Eigenvektoren 1


Franz Embacher

Fakultät für Physik der Universität Wien

 
Aufgabe: Berechnen Sie die Eigenvektoren der Matrix
$$A=\left(\begin{array}{cc} 3 & 2\\ 1 & 2 \end{array}\right)$$ $(1)$
Berechnung:
  1. Zuerst benötigen wir die Eigenwerte von $A$. Sie wurden in Matrizen und ihre Eigenschaften berechnet und sind

    $\lambda_1=1$    und    $\lambda_2=4$.

  2. Wir ermitteln zuerst den Eigenraum zum Eigenwert $1$. Er besteht aus allen Vektoren $u=\left(\begin{array}{c}u_1\\u_2\end{array}\right)$, die die Eigenwertgleichung $Au=u$ erfüllen. Mit $$Au=\left(\begin{array}{cc} 3 & 2\\ 1 & 2 \end{array}\right)\left(\begin{array}{c}u_1\\u_2\end{array}\right)=\left(\begin{array}{c}3u_1+2u_2\\u_1+2u_2\end{array}\right)$$ lautet das (linear-homogene) Gleichungssystem $Au=u$ in Komponenten

    \begin{eqnarray} 3u_1+2u_2&=& u_1\\ u_1+2u_2 &=& u_2 \end{eqnarray} $(2)$
    $(3)$

    oder, vereinfacht,

    \begin{eqnarray} 2u_1+2u_2&=& 0\\ u_1+u_2 &=& 0 \end{eqnarray} $(4)$
    $(5)$

    Wir sehen sofort, dass die beiden Gleichungen zueinander äquivalent sind. Daher kann eine weggelassen werden – die Eigenwertgleichung $Au=u$ reduziert sich auf die einzige Aussage

    $u_1+u_2=0$ $(6)$

    Das bedeutet, dass eine der beiden Variablen vorgegeben werden kann und die zweite dann eindeutig bestimmt ist. Wir geben $u_1$ vor, womit $u_2=-u_1$ wird. Die Lösungsmenge der Eigenwertgleichung $Au=u$ (d.h. der Eigenraum zum Eigenwert $1$) besteht daher aus allen Vektoren der Form

    $$u=\left(\begin{array}{c}u_1\\-u_1\end{array}\right)\equiv u_1\left(\begin{array}{c}1\\-1\end{array}\right)$$ $(7)$

    d.h. aus allen Vielfachen von $\left(\begin{array}{c}1\\-1\end{array}\right)$. Die Eigenvektoren zum Eigenwert $1$ sind genau die nichttrivialen Vielfachen dieses Vektors (d.h. alle Vektoren der Form (7) mit $u_1\neq 0$).
     
  3. In völlig analoger Weise ermitteln wir den Eigenraum zum Eigenwert $4$. Er besteht aus allen Vektoren $u=\left(\begin{array}{c}u_1\\u_2\end{array}\right)$, die $Au=4u$ erfüllen. In Komponenten lautet dieses (linear-homogene) Gleichungssystem

    \begin{eqnarray} 3u_1+2u_2&=& 4u_1\\ u_1+2u_2 &=& 4u_2 \end{eqnarray} $(8)$
    $(9)$

    oder, vereinfacht,

    \begin{eqnarray} -u_1+2u_2&=& 0\\ u_1-2u_2 &=& 0 \end{eqnarray} $(10)$
    $(11)$

    Wieder sehen wir, dass die beiden Gleichungen zueinander äquivalent sind. Die Eigenwertgleichung $Au=4u$ reduziert sich daher auf die einzige Aussage

    $u_1-2u_2= 0$ $(12)$

    Wir geben $u_2$ vor, womit $u_1=2u_1$ wird. Die Lösungsmenge der Eigenwertgleichung $Au=4u$ (d.h. der Eigenraum zum Eigenwert $4$) besteht daher aus allen Vektoren der Form

    $$u=\left(\begin{array}{c}2u_2\\u_2\end{array}\right)\equiv u_2\left(\begin{array}{c}2\\1\end{array}\right)$$ $(13)$

    d.h. aus allen Vielfachen von $\left(\begin{array}{c}2\\1\end{array}\right)$. Die Eigenvektoren zum Eigenwert $4$ sind genau die nichttrivialen Vielfachen dieses Vektors (d.h. alle Vektoren der Form (13) mit $u_2\neq 0$).
     
  4. Wir fassen unsere Ergebnisse zusammen:
     
    • Die Eigenvektoren von $A$ zum Eigenwert $1$ sind alle nichttrivialen Vielfachen von $\left(\begin{array}{c}1\\-1\end{array}\right)$.
    • Die Eigenvektoren von $A$ zum Eigenwert $4$ sind alle nichttrivialen Vielfachen von $\left(\begin{array}{c}2\\1\end{array}\right)$.

Nachbemerkung: Beachten Sie, dass beide linearen Gleichungssysteme, die hier gelöst werden müssen, (2)(3) und (8)(9), unendlich viele Lösungen besitzen. Das ist kein Zufall: Ist $\lambda$ ein Eigenwert von $A$, so ist damit sichergestellt, dass es einen Vektor $u\neq 0$ gibt, der $Au=\lambda u$ erfüllt. (Das ist ja die Definition des Begriffs Eigenwert). Da mit $u$ auch jedes Vielfache von $u$ die Eigenwertgleichung $Au=\lambda u$ erfüllt, besitzt diese unendlich viele Lösungen.


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