Volkswirtschaft I

Wirtschaftsordnung

Inhaltsverzeichnis
1. Wirtschaftsordnung und Gesellschaft
2. Idealtypische Wirtschaftsordnungen
3. Realtypische Wirtschaftsordnungen
4. Ordoliberalismus und Soziale Marktwirtschaft

Hier finden Sie eine Liste der in der Lektion behandelten Grundbegriffe.

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1. Wirtschaftsordnung und Gesellschaft

Die Wirtschaft ist ein Teil der Gesellschaft. Aus diesem Grund kann die Wirtschaftsordnung nicht von der Gesellschaftsordnung getrennt werden.

Jede Gesellschaftsordnung ist von Grundwerten, die mehr oder weniger verwirklicht sein können, wie z.B. Freiheit oder Abhängigkeit, Gleichheit oder Ungleichheit, Rechtsstaatlichkeit oder Willkür, schrankenloser Individualismus oder Solidarität mit Schwächeren, geprägt. Gesellschaftsordnungen lassen sich nicht einfach durch Gesetze schaffen. Sie beruhen vielmehr auf langen und relativ langsamen Entwicklungsprozessen kultureller Art.

Dementsprechend gab es in der Geschichte eine Vielzahl von Gesellschafts- ordnungen mit unterschiedlichen Merkmalen, wie etwa Stammesgesell- schaften, Feudalgesellschaften, sozialistische Gesellschaften (die sich auf den Übergang zum Kommunismus vorbereiteten) und kapitalistische Gesellschaften.

Lesen Sie (teilweise) das Kommunistische Manifest von 1848!

Lesen Sie einen Text über "Ungleichheit" von Lester C. Thurow!

Versucht man, Gesellschaftsordnungen zu gliedern, kann man zwei - wenn auch idealisierte - Grundtypen unterscheiden:

Individualistische Gesellschaftsordnung Freiheit des Einzelnen vor Gruppeninteressen
Vorrang für Privatinitiativen
Persönliche Gleichberechtigung
Verteilung der Ergebnisse nach Leistung
Staat setzt nur Rahmenbedingungen
Privateigentum an Produktionsmitteln
Freie Marktwirtschaft
Kollektivistische Gesellschaftsordnung Gruppeninteressen vor Freiheit des Einzelnen
Vorrang für staatliche Initiativen
Klassenkampf (Ziel: klassenlose Gesellschaft)
Gleichheit in der Verteilung der Ergebnisse
Dominierende Rolle des Staates
Kein Privateigentum an Produktionsmitteln
Zentralgeleitete Planwirtschaft

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Die heute real bestehenden westlichen Gesellschaftsordnungen wurden wesentlich von den Philosophen des klassischen Liberalismus beeinflusst. Zu diesen gehören Adam Smith, John Stuart Mill und die Österreicher (bzw. späteren Auslandsösterreicher) Ludwig von Mises und der Nobelpreisträger Friedrich A. von Hayek.

Lesen Sie über einen Text über die Ideen von Friedrich A. Hayek!

Weitere Informationen über Friedrich A. von Hayek

Im Westen dominiert heute die postindustrielle "civil society" ("Pluralistische Gesellschaft"), die durch eine Vielzahl demokratisch ausgerichteter Interessen- gruppen und Organisationen sowie durch die Familie als gesellschaftlicher Keimzelle gekennzeichnet ist. Diese Gesellschaftsordnung ist zwar grundsätzlich individualistisch orientiert, beruht aber auf einem Ausgleich zwischen Einzel- und Gruppeninteressen.

"Law, contract, and economic rationality provide a necessary but not sufficient basis for both the stability and prosperity of postindustrial societies; they must as well be leavened with reciprocity, moral, obligation, duty toward community, and trust, which are based in habit rather than rational calculation. The latter are not anachronisms in a modern society but rather the sine qua non of the latter's succes."
Francis Fukuyama, Trust, S. 11; Penguin Books, London 1996

Die Katholische Soziallehre, die zu einem großen Teil auf päpstliche Enzyklen zurückgeht, vertritt eine ähnliche - wenn auch christlich fundierte - Position. Für sie spielen Individualität der Persönlichkeit bei gleichzeitiger Verpflichtung gegenüber dem Gemeinwohl, Solidarität und Subsidiarität eine besondere Rolle.

Text über die Prinzipien der Katholische Soziallehre!

Auszug aus "Mater et magistra" von Papst Johannes XXXIII.

Hier finden Sie für die Volltexte der Enzykliken

Rerum novarum (Papst Leo XIII., 1891)
Quadragesiomo anno (Papst Pius XI., 1931)
Mater et magistra (Papst Johannes XXXIII., 1961)
Laborem exercens (Papst Johannes Paul II., 1981)
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Die Gesellschaftsordnung determiniert auch die Wirtschaftsordnung - und die Wirtschaftsordnung hat eine Rückwirkung auf die Gesellschaftsordnung. Eine Marktwirtschaft erfordert Entscheidungs- und Handlungsfreiheit für die Wirtschaftssubjekte sowie eine Entlohnung der wirtschaftlichen Aktivitäten nach Leistung und ist daher nur mit einer individualistischen Gesellschaftsordnung verträglich.

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2. Idealtypische Wirtschaftsordnungen

Wirtschaftsordnungen sind durch die herrschende Gesellschaftsordnung und damit durch die verschiedensten kulturellen Entwicklungen geprägt. Idealtypische Wirtschaftsordnungen kommen deshalb in der Praxis nicht vor. Dennoch ist es notwendig, solche Wirtschaftsordnungen zu definieren, um die Grundsätze des Funktionierens von Wirtschaftsordnungen darzustellen.

Die Grundfrage jeder Wirtschaftsordnung ist die Abstimmung der Produktion mit den Bedürfnissen der Konsumenten unter der Voraussetzung der Knappheit der Produktionsmittel. Diese Abstimmung kann grundsätzlich auf zwei Arten erfolgen: Über den Markt oder über zentrale Pläne.

Dementsprechend gibt es zwei Arten von idealtypischen Wirtschaftssystemen, nämlich die "freie Marktwirtschaft" und die "zentralgeleitete Planwirtschaft (auch "Zentralverwaltungswirtschaft"). Die wesentlichen Eigenschaften dieser idealtypischen Systeme werden in der folgenden Tabelle dargestellt:

Freie Marktwirtschaft
  • Dezentrale Planung durch die Produzenten und die Konsumenten
  • Privateigentum an Produktionsmitteln, freie Unternehmensgründung
  • Freier Arbeitsmarkt, Vertragsfreiheit
  • Koordinierung der Einzelpläne durch die Signalfunktion der Marktpreise
  • Belohnung wirtschaftlicher Leistungen durch Gewinn
  • Sanktionierung von Fehlleistungen durch Verlust (bis zum Konkurs)
  • Setzung von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch den Staat
zentralgeleitete Plan- wirtschaft
(Zentralverwalungs- wirtschaft)
  • Zentrale Planung durch den Staat
  • Staatliches Eigentum an Produktionsmitteln
  • Staatlich geregelter Arbeitsmarkt, keine Vertragsfreiheit
  • Koordinierung der Einzelpläne durch die Planungsbehörde
  • Belohnung plangerechter Leistungen durch Prämien, Titel und Orden
  • Sanktionierung von Fehlleistungen gegenüber dem Plan durch Kontrolle
  • Totaler Staatseingriff in die Wirtschaft
 

In der idealtypischen Konstruktion der freien Marktwirtschaft übernimmt der Staat nur Aufgaben zum Schutz der Bürger (z.B. die Landesverteidigung), greift aber nicht ins Wirtschaftsleben ein. In der zentralgeleiteten Planwirtschaft wird das Wirtschaftsgeschehen inhaltlich völlig vom Staat determiniert.

Sowohl in der freien Marktwirtschaft als auch in der zentralgeleiteten Planwirtschaft wird geplant. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass in der freien Marktwirtschaft von den Wirtschaftssubjekten dezentral und ohne Staatseingriffe geplant wird und die gesamtwirtschaftliche Koordination durch den Zusammenhang der Märkte hergestellt wird, während in der zentralgeleiteten Planwirtschaft der Staat, wenn auch auf Grund einer detaillierten Wirtschaftsstatistik und in Abstimmung mit den Branchen und Regionsvertretern, einen verbindlichen Wirtschaftsplan (bestehend aus vielen Teilplänen) aufstellt.

Märkte sind nicht statisch (im Sinne eines andauernden "Marktgleichgewich- tes"), sondern dynamisch, d.h. es werden von Unternehmen unter Risiko Vorstöße, z.B. mit neuen Produkten, unternommen, die erfolgreich oder erfolglos (oder in der Mitte zwischen diesen Extremen liegend) sein können. Erfolglose Versuche, auf den Märkten Gewinn zu machen, werden immer wieder revidiert. Somit ist der Markt ein Entdeckungsverfahren, d.h. man weiß erst im Nachhinein, ob man erfolgreich war.

Graphik über die Koordinationsfunktion der Märkte

Beispiel über die Signalwirkung der Preise

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3. Realtypische Wirtschaftsordnungen

Die "idealtypischen Wirtschaftsordnungen" sind theoretische Extreme. In der Realität gibt es eine Vielzahl von Wirtschaftsordnungen. Man muss diese Wirtschaftsordnungen wieder typisieren (und damit ein Stück von der Realität entfernen), um eine begriffliche Ordnung zu schaffen. Deshalb ist hier von "realtypischen Wirtschaftsordnungen" die Rede.

Alle realen und realtypischen Wirtschaftsordnungen sind Mischungen ("mixed economies") einerseits zwischen beiden Extrempolen freie Marktwirtschaft und zentralgeleitete Planwirtschaft, andererseits aber auch mit Voraussetzungen, die sich aus der herrschenden Gesellschaftsordnung und der historischen Situation ergeben. Z.B. spielen die vorhandenen Institutionen, wie etwa die Parteien und die Interessenvertretungen, und die historisch vorhandenen Wirtschaftsstrukturen, wie etwa bestehende Monopole, eine Rolle. Man kann dies mit folgender Graphik zum Ausdruck bringen:

mixed economies

Lesen Sie einen Text über die reale Wirtschaftsordnung in China!

oben

Versucht man, einigen für europäische Länder jetzt oder in der jüngsten Vergangenheit charakteristischen realtypische Wirtschaftsordnungen in einer Graphik einen Standort jeweils zwischen den Extremen "individualistische Gesellschaftsordnung" und "kollektivistische Gesell- schaftsordnung" bzw. "freie Marktwirtschaft" und "zentralgeleitete Planwirtschaft" zuzuweisen, kommt man - ohne einen Anspruch auf Exaktheit oder absolute Richtigkeit erheben zu können - beispielsweise zu folgendem Ergebnis:

mixed economies

Die angeführten realtypischen Wirtschaftsordnungen kann man wie folgt charakterisieren:

Soziale Markt-
wirtschaft

Soziale Marktwirtschaft ist eine praktische Anwen- dungsform des Idealtypus "freie Marktwirtschaft". Hauptinhalt ist - auf der Basis des Privateigentums und der freien Konkurrenz - die Chancengleichheit der Bürger, abgesichert durch eine restriktive Wettbewerbspolitik, eine intensive Bildungspolitik, eine stabilisierende Wirtschaftspolitik und eine zurückhaltende Korrektur der Einkommensverteilung durch den Staat (sekundäre Einkommensverteilung).

Sozialistische
Marktwirtschaft

Sozialistische Marktwirtschaft ist die Wirtschaftsord- nung des demokratischen Sozialismus. Sie beruht grundsätzlich auf der freien Marktwirtschaft und ihrer Verteidigung durch die Wettbewerbspolitik, betont aber stärker als die Soziale Marktwirtschaft den Ausgleich der Einkommen und damit stärker die sekundäre Einkommensverteilung durch den Staat.

In der Wirtschaftspolitik liegen die Schwerpunkte auf der Beschäftigungspolitik, dem Konsumentenschutz, der stabilisierenden Budgetpolitik (ergänzend zur Geldpolitik) und der Sozialpolitik. Nötigenfalls wird eine Korrektur der Marktprozesse durch einen genossenschaftlichen oder einen verstaatlichten Wirtschaftssektor ("Gemeinwirtschaft") akzeptiert.

Neomerkantilismus

Auch der Neomerkantilismus steht grundsätzlich auf dem Boden der freien Marktwirtschaft. Allerdings wird versucht, Wirtschaftszweige, die für den Export von Interesse sind, durch staatliche Maßnahmen (z.B. Subventionen) besonders zu fördern.

Die Vertreter des Neomerkantilismus sind der An- sicht, dass der Erfolg asiatischer Volkswirtschaften auf diese Vorgangsweise zurückgeht und dass z.B. die USA ähnliche Methoden anwenden sollten.

Neomerkantilismus setzt somit den Glauben an die "Machbarkeit" wettbewerbsstarker Industrien durch gesonderte "Programme" voraus.

Sozialistische
Planwirtschaft

Sozialistische Planwirtschaft beruht auf dem totalitären Sozialismus als Vorstufe des marxistisch-leninistischen Kommunismus. Ziel der sozialistischen Planwirtschaft ist somit die revolutionäre Ablöse des Kapitalismus durch den (totalitären) Sozialismus und schließlich den Kommunismus mit einer klassen- losen Gesellschaft. In dieser Gesellschaft sollen die Güter nach dem Bedarf und nicht nach der Leistung des Einzelnen verteilt werden.

Die Wirtschaftsordnung der Sozialistischen Plan- wirtschaft ist durch kollektives Eigentum (Staats- eigentum, genossenschaftliches Eigentum oder Eigentum gesellschaftlicher Organisationen) an den Produktionsmitteln (mit Ausnahme des Eigentums an den Produktionsmitteln von Kleinstbetrieben) und zentrale Planung des Bedarfs und der Produktion charakterisiert.

Im Rahmen der zentralen Planung werden mit Hilfe von "Mengenbilanzen" (über Bedarf und Erfüllbarkeit des Bedarfes durch die Produktion unter Berück- sichtigung von Exporten und Importen), "Volkswirt- schaftliche Prognosen" (Reichweite 20 bis 30 Jahre, sie dienen als Arbeitsgrundlage), "Langfristige Konzeptionen" (Reichweite 10 bis 15 Jahre, diese dienen als orientierende Festlegungen), "Fünfjahres- pläne" (als Gesetz) und "Jahrespläne" (ebenfalls als Gesetz) erstellt.

 

Graphik über den Ablauf der zentralgeleiteten Planung

DDR-Lehrbuchtext über Sozialistische Planwirtschaft

In der Sozialistischen Planwirtschaft erfolgt - wie in jeder zentralgeleiteten Planwirtschaft - die Abstimmung der Wirtschaftspläne im Gegensatz zur Marktwirtschaft nicht als dezentraler Entdeckungsprozess im Nachhinein, sondern nach einem komplizierten, zeitaufwendigen Verfahren im Vornhinein. Darin liegt auch ihre Schwäche: Das zunehmend komplexe Wirtschaftsgeschehen (das immer mehr arbeitsteilig, dynamisch und von wachsenden und differenzierteren Ansprüchen der Konsumenten gekennzeichnet ist) kann immer weniger in einem Gesamtplan dargestellt und abgestimmt werden.

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4. Ordoliberalismus und Soziale Marktwirtschaft

Der klassische Liberalismus - heute fortgesetzt durch den "Neoliberalismus" - führte in seiner Konkretisierung durch die freie Marktwirtschaft, soweit sie verwirklicht wurde, nach der Auffassung vieler Gesellschaftspolitiker zu großen Einkommensunterschieden und möglicherweise auch zu Machtkonzentrationen in Form von Monopolen. Nicht zuletzt war er auch ein Auslöser für Gegenströmungen, etwa den Marxismus. Strittig ist allerdings, ob die freie Marktwirtschaft als solche diese Nachteile hat oder ob die Nachteile, beispielsweise die Monopole, durch eine unvollständige Anwendung der freien Marktwirtschaft entstanden sind.

Die Vorteile des Liberalismus sind jedenfalls unbestritten. Es gibt kein besseres System der Koordinierung von Produktion und Konsum als den freien Markt und kein anderes System kann die Innovationskraft der Wirtschaft und das Wirtschaftswachstum gleich wirksam absichern.

Es erwies sich somit als notwendig, den klassischen Liberalismus in eine praktisch anwendbare Form zu bringen, die möglichst die erwähnten Nachteile vermeidet. Dieser Aufgabe unterzog sich vor allem der Volkswirtschaftsprofessor Walter Eucken (1891 - 1950). Eucken entwarf das wirtschaftspolitische System des "Ordoliberalismus" und beeinflusste damit wesentlich die nach dem II. Weltkrieg in Deutschland von Ludwig Erhard und Alfred Müller-Armack eingeführte "Soziale Marktwirtschaft".

Weitere Informationen über Walter Eucken

Informationen über Ludwig Erhard und Alfred Müller-Armack

Walter Eucken hat seine Vorstellungen über Marktwirtschaft in sieben konstituierenden Prinzipien, vier regulierenden Prinzipien und zwei Grundsätzen der Wirtschaftspolitik zusammengefasst:

Konstituierende Prinzipien
  • funktionsfähiges Preissystem bei vollständiger Konkurrenz
  • Währungsverfassung zur Stabilisierung des Geldwertes
  • Öffnung der Märkte
  • Sicherung des Privateigentums
  • Vertragsfreiheit
  • möglichst universale persönliche Haftung
  • Konstanz der Wirtschaftspolitik
Regulierende Prinzipien
  • Auflösung oder Beaufsichtigung von Monopolen
  • Korrektur der Einkommensverteilung nach sozialen Gesichtspunkten
  • Korrektur einer unzureichenden betrieblichen Wirtschaftsrechnung
  • Vermeidung eines anomalen Verhaltens des Arbeitsangebotes
Grundsätze der Wirtschaftspolitik
  • Kontrolle der wirtschaftlichen Macht
  • Gestaltung der Ordnungsformen der Wirtschaft, keine Lenkung des Wirtschaftsprozesses

Quelle: Prof. Dr. Matthias-W. Stoetzer, Jena, Die Ordnungspolitik Euckens als Theorie der
Wirtschaftspolitik, WiSt, Heft 4, April 2001, S. 209; für den Unterricht sinngemäß adaptiert

Die "konstituierenden Prinzipien" haben das Ziel, die von Eucken vorgeschlagene marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung schaffen. Der Großteil dieser Prinzipien ist schon aus den bisherigen Ausführungen bekannt. Kernpunkt ist das "funktionsfähige Preissystem bei vollständiger Konkurrenz". Die zum Funktionieren des Preissystems notwendige "Währungsverfassung zur Stabilisierung des Geldwertes" soll - als einzige Ausnahme von der freien Konkurrenz - durch eine zentrale, unabhängige Notenbank (wie sie die EU in der Euro-Zone in Form der Europäischen Zentralbank geschaffen hat) sichergestellt werden.

Die "Öffnung der Märkte" bedeutet freien Außenhandel (wie er z.B. heute innerhalb der EU durch den Binnenmarkt verwirklicht ist) und nach innen das Vermeiden von Beschränkungen der wirtschaftlichen Aktivitäten (etwa durch Behinderung der Unternehmensgründung). Das Prinzip der "möglichst universalen persönlichen Haftung" (der Unternehmer und der Manager) soll faire Wettbewerbsverhältnisse und einen sorgfältigen Umgang mit den Produktionsfaktoren absichern. Die "Konstanz der Wirtschaftspolitik" ist für das Wirtschaftswachstum notwendig, da die Unternehmer nur bei einer vorhersagbaren stetigen Wirtschaftspolitik bereit sind, Zukunftsinvestitionen durchzuführen.

Die "regulierenden Prinzipien" sollen Mängel, die eine auf Konkurrenz beruhende Wirtschaftsordnung mit sich bringt, ausgleichen. Monopole sollen möglichst aufgelöst werden; ist dies nicht möglich, etwa bei "natürlichen Netzmonopolen" (siehe Lexikon), sind die Monopole durch Aufsicht an Missbräuchen ihrer Macht zu hindern. Diese Aufgaben soll eine unabhängige Monopolbehörde wahrgenommen werden.

Eine "Korrektur der Einkommensverteilung nach sozialen Gesichtspunkten" ist notwendig, um (nach gesellschaftlichen Maßstäben) zu große Einkommensunterschiede, die sich aus dem freien Wettbewerb in Form der "primären Einkommensverteilung" ergeben, zu verhindern. Dies erfolgt durch eine vom Staat vorzunehmende "sekundäre Einkommensverteilung", z.B. mit einer mäßig progressiven Einkommensteuer.

die "Korrektur einer unzureichenden betrieblichen Wirtschaftsrechnung bezieht sich vor allem auf negative externe Effekte (siehe Lexikon), die nicht als Kosten im unternehmerischen Rechnungswesen aufscheinen. Auch in diesem Fall sind Korrekturen des Marktmechanismus (in dem Sinn, dass der Marktmechanismus besser zum Tragen gebracht werden soll) notwendig.

Unter "Vermeidung eines anomalen Verhaltens des Arbeitsangebotes" sind staatliche Maßnahmen (z.B. Mindestlöhne) zu verstehen, die einer Erhöhung des Arbeitsangebotes (zur Aufrechterhaltung des Lebensstandards) bei sinkenden Löhnen entgegenwirken sollen.

Die "Grundsätze der Wirtschaftspolitik" sollen die staatliche Wirtschaftspolitik so gestalten, dass die von Eucken postulierte Wirtschaftsordnung erhalten wird. Die "Kontrolle der wirtschaftlichen Macht richtet sich nicht nur gegen Monopole, sondern auch gegen Machtstellungen von Verbänden, z.B. von Gewerkschaften. Der Grundsatz "Gestaltung der Ordnungsformen der Wirtschaft, keine Lenkung des Wirtschaftsprozesses" bedeutet, dass der Staat nicht direkt in den Wirtschaftsablauf eingreifen, sondern nur Rahmenbedingungen setzen soll. Ansonsten würde der Staat zum Spielball vielfältiger wirtschaftlicher Interessen.

Der Ordoliberalismus und die Soziale Marktwirtschaft spielen auch für moderne Wirtschaftsordnungen eine wichtige Rolle, z.B. für die Wirtschaftsordnung der EU (wie sie im EG-Vertrag zum Ausdruck kommt). Dabei bemüht man sich, die Soziale Marktwirtschaft den heutigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen anzupassen, z.B. die Probleme des übertriebenen Wohlfahrtsstaates oder des starren Arbeitsmarktes, zu dem sie geführt hat, abzubauen und auch der Globalisierung der Wirtschaft gerecht zu werden. Speziell die CDU vertritt eine "Neue Soziale Marktwirtschaft".

Text von Prof. Dr. Otmar Issing über Soziale Marktwirtschaft

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