Franz Martin Wimmer

Sind religiöse Dialoge mögliche Polyloge?



in: Notker Schneider et al. (Hg.): Philosophie aus interkultureller Sicht. Philosophy from an Intercultural Perspective. Amsterdam: Rodopi 1997. S. 317-325

Aus dem Text:

In seiner Dankesrede anläßlich der Verleihung des Aristeion-Literaturpreises der Europäischen Union in Kopenhagen im November 1996 schildert Christoph Ransmayr den Ansatz und das Ende dessen, was unter der Herrschaft Akbars des Großen ein Polylog hätte werden können:

"Akbar ... hatte ... erkannt, daß Dogma und Orthodoxie ein Reich eher sprengen als einigen ...

In Akbars Pavillons durfte jeder Priester oder Prediger einer Lehre den Gott, die Götter, Dogmen, Geister und Heiligen der jeweils anderen Lehre von Zeit und Ewigkeit ungestraft in Zweifel ziehen. ...

Natürlich gab es Streit unter den Vertretern so vieler Wahrheiten und Bekenntnisse, natürlich Haß, offene und verborgene Kämpfe, selbst tödliche Rivalitäten unter den Männern so vieler Götter. War es also ein Wunder, daß Akbar, der Große, schließlich allen zu schweigen befahl, dem Streit ein vorläufiges Ende setzte und ein neues Dogma verkünden ließ. Die letzte Wahrheit sollte von nun an allein bei dem Einem, dem Einzigen liegen, der allen zuhören und keinem ganz glauben sollte, bei Akbar allein."

Muß die Geschichte so enden? Kann zwischen Religionen so etwas wie ein Polylog stattfinden, ein gleichberechtigtes Gespräch, in dem von Anfang an und bis zuletzt jeder Teilnehmer auf einen absoluten Wahrheitsanspruch verzichtet?

Die mir fremden, "anderen Wege zum Heil" können religiös nicht als gleichwertig mit dem von mir geglaubten gedacht werden. Dialoge zwischen Angehörigen verschiedener Religionen sind möglich und sinnvoll, aber sie verfolgen nicht das Ziel eines interkulturell orientierten Philosophierens: zu vernunftgemäß begründeteten Erkenntnissen zu gelangen trotz und mit Hilfe der kulturell bedingten Differenzen.


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