Das Brechungsgesetz oft auf einer eher intuitiven Ebene mit Hilfe einer ebenso intuitiven Version des Huygensschen Prinzips begründet
ist nicht auf Licht beschränkt. Es gilt beispielsweise auch für die Schallausbreitung, und ganz allgemein
lässt es sich für beliebige raumzeitliche Felder herleiten, die die Wellengleichung
$$\Box\,\,\phi(\vec{x},t)\equiv\left({1\over c^2}{\partial^2\over\partial t^2}-\bigtriangleup\right)\phi(\vec{x},t)=0$$
($c=$ Phasengeschwindigkeit, $\bigtriangleup=$ Laplace-Operator) erfüllen. Im Fall des Lichts (d.h. einer elektromagnetischen Welle) in einem (dispersionsfreien) Dielektrikum erfüllen mehrere Größen die Wellengleichung, nämlich
Anmerkung: Tritt im Medium Dispersion auf, d.h. ist $c$ von der Wellenlänge abhängig, so gilt die Wellengleichung nur für Wellen einer festgehaltenen Wellenlänge. Das tut der folgenden Argumentation keinen Abbruch, da wir uns ohnehin nur auf Wellen einer Wellenlänge beschränken.An einer Grenzfläche ändert sich $c$ sprunghaft, und dort findet das Phänomen der Lichtbrechung (oder, wenn es sich um Schall handelt, eine "Brechung der Schallwelle") statt. Zu den Lösungen der Wellengleichung in einem Bereich mit konstantem $c$ zählen die fortschreitenden ebenen monochromatischen Wellen. Ist das Feld $\phi$ reell, so ist allgemeinste Form einer solchen Lösung durch $\phi(\vec{x},t)=A\sin(\vec{k}\cdot\vec{x}-\omega\,t+\varphi)$ gegeben, wobei die Wellengleichung $\omega^2=c^2\vec{k}{}^2$ verlangt. Im obigen Ausdruck ist
Das Szenario Um das Brechungsgesetz herzuleiten, betrachten wir folgende Situation:
Die Bedingung an der Grenzfläche Um die Wellen oberhalb und unterhalb der Grenzfläche miteinander in Beziehung zu setzen, wird je nachdem, welche physikalische Größe $\phi$ darstellt entweder verlangt, dass $\phi$ stetig ist oder dass $\phi$ beim Übergang durch die Grenzfläche einen Sprung um einen vorgegebenen Faktor erfährt, der vom Verhätnis der beiden Phasengeschwindigkeiten abhängt. (Für das Verhalten des elektromagnetischen Feldes an Grenzflächen siehe diese Seite die Details spielen für die hier angestellten Überlegungen aber keine Rolle). Es gilt daher eine Beziehung der Form $$\left.\phi_{\sf ein}\right|_{z=0}+\left.\phi_{\sf refl}\right|_{z=0}=q\,\,\left.\phi_{\sf transm}\right|_{z=0}$$ für alle $x,y$ und $t$ gelten, wobei im stetigen Fall $q=1$ gesetzt wird. In dieser Bedingung tritt die $z$-Koordinate nicht mehr auf, da $$\left.\vec{k}\cdot\vec{x}-\omega\,t\,\right|_{z=0} = k_x x + k_y y-\omega\,t\,{\sf\small,}$$ und Analoges gilt für die Ausdrücke mit einfach und zweifach gestrichenen Konstanten. Um unsere Bedingung bequem auswerten zu können, setzen wir zuerst $x=y=0$. Es muss dann für alle $t$ die Beziehung $$A\sin(\omega\,t)+A'\sin(\omega'\,t+\varphi') = q\,A''\sin(\omega''\,t+\varphi'')$$ gelten. Eine Linearkombination zweier harmonische Schwingungen mit zwei Kreisfrequenzen $\omega$ und $\omega'$ ist nur dann wieder eine harmonische Schwingung, wenn die Kreisfrequenzen übereinstimmen. Analoge Argumentationen führen wir für $y=t=0$ und $x=t=0$ durch und erhalten
Damit ist zwar die Bedingung an der Grenzfläche nicht vollständig ausgeschöpft, aber (1) (3) ist alles, was wir benötigen. Wird Bedingung (1) durch die Wellenzahlvektoren ausgedrückt, so nimmt sie die Form
an. Das Brechungsgesetz Aus (1'), (2) und (3) folgt $k_z{}^2=k'_z{}^2$, und da ja $\vec{k}{}'$ der Wellenzahlvektor der reflektierten Welle ist, gilt klarerweise $$k'_z=-k_z\,{\sf\small.}$$ Damit bleibt von (1) (3) nur mehr die Bedingung $$c_{\sf oben}|\vec{k}| = c_{\sf unten}|\vec{k}{}''|\,{\sf\small,}$$ und diese ist genau das Berechungsgesetz! Der Einfallswinkel $\alpha$ ist durch $\cos\alpha=-k_z/|\vec{k}|$ definiert, der Ausfallswinkel $\beta$ durch $\cos\beta=-k''_z/|\vec{k}{}''|$. (Die Minuszeichen rühren daher, dass sich die einfallende und die transmittierte Welle nach "unten" bewegen). Daraus folgt \begin{eqnarray} \sin^2\alpha &=& 1-{k_z{}^2\over |\vec{k}|^2}={k_x{}^2+k_y{}^2\over |\vec{k}|^2}= \left({c_{\sf oben}\over c_{\sf unten}}\right)^2 {k''_x{}^2+k''_y{}^2\over |\vec{k}{}''|^2}=\\ &=&\left({c_{\sf oben}\over c_{\sf unten}}\right)^2\left(1-{k''_z{}^2\over |\vec{k}{}''|^2}\right)= \left({c_{\sf oben}\over c_{\sf unten}}\right)^2\sin^2\beta\,{\sf\small,} \end{eqnarray} woraus das Brechungsgesetz in seiner üblichen Form $${\sin\alpha\over\sin\beta}={c_{\sf oben}\over c_{\sf unten}}$$ folgt. Die Wellenlänge ändert sich bei der Brechung gemäß $\lambda''/\lambda=c_{\sf unten}/c_{\sf oben}$, während die Frequenz gleich bleibt, da $\omega''=\omega$ gilt. $k''_z$ kann, wie eine weitere kleine Rechnung zeigt, aus $${k''_z\over k_z} = {\tan\alpha\over\tan\beta}\equiv {1\over\cos\alpha}\sqrt{\left({c_{\sf oben}\over c_{\sf unten}}\right)^2 - \sin^2\alpha} $$ ermittelt werden. Die Totalreflexion Bei dieser saloppen Rechnung müssen wir aber ein bisschen aufpassen. Hier kommt die oben gemachte Einschränkung "sofern möglich" ins Spiel. Schreiben wir die Bedingung $c_{\sf oben}|\vec{k}| = c_{\sf unten}|\vec{k}{}''|$, aus der wir das Brechnungsgesetz gewonnen haben, in quadrierter Form und nach Ausnutzung von (2) und (3) auf: $$c_{\sf oben}{}^2\left(k_x{}^2+k_y{}^2+k_z{}^2\right) = c_{\sf unten}{}^2\left(k_x{}^2+k_y{}^2+k''_z{}^2\right)\,{\sf\small.}$$ Ist $c_{\sf oben} < c_{\sf unten}$ (also die obere Halbebene von einem optisch dichteren Medium erfüllt als die untere), so kann es passieren, dass diese Gleichung keine reelle Lösung für $k''_z$ besitzt, denn eine kleine Umformung führt auf \begin{eqnarray} k''_z{}^2 &=&\left({c_{\sf oben}\over c_{\sf unten}}\right)^2\left(k_x{}^2+k_y{}^2+k_z{}^2\right)-\left(k_x{}^2+k_y{}^2\right)=\\ &=&\underbrace{\left({c_{\sf oben}{}^2\over c_{\sf unten}{}^2}-1\right)}_{\large < 0 }\,\left(k_x{}^2+k_y{}^2\right)+{c_{\sf oben}{}^2\over c_{\sf unten}{}^2}k_z{}^2\,{\sf\small,} \end{eqnarray} und die rechte Seite kann, wenn $k_z{}^2$ nicht groß genug ist, negativ sein! "Nicht groß genug" bedeutet, dass die Welle zu schräg einfällt. Das ist genau dann der Fall, wenn $$\sin\alpha > {c_{\sf oben}\over c_{\sf unten}}$$ gilt (das Brechungsgesetz würde dann $\sin\beta >1$ verlangen), und dann tritt Totalreflexion ein. Brechung von Materiewellen Eine Brechung der Ausbreitungsrichtung einer Welle kann auch auftreten, wenn die zugrundeliegende Gleichung nicht die obige Wellengleichung ist grundsätzlich genügt es, dass das betreffende Feld die Form ebener Wellen entweder vom oben angeschriebenen reellen Typ oder vom komplexen Typ $\psi(\vec{x},t)=Ae^{i\left(\vec{k}\cdot\vec{x}-\omega\,t\right)}$ annehmen kann. Wie die Kreisfrequenz $\omega$ vom Wellenzahlvektor $\vec{k}$ abhängt, sagt uns dann die jeweilige Grundgleichung, und ebenso, wodurch sich die beiden durch die Grenzfläche getrennten Halbräume physikalisch unterscheiden. Ein Beispiel vom komplexen Typ ist die Schrödingergleichung für ein (nichtrelativistisches) Teilchen der Masse $m$ in einem Bereich konstanter potentieller Energie $V$: $$i\hbar {\partial\over\partial t}\,\,\psi(\vec{x},t)=\left(-{\hbar^2\over 2m}\bigtriangleup + V\right)\psi(\vec{x},t)\,{\sf\small.}$$ In diesem Fall ist die komplexe Form der ebenen Welle eine Lösung, sofern $$\hbar\,\omega = {\hbar^2\over 2m}\vec{k}{}^2 + V$$ gilt. (Dieser Ausdruck ist dann gleich der Gesamtenergie des Teilchens, da $\hbar \vec{k}$ mit dem Impuls identifiziert wird). Hier kann etwa die Grenzfläche darin bestehen, dass sich der Wert der potentiellen Energie sprunghaft von $V_{\sf oben}$ zu $V_{\sf unten}$ ändert (was die Einwirkung einer Kraft, d.h. einen kurzen "Kick" modelliert). Die Brechung einer solchen Materiewelle wird dann einfach durch die von der Kraft bewirkte Impulsänderung hervorgerufen. Das "Brechungsgesetz" nimmt in diesem Fall natürlich eine andere Form an als im Fall des Lichts. (Versuchen Sie, sie herauszufinden!) Interessant ist, dass es auch in diesem Fall einen reflektierten Wellenanteil gibt. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wird also ein (quantenmechanisch beschriebenes) Teilchen durch eine nach unten gerichtete Kraftwirkung nach oben katapultiert! Hier ist allerdings in einer gewissen Analogie zum Fall des Lichts zu beachten, dass es ebene Wellen der komplexen Form nur dann geben kann, wenn $\hbar\,\omega -V > 0$ ist. Ist das für den oberen, nicht aber für den unteren Halbraum der Fall, so liegt wieder eine "Totalreflexion" vor, wobei die Welle dann einen Anteil besitzt, der exponentiell abfallend in den unteren Haltraum eindringt (formal ist $k_z''$ dann imaginär), was bedeutet, dass das Teilchen bei einer Ortsmessung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in einem Raumbereich gefunden wird, der vom klassischen Standpunkt energetisch gar nicht möglich ist. |