. Sondern der Weltgeist schreitet aus
niedern Bestimmungen zu höheren Prinzipien, Begriffen seiner
selbst, zu entwickelteren Darstellungen seiner Idee vor. Es wäre
hier also um den Endzweck zu tun, den die Menschheit hat, den
der Geist in der Welt sich vorsetzt zu erreichen, den er
unendlich, mit absoluter Gewalt getrieben ist, sich zu
verwirklichen. (Meiner, Bd. I, S. 73
Vielmehr gibt es eine dritte Stufe der Notwendigkeit in den
geschichtlichen Veränderungen: wenn ein bestimmter "Volksgeist"
abstirbt, dann geht, in einigen exemplarischen Fällen, die
Weltgeschichte oder der "Weltgeist" über in einen ganz neuen
"Staat", in dem die alten Widersprüche aufgehoben sind - und
dieser Prozeß hat ein Ziel, einen Endzweck. Um diesen Endzweck zu
erkennen, was Hegel ja beansprucht, muß der Prozeß im wesentlichen
bereits vollständig abgelaufen sein. Unterwegs zu diesem Ziel
wußte niemand, kein Mensch und kein Gott, worauf alles
hinauslaufen würde; aber im wesentlichen handelten die
entscheidenden Individuen richtig. Wenn in der Geschichte
insgesamt der "Weltgeist" sich verwirklicht, so geschieht doch
alles, was geschieht, durch Individuen. Sie sind die "Mittel der
Verwirklichung" des Zwecks der Geschichte.
Die (welthistorischen) Individuen
Individuen aber verfolgen ihre individuellen Ziele. Wie kommt es,
dass sie am Ende eine gesetzmäßige, sinnvolle Weltgeschichte
herausbringen sollen?
Hegel antwortet auf diese Frage mit seiner These von der "List der
Vernunft", die bewirke, dass die "welthistorischen Individuen" und
die "welthistorischen Völker" richtig im Sinne des Weltgeistes
handeln. Eines dieser "welthistorischen Individuen" ist Julius
Cäsar: unter besten Voraussetzungen, genial, ehrgeizig,
machtbewußt tritt er an, seine Vorteile auszunutzen - und
verändert den römischen Staat von Grund auf. Nachdem er das
erreicht hat, ist er für die Zwecke der Weltgeschichte nutzlos
geworden, wird beseitigt. Die "welthistorischen Individuen"
erreichen nicht ihre eigenen individuellen Ziele - zumindest ist
es nicht wichtig, ob sie das tun, wie Hegel ja überhaupt die
Weltgeschichte "nicht ein Ort des Glücks" nennt -, sie befördern
fremde Ziele, die aber doch auch ihre eigenen sind.
Das Besondere hat sein eigenes Interesse in der Weltgeschichte;
es ist etwas Endliches und muß als solches untergehen. Es ist
das Besondere, das sich aneinander abkämpft, und wovon ein Teil
zugrunde gerichtet wird. Aber eben im Kampf, im Untergange des
Besonderen resultiert das Allgemeine. Diese wird nicht gestört.
Nicht die allgemeine Idee ist es, welche sich in Gegensatz und
Kampf, welche sich in Gefahr begibt; sie hält sich unangegriffen
und unbeschädigt im Hintergrund und schickt das Besondere der
Leidenschaft in den Kampf, sich abzureiben. Man kann es die List
der Vernunft nennen, dass sie die Leidenschaften für sich wirken
läßt, wobei das, durch was sie sich in Existenz setzt, einbüßt
und Schaden leidet. (Meiner, Bd. I, S. 105)
Andere Beispiele für solche weltgeschichtliche Individuen sind
(nach Hegel) Sokrates und Napoleon. (vlg. Meiner, 78)
Sie alle sind "Geschäftsführer des Weltgeistes", der sie in
wesentlichen Belangen überlistet und dadurch sich selbst
verwirklicht. Hegel verwahrt sich in diesem Zusammenhang dagegen,
er verstoße mit seiner Geschichtstheorie gegen das ethische
Prinzip, das Kant damit formuliert hatte, ein Mensch könne niemals
als bloßes Mittel zu einem Zweck gebraucht werden.
Die Rechtfertigung Hegels in diesem Punkt ist von Interesse, weil
sie in politischen - und auch kolonialpolitischen - Debatten in
dieser oder ähnlicher Form immer wieder aufgetaucht ist. Er habe
zwar davon gesprochen, dass Menschen "Mittel" seien, aber sie
seien Mittel des "Geistes" und nicht etwa anderer Menschen. Die
tätige Selbstverwirklichung des Geistes ist jedoch der höchste
Wert schlechthin. Daher und insofern ist er damit einverstanden,
"Individuen unter der Kategorie der Mittel zu betrachten."
... in Gestalt des Naturwesen, des Naturwillens auftretend, ist
das, was die subjektive Seite genannt worden, das Bedürfnis, der
Trieb, die Leidenschaft, das partikuläre Interesse, wie die
Meinung und subjektive Vorstellung sogleich für sich selbst
vorhanden. Diese unermeßliche Masse von Wollen, Interessen und
Tätigkeiten sind die Werkzeuge und Mittel des Weltgeistes,
seinen Zweck zu vollbringen ... Daß aber jene Lebendigkeiten der
Individuen und der Völker, indem sie das Ihrige suchen und
befriedigen, zugleich die Mittel und die Werkzeuge eines Höhern,
Weitern sind, von dem sie nichts wissen, das sie bewußtlos
vollbringen, dies ist es, was zur Frage gemacht werden könnte,
auch gemacht worden, und was ebenso vielfältig geleugnet worden,
als Träumerei, als Philosophie verschrieen und verachtet worden
ist. Darüber aber habe ich gleich von Anfang erklärt und unsre
Voraussetzung oder Glaube ... ausgesprochen, dass die Vernunft
die Welt regiert und so auch die Weltgeschichte regiert hat und
regiert. (Meiner, Bd. I, S. 87)
Stadien der Weltgeschichte
In welchen Stadien verläuft die "Weltgeschichte", entwickelt sich
der "Weltgeist"? Zu dieser Frage sind zwei Bemerkungen notwendig:
Erstens will Hegel zunächst die physisch-geographischen
Voraussetzungen für geschichtliche Entwicklungen überhaupt klären
und unterscheidet drei geographische Grundtypen:
a) das unbildsame Hochland ohne Staat (wie seiner Meinung nach
Innerafrika gestaltet ist, wo es nicht zur Entwicklung eines
"Staats" kommen kann);
b) Talebenen, in denen sich die ersten Staaten der Ackerbauern
gebildet haben: in China, Indien, Babylon, Ägypten
c) Küsten: sie treiben hinaus, befördern Kommunikation. Ein
ideales Forum für den Weltgeist geben die Küsten und gegliederten
Hinterländer um das Mittelmeer ab.
Verwirklichung der Freiheit
Die zweite Bemerkung bezieht sich darauf, dass es für Hegel
exemplarische Staatsformen gibt, die dann auch die wesentlichen
Entwicklungsstadien der Menschheitsgeschichte kennzeichnen:
a) Die Despotie ist patriarchalisch, ein Individuum darin ist
frei;
b) in der Demokratie (der Antike) sind einige, aber nicht alle
frei;
c) ebenso in der Aristokratie mit dem Unterschied, dass sie sich
einem Gesetz unterwerfen, worüber sie nicht bestimmen; und
d) die Monarchie, in der alle Staatsbürger frei am allgemeinen
Willen mitwirken. Das ist die höchste, zuletzt erreichte und nicht
mehr überbietbare Staatsform.
Die Weltgeschichte geht von Osten nach Westen, denn Europa ist
schlechthin das Ende der Weltgeschichte, Asien der Anfang. Für
die Weltgeschichte ist ein Osten kat exochen vorhanden, da der
Osten für sich etwas ganz Relatives ist; denn obgleich die Erde
eine Kugel bildet, so macht die Geschichte doch keinen Kreis um
sie herum, sondern sie hat vielmehr einen bestimmten Osten, und
das ist Asien. Hier geht die äußerliche physische Sonne auf, und
im Westen geht sie unter: dafür steigt aber hier die innere
Sonne des Selbstbewußtseins auf, die einen höheren Glanz
verbreitet. Die Weltgeschichte ist die Zucht von der
Unbändigkeit des natürlichen Willens zum Allgemeinen und zur
subjektiven Freiheit.Der Orient wußte und weiß nur, dass einer
frei ist, die griechische und römische Welt, dass einige frei
seien, die germanische Welt weiß, dass alle frei sind. Die erste
Form, die wir daher in der Weltgeschichte sehen, ist der
Despotismus, die zweite ist die Demokratie und Aristokratie, und
die dritte die Monarchie. (G W.F. Hegel, Vorlesungen über
die Philosophie der Geschichte, Hg. Th. Litt, Stuttgart: Reclam
1961, S. 168-169)
Die vier Grundtypen von Staatsformen charakterisieren zugleich
die vier Hauptstufen des Geistes in der Geschichte:
a) der "orientalische" Staat repräsentiert den Staat als "harten
Zweck", der dem Individuum unvermittelt gegenübersteht. Er ist
jedoch bereits "Staat", es gibt darin bereits eine
institutionalisierte Form des Selbstbewußtseins, den Despoten. Es
ist im orientalischen Staat möglich, was in den afrikanischen
Gesellschaften nicht möglich ist, dass das Prinzip des Staates
bewußt und damit aufgehoben wird.
Dieser Welt liegt das unmittelbare Bewußtsein, die
substantielle Geistigkeit zugrunde, zu welcher sich der
subjektive Wille zunächst als Glaube, Zutrauen, Gehorsam
verhält. (ebd.,S.170)
Hegel bespricht hier insbesondere China, Indien, Persien.
b) Die zweite Stufe der Staatsformen stellt die griechische
Demokratie dar, in der das Selbstbewußtsein insofern wesentlich
weiterentwickelt ist, als hier viele, jedoch nicht alle frei und
selbstbestimmt sind. Aber dieses Prinzip der Selbstbestimmung darf
nicht als allgemein gedacht werden, ohne den Staat aufzulösen;
dies zeigt der Prozeß gegen Sokrates, wie Hegel ihn interpretiert.
Allerdings zeigt sich hierin auch, dass im hegelschen
Geschichtssystem keine überhistorischen Prinzipien gelten können:
der athenische Gerichtshof verurteilt den Sokrates zu Recht zum
Tode, aus dem Recht der Selbsterhaltung. Sokrates wiederum hat
recht gegenüber dem athenischen Staat, sofern er das kommende
Prinzip der allgemeinmenschlichen Freiheit repräsentiert.
Dem Jünglingsalter ist dann die griechische Welt zu
vergleichen, denn hier sind es Individualitäten, die sich
bilden. ... Das Sittliche ist wie in Asien Prinzip, aber es ist
die Sittlichkeit, welche der Individualität eingeprägt ist und
somit das freie Wollen der Individuen bedeutet. (ebd.,S.172)
c) Der römische Staat stellt die dritte Stufe dar: auch hier
sind, wie im griechischen, viele frei, aber nicht alle; doch
stehen die Freien in diesem Staat unter dem Gesetz.
... die saure Arbeit des Mannesalters der Geschichte. Denn das
Mannesalter bewegt sich weder in der Willkür des Herrn, noch in
der eignen schönen Willkür, sondern dient dem allgemeinen Zweck,
worin das Individuum untergeht und seinen eignen Zweck nur in
dem allgemeinen erreicht. ... Das Römische Reich ist nicht mehr
das Reich der Individuen, wie es die Stadt Athen war. Hier ist
keine Froheit und Freudigkeit mehr, sondern harte und saure
Arbeit. (ebd.,S.173)
d) Erst der christlich-germanische Staat bringt das Bewußtsein
von der Selbstbestimmung als Mensch im Lauf der Zeit - endgültig
erst mit der französischen Revolution von 1789 - zur Geltung.
Dieses Prinzip äußert sich zuerst rein geistig (der Mensch hat in
seinem Verhältnis zu Gott am Absoluten grundsätzlich teil). Der
Mensch als solcher, nicht aufgrund einer besonderen Qualifikation
- als Stammesangehöriger, Staatsbürger etc. - ist frei, mit allen
gleichberechtigt, ist Abbild Gottes. Verwirklicht als Staat wird
dieses Prinzip aber erst, wenn die entsprechenden Institutionen
geschaffen werden, was allerdings zwangsläufig (in Europa) der
Fall war. Es bleibt, nachdem der Weltgeist einmal diese endgültige
Stufe erreicht und seine Entwicklung grundsätzlich abgeschlossen
hat, die Aufgabe, das auch durchgehend zu verwirklichen - und
zuletzt, den Prozeß zu erkennen.
... tritt dann das Germanische Reich, das vierte Moment der
Weltgeschichte ein; dieses entspräche nun ... dem Greisenalter.
Das natürliche Greisenalter ist Schwäche, das Greisenalter des
Geistes aber ist seine vollkommene Reife, in welcher er
zurückgeht zur Einheit, aber als Geist. (ebd.,S.174f.)
Die Erkenntnis des Wesentlichen am Geschichtsprozeß ist erst am
Ende - mit Hegel - möglich, sie führt nicht nochmals zu einer
neuen Stufe, ist bloß Nachvollzug der Wirklichkeit im Denken.
Damit ist die Entwicklung der Menschheit in allen ihren
Äußerungsformen - in Staat, Religion, Kunst - grundsätzlich
abgeschlossen und das Ende der (unbewußten oder nur teilweise
bewußten) Vorgeschichte erreicht. Auf diesem Stadium erst ist es
möglich, die endgültige Geschichte der Staaten, wie der
Philosophie oder der Religion zu schreiben und allen
vorangegangenen Formen ihren Rang und Ort zuzuweisen. Dann aber
zeigen sich die vergangenen Gestalten in ihrer Teilwahrheit, in
ihrer Einseitigkeit und doch auch so, dass sie immer schon den
Zweck des Ganzen befördert haben, ohne das zu wissen.
Anhang: Völker oder Regionen ohne Geschichte
Keineswegs alle Völker der Erde sind in Hegels Verständnis am
Prozess der Weltgeschichte beteiligt. Am deutlichsten fällt sein
ausschließendes Urteil in den Fällen von Afrika und Amerika aus.
Der Ausschluß Afrikas
In seinen Aussagen über die "Neger" und über "Afrika" ist Hegel
noch deutlicher, als Kant es war. [Anm. 3] Er
kann sich auf eine Reihe von Berichten über Afrika stützen, wenn
er ausführt:
Der Neger stellt... den natürlichen Menschen in seiner ganzen
Wildheit und Unbändigkeit dar: von aller Ehrfurcht und
Sittlichkeit, von dem, was Gefühl heißt, muß man abstrahieren,
wenn man ihn richtig auffassen will; es ist nichts an das
Menschliche Anklingende in diesem Charakter zu finden.
(...) Gott donnert und wird nicht erkannt: für den Geist
des Menschen muß Gott mehr als ein Donnerer sein, bei den Negern
aber ist dies nicht der Fall.
(...) Die Neger werden von den Europäern in die Sklaverei
geführt und nach Amerika hin verkauft.
Trotzdem ist ihr Los im eignen Lande fast noch schlimmer,
wo ebenso absolute Sklaverei vorhanden ist; denn es ist die
Grundlage der Sklaverei überhaupt, dass der Mensch das
Bewußtsein seiner Freiheit noch nicht hat und somit zu einer
Sache, zu einem Wertlosen herabsinkt. Bei den Negern sind aber
die sittlichen Empfindungen vollkommen schwach, oder besser
gesagt, gar nicht vorhanden.
Diese grundlegende Unentwickeltheit des "Negers" sei aber nicht
bloß auf einen Kulturabstand zurückzuführen, sondern:
Dieser Zustand ist keiner Enwicklung und Bildung fahig, und wie
wir sie heute sehen, so sind sie immer gewesen. Der einzige
wesentliche Zusammenhang, den die Neger mit den Europäern gehabt
haben und noch haben, ist der der Sklaverei. (Hegel,
Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Hg. Th. Litt, S.
162)
So geht Hegel weiter auf die Geschichte Afrikas nicht ein, sie
gehört für ihn nicht zur Weltgeschichte. Er schildert die
Geographie Afrikas in großen Zügen und stellt dann fest:
Wir verlassen hiemit Afrika, um späterhin seiner keine
Erwähnung mehr zu tun. Denn es ist kein geschichtlicher
Weltteil, er hat keine Bewegung und Entwicklung aufzuweisen, und
was etwa in ihm, das heißt, in seinem Norden geschehen ist,
gehört der asiatischen und europäischen Welt zu (ebd., S.
163) [Anm. 4]
Es bestand zu Hegels Zeit und lange danach keine Gefahr, dass dem
ein "Neger" widersprechen könnte. Daraus ist eine wirklich
bemerkenswerte Fähigkeit der meisten europäischen Hegel-Leser
geworden, diese Auslassungen vornehm zu übergehen. Afrikanische
Philosophen wie Dieng und Towa nennen Hegel dafür den größten
Ideologen des Kolonialimperialismus weil es ihm so trefflich
gelungen sei, die Objekte der Kolonialpolitik als jeder höheren
Wissenschaft unfähig darzustellen. Der hohe Grad, in dem das
gegenwärtige philosophische Leben in den ehemaligen Kolonien
Afrikas (und Asiens) bis heute auch den Fachgelehrten in den
Industrieländern verborgen geblieben ist, spricht dafür, dass
Hegels Sichtweise äußerst erfolgreich war. [Anm. 5]
Zu Aussagen Hegels über Amerika, insbesondere Südamerika:
vgl. Das
Lateinamerikabild deutscher Philosophen
Anm. 1: "Die Vorlesungen über die Philosophie der
Weltgeschichte sind die einzige Arbeit Hegels, die es zu einer Art
von Popularität gebracht hat." (G. Lasson, Vorwort zur ersten
Auflage der "Philosophie der Weltgeschichte", 1917, zit. in
Vorwort zur 2.Auflage 1920, abgedr. in 3. Aufl. 1930, unveränd.
Nachdruck 1944, sämtliche: Leipzig, Meiner)
Anm. 2: Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Die
Vernunft in der Geschichte. Hg. von Johannes Hoffmeister, Hamburg:
Meiner, Bd. I, S. 72; im folgenden zitiert als Meiner, Bd. I)
Anm. 3: Tatsächlich hat die deutschsprachige
Literatur über Afrika in den ersten Jahrzehnten des 19.
Jahrhunderts stark zugenommen. Wenn wir die Beschreibungen von
Nordafrika und den Inseln, sowie die geographischen Karten und
verschiedenen Auflagen desselben Werkes ausklammern, so
verzeichnet Johann Samuel Ersch, Literatur der Geschichte und
deren Hülfswissenschaften seit der Mitte des achtzehnten
Jahrhunderts bis auf die neueste Zeit (Leipzig: Brockhaus, 1827,
Sp.158f., 999-1002, 1039-1055) für den Zeitraum von 1750 bis 1790
(in etwa Kants Lesezeit) 26 Werke im deutschen Buchhandel. Bis
1827 hingegen kamen noch 55 Werke dazu, die teilweise sehr
spezifisch waren. #G W.F. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie
der Geschichte, Hg. Th. Litt, Stuttgart: Reclam 1961, S. 155-58
Anm. 4: Kurt Breysig, der Hegels Geschichtsdeutung
ansonsten sehr kritisch gegenübersteht, unterscheidet in seinem
dreibändigen Werk Vom geschichtlichen Werden die "Urzeitvölker,
Altertumsvölker, Völker der Mittelalterstrecke, alt- und
neueuropäische Völker" und weist die "unreifste Form des
Altertumszustandes und also den hintersten Platz in der Heersäule
der Altertumsvölker... den Negern der Bantu- und der Sudangruppe
zu", während es auch schwarzafrikanische Völker gebe, die "bis an
die Altertumsstaaten von höchstem Geschichtsrang, insbesondere an
das wie sie afrikanische Ägypten heranreichen". (Kurt Breysig: Vom
geschichtlichen Werden. Bd.3: Der Weg der Menschheit. Stuttgart:
Cotta, 1928, S.260)
Anm. 5: Amady Ali Dieng, Hegel, Marx, Engels et
les Problèmes de l'Afrique Noire, Sankoré o.J., S.47: "Hégel
affirme qu'il n'y a ni liberté, ni pensée chez les peuples non
européens. La philosophie, la pure pensée et la liberté, ne se
retrouve qu'en Occident, seul continent historique. C'est au nom
de ce principe que Hégel justifie la domination de I'Europe sur
les autres parties du monde. En ce sens, il est le plus grand
idéologue de I'impérialisme colonial." Und Dieng führt hier auch
Marcien Towa an, der über Hegels "véritable idéologie de
'impérialisme occidental" schreibt: "Le refus de la philosophie
aux peuples coloniaux en demeure l'expression la plus élaborée et
la plus constante." (Marcien Towa, Essai sur le problèmatique
philosphique dans l'Afrique actuelle, Yaoundé: Clé, 1971, S.22)
PRÜFUNGSRELEVANT zu Hegel:
Hegels "Einleitung" zu seinen Vorlesungen zur Philosophie der
Weltgeschichte (in einer der Ausgaben, z.B.:)
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Philosophie
der Geschichte. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1992. S. 11-105.
Sekundär:
Jörg Baberowski: Der Sinn der Geschichte. Geschichtstheorien von
Hegel bis Foucault. München: C.H. Beck, 2005.
Susan Buck-Morss: Hegel und Haiti. Für eine Universalgeschichte.
Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2011. (Erstdruck: 2009 engl. Pittsburgh UP
)
Haskell Fain: Between Philosophy and History. The Resurrection of
Speculative Philosophy of History Within the Analytic Tradition.
Princeton: Princeton Univ. Press, 1970.
Thomas Göller und Achim Mittag: Geschichtsdenken in Europa und
China. Sankt Augustin: Academia Verlag, 2008.
Karl Raimund Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, 2
Bde. München: Francke, 1980.
Herbert Schnaedelbach: Geschichtsphilosophie nach Hegel. Die
Probleme des Historismus. Freiburg i.Br.: Alber, 1974.
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