Volkswirtschaft I, Wirtschaftsordnung

Friedrich A. von Hayek
Friedrich A. von Hayek
1899 - 1992

Absage an den Wohlfahrtsstaat

Friedrich August von Hayek: "The Road to Serfdom"

von Klaudia Prevezanos

Friedrich August Hayek wusste, wo der Feind steht. "Den Sozialisten aller Parteien" hat er sein Buch The Road to Serfdom gewidmet - eine Kampfschrift gegen staatliche Einmischung in den Wettbewerb. Doch der Österreicher (1899 bis 1992) zeigte sich in seinem 1944 in den Vereinigten Staaten veröffentlichten Werk nicht nur ungnädig gegenüber jeder Form der sozialen Steuerung des Marktes. Er machte außerdem keinen Unterschied zwischen Nationalisten, Faschisten und Kommunisten: Für ihn führten sie alle unweigerlich in die Diktatur. Der Weg zur Knechtschaft, so der deutsche Titel seines Hauptwerks, sei vorgezeichnet, auch wenn dies gerade von linken Politikern und Funktionären nicht unbedingt beabsichtigt sei.

Sozialismus, Demokratie und individuelle Freiheit waren für den Ökonomen und Sozialphilosophen unvereinbar. Mit dieser provokanten These kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges sorgte Hayek, der 1931 als erster Ausländer an die London School of Economics berufen worden war, für einiges Aufsehen und machte sich für viele Jahre zum geliebten Feind der Linken, nicht nur in Europa.

Im Weg zur Knechtschaft wandte sich Hayek, dem 1974 der Ökonomie- nobelpreis verliehen wurde, gegen jede Mischform von freier Marktwirtschaft und staatlicher Steuerung: "Mischungen von Planwirtschaft und Wettbewerbs- wirtschaft sind schlechter als jede für sich." Laut Hayek zieht jeder kleine Eingriff des Staates in das Marktgeschehen zwangsläufig neue und stärkere Maß- nahmen nach sich. Die Spirale führe unvermeidlich nicht nur in eine Plan- wirtschaft, sondern auch in die Diktatur. "Knechtschaft" heißt für Hayek, dass die Mitglieder einer Gesellschaft keinen individuellen wirtschaftlichen Entscheidungs- spielraum mehr haben.

Nachdrücklich warnt Hayek vor den totalitären Tendenzen jeglicher Form von Wohlfahrtsstaat. Diese Worte des Ökonomen wurden in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg sicherlich gehört, aber die Politik folgte ihnen nicht. Das Wirtschaftsmodell Ludwig Erhards in der Bundesrepublik hieß soziale Marktwirtschaft: Die Wettbewerbsordnung wird vom Staat festgelegt und überwacht, der sich mit seiner Politik außerdem um Stabilität in der Wirtschaft und um soziale Gerechtigkeit in der Gesellschaft bemüht.

Das Urteil Hayeks dazu war hart: "Mehr als zehn Jahre habe ich mich intensiv damit befasst, den Sinn des Begriffs ,soziale Gerechtigkeit' herauszufinden. Der Versuch ist gescheitert." Was es hieße, "sozial" zu sein, wisse niemand. "Wahr ist nur, dass eine soziale Marktwirtschaft keine Marktwirtschaft, ein sozialer Rechtsstaat kein Rechtsstaat, ein soziales Gewissen kein Gewissen, soziale Gerechtigkeit keine Gerechtigkeit - und ich fürchte auch, soziale Demokratie keine Demokratie ist."

Nach Hayek hat der Staat nur die Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, Rechtsnormen als Minimalkonsens zwischen den Marktteilnehmern zu setzen, an die sie sich zu halten haben. Kritiker haben dieses Prinzip als Nachtwächterstaat bezeichnet. Für Hayek ist "Demokratie nur um den Preis zu haben, dass alleine solche Gebiete einer bewussten Lenkung unterworfen werden können, auf denen eine wirkliche Übereinstimmung über die Ziele besteht, während man andere Bereiche sich selber überlassen muss".

Seine Kritik an Eingriffen nationaler Regierungen in die Wirtschaft gilt auch für die internationale Politik von Staatengemeinschaften: Zwar könnten durch eine internationale wirtschaftliche Planung einige der Gefahren der nationalen Planwirtschaft vermieden werden, doch "scheinen die Vertreter dieser ehrgeizigen Pläne wenig Ahnung von den noch größeren Schwierigkeiten und Gefahren ihrer eigenen Vorschläge zu haben". Nationale Probleme nähmen auf internationaler Grundlage ein noch größeres Ausmaß an. Auch hier bedient sich Hayek des provokanten Vergleichs: Eine solche "Großraumwirtschaft" könne nur von "einer Herrenrasse, einem Herrenvolk" erfolgreich betrieben werden.

Hayeks anstößiger Text erschien 1944 in den USA zunächst mit einer Auflage von 2000 Exemplaren, die innerhalb eines Monats vergriffen waren. Die erste Buchbesprechung in der New York Times nannte es "ein trauriges und wütendes kleines Buch".

Doch der Wissenschaftler blieb mit seiner Kritik an Aktivitäten des Staates am Markt nicht allein. Der amerikanische Ökonom Milton Friedman schrieb 1994 in der Einleitung zur Jubiläumsausgabe von Hayeks Streitschrift: "Es ist kaum übertrieben zu sagen, dass wir auf beiden Seiten des Atlantik - in Amerika und Großbritannien - zwar den Individualismus und kapitalistischen Wettbewerb predigen, aber Sozialismus praktizieren." Sogar in den USA gibt es nach Einschätzung von Friedman zu viel Wohlfahrtsstaat. Freier Wettbewerb, wie Hayek ihn fordert, sei nicht möglich. Für Hayek-Freund Friedman steckt in dem Buch eine intellektuelle Kraft, die hinter wie vor dem Eisernen Vorhang den Glauben an den Kommunismus geschwächt hat.

Friedrich August von Hayek: Der Weg zur Knechtschaft. Deutsche Übersetzung von 1948; Eugen Rentsch Verlag, Zürich; vergriffen

Quelle:
Die Zeit, Wirtschaft, Archiv 43/1999
Hamburg, 1999

Quelle des Photos:
Friedrich A. von Hayek - Gesellschaft e.V,
Berlin

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