Wimmer: Seminar WS 2001/02
Menschenrechte im Kulturvergleich. Materialien



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ZITIERREGELN FÜR SEMINARARBEITEN
 

THEMEN:
a) Geschichte der Menschenrechtsideen, europäisch.
b) Geschichte der Menschenrechtsideen, außereuropäisch.
c) Gegenwartsprobleme: Individualrechte
d) Gegenwartsprobleme: Minderheiten- und kulturelle Rechte
e) Probleme der Universalisierbarkeit
Eine vorläufige Auswahlbibliographie finden Sie hier. Diese wird im Lauf des Semesters durch Recherchen der Studierenden ergänzt und korrigiert.

TEXT zur Einführung

ÜBUNG 1:
Schreiben Sie einen kurzen Kommentar zu jeweils drei der folgenden Exzerpte. Der Kommentar soll enthalten:
- Nennung von begrifflichen Voraussetzungen und Thesen
- Formulierung eines Arguments aus dem Text
- Formulierung eines Gegenarguments

Bielefeldt, Heiner: Muslim Voices in the Human Rights Debate. In: Human Rights Quarterly. Vol. 17, No. 4, 1995, S. 587-617
616: (Nicht-Muslime) should not directly engage in the internal Islamic discourse about human rights. What can be done, however, is a self-critical analysis of one's own culture in order to overcome the various forms of ideological appropriation of human rights. As people from the West, we have to detach ourselves from the idea that these rights are simply individualistic claims that are detrimental to communitarian solidarity, we should refrain from building human rights into an ideology of general progress modeled on the patterns of Western civilization, and we should not confuse human rights monitoring with demands for the introduction of a Western-style market economy.

Ecclesia Catholica: Katechismus der Katholischen Kirche. München u.a.: Oldenbourg u.a. 1993.
1930 (S. 501): Zur Achtung der menschlichen Person gehört auch die Achtung der Rechte, die sich aus ihrer Würde als Geschöpf ergeben. Diese Rechte leiten sich nicht von der Gesellschaft ab und sind von ihr anzuerkennen. Sie bilden die Grundlage für die sittliche Berechtigung jeder Autorität. …
2108 (S. 543): Das Recht auf Religionsfreiheit bedeutet weder die moralische Erlaubnis, einem Irrtum anzuhängen, noch ein angebliches Recht auf Irrtum, sondern es ist ein natürliches Recht des Menschen auf die bürgerliche Freiheit, das heißt darauf, daß im religiösen Bereich - innerhalb der gebührenden Grenzen - von der politischen Gewalt kein äußerer Zwang ausgeübt wird. Dieses natürliche Recht ist in der Rechtsordnung der Gesellschaft anzuerkennen, so daß es zum staatlichen Recht wird.
2109 (S. 543): Das Recht auf Religionsfreiheit darf an sich weder unbeschränkt noch bloß durch eine positivistisch oder naturalistisch verstandene "öffentliche Ordnung" beschränkt sein. Die diesem Recht innewohnenden "gerechten Grenzen" sind für jede Gesellschaftssituation den Forderungen des Gemeinwohls entsprechend durch die politische Klugheit zu bestimmen und durch die staatliche Autorität "nach rechtlichen Normen, die der objektiven sittlichen Ordnung entsprechen", zu bestätigen.

EIAS Task Force (Hg.): Understanding Asian Values. Brussels: European Institute For Asian Studies 1996
53: There are moves in Asia to add to, if not rewrite, the 48-year-old Universal Declaration of Human Rights. During preparations for the 14-25 June 1993 Vienna conference, an attempt was made to draw up an alternative definition of democracy, incorporating Asian values. The Bangkok Declaration strongly insisted on non-interference in internal affairs and on objectives such as economic development. In a key passage the declaration stated that while human rights are universal, 'they must be considered in the context of a dynamic and evolving process of international norm-setting, bearing in mind the significance of national and regional peculiarities and various historical, cultural and religious backgrounds.' Prime Minister Datuk Seri Mahatir Mohamad of Malaysia has accused the West of using human rights policy as a tool of dependency. He points to the chaos the struggle for democracy has brought to the former Communist states of Eastern Europe, forcing them, as he puts it, to beg for aid from the West. Asian leaders often argue that cultural and political differences entitle Asia to take up distinctive positions on human rights issues.

Hondrich, Karl Otto: Ausblick auf das 21. Jahrhundert: In: Neue Zürcher Zeitung. (Literatur und Kunst) S. 49-50. Zürich (2001 20/21 01).
50: Die Weltreligionen, auch wenn sie in ihren Lehren versöhnlich sind, spalten die Welt doch eher, als dass sie sie einen.
Es bleibt die Zivilreligion der Menschenrechte, an die sich die Hoffnungen der westlichen Welt auf eine einheitliche Weltmoral richten. Allerdings können sie ihre Herkunft aus eben diesem christlichen Westen und seinen Überlegenheitsansprüchen nicht verhehlen. Sie orientieren sich an den Rechten des Individuums und nicht an den Regeln des kollektiven Lebens, die ungleich reichhaltiger, komplexer und widersprüchlicher sind. Eine Weltgesellschaft, die einen weitgreifenden Konsens für die Definition und Lösung von Problemen sucht, muss deshalb zurück zu den moralischen Wurzeln des Zusammenlebens, die allen Kulturen gemein sind: den ... Gesetzen der Reziprozität, Präferenz, Identität, des Tabus und der wechselseitigen Bestimmung von Zukunft und Herkunft.

Musawi Lari, Sayid Mujtaba: Westliche Zivilisation und Islam. Muslimische Kritik und Selbstkritik. Qom: Sayyed Mojtaba Musavi Lari Foundation of Islamic C.P.W. o.J.
151: Ein Gesetz, das einen Mann des Rechtes beraubt, seinen angeborenen Vaterwunsch zu erfüllen, verletzt seine Menschenrechte; und ein Gesetz, welches Frauen zwingt, einsam und ohne Kinder zu leben, verletzt ihr Menschenrecht und untergräbt die Institutionen der Gesellschaft.

Nowak, Manfred: Menschenrechte in der Neuen Weltordnung. In: Südwind. Das entwicklungspolitische Magazin Österreichs. 1993. Nr. 6
24: eine nicht unbeträchtliche Zahl von Staaten, vor allem in Asien und im islamischen Kulturkreis ... die Universalität der Menschenrechte in Frage stellen und Forderungen nach verstärkten internationalen Schutzmechanismen als eine neue Form des menschenrechtlichen Kolonialismus ablehnen. ...diese Kritik ist nicht unberechtigt, und die Industriestaaten sollten sich davor hüten, einseitige individualistische Menschenrechts- und Demokratiekonzepte durch interventionistische Maßnahmen weltweit durchsetzen zu wollen. Auf der anderen Seite kann nicht geleugnet werden, daß gerade jene Regierungen, die anläßlich der Vorbereitung der Wiener Konferenz den Universalitätsanspruch der Menschenrechte besonders vehement kritisieren, nicht auf demokratische Weise an die Macht kamen, für systematische Menschenrechtsverletzungen an der eigenen Bevölkerung verantwortlich sind und folglich nicht besonders legimiert erscheinen, im Namen ihrer jeweiligen Völker zu sprechen.
... Es darf aber auch nicht übersehen werden, daß jene reichen Industrieländer, die im Rahmen der Vereinten Nationen andere Staaten wegen ihrer Menschenrechtsverletzungen kritisieren und die Einstellung der Entwicklungszusammenarbeit als Sanktionsmittel verwenden, aufgrund ihrer die Ressourcen des Südens ausbeutenden Wirtschaftspolitik für die Armut des Südens und damit zusammenhängende weitere Menschenrechtsverletzungen mitverantwortlich sind.

Nuscheler, Franz und Yoshikazu Sakamoto: From National Interests to Global Responsibility. In: Gettkant, Andreas (Red.): Development, cultural diversity and peace: visions for a new world order. Bonn: Stiftung Entwicklung und Frieden 1996, S. 53-58.
56: ((Sakamoto:)) The 'Asian values' espoused by Lee Kuan-yew and Mahathir bin Mohammed are not really 'Asian', because these values are not shared by all peoples in 'Asia'. … The defense of 'Asia' - a concept that is unclear even to the 'Asians' themselves - is intended to thwart the further democratization of their respective regimes, equating the claim for universal democracy and human rights with 'the West'. Sooner or later, the particularist nature of this ideology, in terms of time and space, will be disclosed.

Paine, Thomas: The Rights of Man (1792)
(Zitiert aus der Internet-Edition:) Man did not enter into society to become worse than he was before, nor to have fewer rights than he had before, but to have those rights better secured. His natural rights are the foundation of all his civil rights. But in order to pursue this distinction with more precision, it will be necessary to mark the different qualities of natural and civil rights. A few words will explain this. Natural rights are those which appertain to man in right of his existence. Of this kind are all the intellectual rights, or rights of the mind, and also all those rights of acting as an individual for his own comfort and happiness, which are not injurious to the natural rights of others. Civil rights are those which appertain to man in right of his being a member of society. Every civil right has for its foundation some natural right pre-existing in the individual, but to the enjoyment of which his individual power is not, in all cases, sufficiently competent. Of this kind are all those which relate to security and protection. From this short review it will be easy to distinguish between that class of natural rights which man retains after entering into society and those which he throws into the common stock as a member of society. The natural rights which he retains are all those in which the Power to execute is as perfect in the individual as the right itself. Among this class, as is before mentioned, are all the intellectual rights, or rights of the mind; consequently religion is one of those rights. The natural rights which are not retained, are all those in which, though the right is perfect in the individual, the power to execute them is defective. They answer not his purpose. A man, by natural right, has a right to judge in his own cause; and so far as the right of the mind is concerned, he never surrenders it. But what availeth it him to judge, if he has not power to redress? He therefore deposits this right in the common stock of society, and takes the ann of society, of which he is a part, in preference and in addition to his own. Society grants him nothing. Every man is a proprietor in society, and draws on the capital as a matter of right. From these premisses two or three certain conclusions will follow: First, That every civil right grows out of a natural right; or, in other words, is a natural right exchanged. Secondly, That civil power properly considered as such is made up of the aggregate of that class of the natural rights of man, which becomes defective in the individual in point of power, and answers not his purpose, but when collected to a focus becomes competent to the Purpose of every one. Thirdly, That the power produced from the aggregate of natural rights, imperfect in power in the individual, cannot be applied to invade the natural rights which are retained in the individual, and in which the power to execute is as perfect as the right itself. We have now, in a few words, traced man from a natural individual to a member of society, and shown, or endeavoured to show, the quality of the natural rights retained, and of those which are exchanged for civil rights. Let us now apply these principles to governments. In casting our eyes over the world, it is extremely easy to distinguish the governments which have arisen out of society, or out of the social compact, from those which have not; but to place this in a clearer light than what a single glance may afford, it will be proper to take a review of the several sources from which governments have arisen and on which they have been founded. They may be all comprehended under three heads. First, Superstition. Secondly, Power. Thirdly, The common interest of society and the common rights of man. The first was a government of priestcraft, the second of conquerors, and the third of reason.

Redaktion: Islam oder Menschenrechte. In: explizit. Das politische Magazin für ein islamisches Bewußtsein. 1998. Jg. 6, Nr. 21, S. 12-15.
14: Anders als bei der Übernahme materieller Formen, also Dingen, verhält es sich mit Ideen und Konzepten. Ebenso wie jede Handlung muß auch jede Idee im Islam durch einen Beweis in den islamischen Rechtsquellen legitimiert sein. Das Prinzip der Sari'a lautet hier: "Alle Handlungen sind grundsätzlich an das islamische Gesetz zu binden." Die Bezugnahme auf andere Quellen als die des Islam und somit auch auf andere Kulturen, die sich in ihrer Grundlage, Zielsetzung und Vorstellung vom Leben grundsätzlich von der islamischen Kultur unterscheiden, ist unter keinen Umständen erlaubt.... Die Grundlage der westlichen kapitalistischen Kultur ... stellt ganz deutlich fest, daß die Religion keinerlei Einfluß auf das tägliche Leben haben darf. Die Gesetzgebung obliegt somit allein dem menschen ohne irgendeine Bezugnahme auf die göttliche Offenbarung. Das Volk ist somit Ursprung der Macht und der Gesetzgebung, es ist der Souverän. Diese Auffassung widerspricht ebenso wie das damit verbundene Mehrheitsprinzip dem Islam. Aus islamischer Sicht kann es nur einen Gesetzgeber geben, nämlich Allah ... Aufgrund dieser tiefgreifenden Unterschiede zwischen der islamischen und der kapitalistischen Kultur als Ursprung der Menschenrechte ist eine Übernahme und Propagierung derselben aus islamischer Sicht nicht erlaubt.
Es wäre völlig verfehlt, von vermeintlichen Parallelen ausgehend, etwa in Bezug auf die 'Menschenrechte' und das islamische Recht, die sich bei einer genauen Untersuchung des jeweiligen Konzepts als nicht haltbar erweisen, Islam und
15: westliche Menschenrechte als vereinbar oder gar identisch zu bezeichnen und somit nichtislamischen Konzepten Eingang in das Verständnis der Muslime zu ermöglichen. ... Es ist an der Zeit, die Vorstellung der 'Menschenrechte' als das zu erkennen, was sie ist: Eine Heilige Kuh der Moderne, die nicht blind angebetet, sondern hinterfragt werden muß.

Roetz, Heiner: China und die Menschenrechte - ein Fall für den 'Kampf der Kulturen'? (1996, Manuskript)
6: Von interkultureller Verständigung kann freilich nicht die Rede sein, wenn, wie heute auf den einschlägigen politischen Konferenzen üblich, hüben wie drüben den strategisch agierenden Regierungen und zumal den unter Anklage stehenden Regimen die Meinungsführerschaft überlassen wird. Notwendig ist nicht nur die Einbeziehung möglichst vieler Stimmen, notwendig ist auch das "Gespräch" mit den kulturellen Traditionen als Gesamtheit der Überlieferung, die in aller Regel ein viel differenzierteres Bild liefern als aktuelle Stellungnahmen. Hier liegt eine erstrangige Aufgabe der hermeneutischen Kulturwissenschaften.

Soberón, Francisco: Der lange Weg. In: UNESCO Kurier. 1998. Jg. 39, Nr. 10, S. 10-12.
12: Noch ermöglicht der Globalisierungsprozeß nicht jedem den Zugang zu universell anerkannten Werten. Aber so wie er die Kluft zwischen arm und reich vertieft, so schafft er auch das Umfeld für immer wirkungsvollere internationale Mechanismen zum Schutz der Menschenrechte. Eine widersprüchliche Entwicklung, mit der man wohl fortan leben muß, denn das Bewußtsein der Menschen für ihre Rechte ändert sich ebenso wie die Welt, in der sie umgesetzt werden. ... In diesem neuen Kontext sind zwei wesentliche Elemente für die Weiterentwicklung der weltweiten Menschenrechtspolitik ausschlaggebend: das Bemühen um die Ahndung von Verstößen und die Anerkennung der Unteilbarkeit der Menschenrechte. ... Das setzt ... die Einführung einer neuen internationalen Rechtsordnung voraus, denn das Prinzip der Straffreiheit und des Ermessensspielraums bei der Ahndung von Verstößen ist auch auf internationaler Ebene nicht unbekannt. Nicht selten passen die Großmächte die Spielregeln beliebig ihren politischen oder wirtschaftlichen Interessen an: Je nachdem, ob ein Land unter die Kategorie "Feind" oder potentieller "Verbündeter" fällt, werden seine Verbrechen verurteilt oder unter den Teppich gekehrt.
Das Prinzip der Unteilbarkeit setzt in erster Linie voraus, daß man jegliche Rangordnung von Menschenrechten strikt ablehnt und die Wechselbeziehung zwischen den Freiheiten des einzelnen und den für ihre Anwendung erforderlichen Rahmenbedingungen anerkennt. Besorgnis erregt in diesem Zusammenhang vor allem der zunehmende Verlust wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte, von denen die Arbeitnehmer in fast allen Ländern betroffen sind. Millionen Werktätige leiden unter sinkenden Löhnen, beklagenswerten Arbeitsbedingungen, wirtschaftlicher Unsicherheit und dem Abbau von Sozialleistungen. Das führt nicht nur zu gesellschaftlicher Ausgrenzung, sondern schafft auch ein Klima, in dem Menschenrechte wenig zählen und die Entwicklung einer zum Dialog mit dem Staat fähigen Gesellschaft behindert wird. Dies wiederum begünstigt den Individualismus beziehungsweise das Einzelkämpfertum und untergräbt auch den Schutz staatsbürgerlicher Rechte.


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Letzte Änderung am 28.11.01