Langwierige Neuerfindung der Familie
Für die Innsbrucker Psychoanalytikerin Margret Aull ist der Geburtenknick keine Krise

Die Neuerfindung der Familie - oder wie immer kindergeeignete Beziehungsgeflechte in Zukunft genannt werden sollten - dauere "länger als ein, zwei Generationen", erläutert Margret Aull. Als Beweis führt die Präsidentin des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie (ÖBVP) Therapieerfahrungen mit jungen Patienten an: Bei ihnen stoße sie auf "Themen und Erwartungen auch der Großelterngeneration".

Als "verinnerlichtes Bild" verharre so das Ideal der klassischen Kleinfamilie mit Eltern und mehreren Kindern in der Psyche der Menschen, obwohl diese "alte Form" des Zusammenlebens - nicht zuletzt unter dem Druck der Ökonomie - an ihre Grenzen gestoßen sei. Ein Widerspruch, der die Jetztzeit für manche PessimistIn und KulturkritikerIn zu einem klammen, von Niedergangsbefürchtungen durchzuckten Zwischenreich macht. "Es ist leichter, zu spüren, dass etwas nicht passt als zu spüren, wo die Lösungen sein könnten."

Diese - so Aull - könnten zum Beispiel in "mehr kollektiver Verantwortung" liegen, mit dem Ziel einer kinderfreundlicheren Gesellschaft. Zwar hätten sich "krass kollektivistische, etwa sozialistische Erziehungsmodelle" als nicht zielführend herausgestellt, doch dies nehme das Allgemeinwesen keineswegs aus der Pflicht. Wer jetzt in neoliberalen Zeiten stattdessen erwarte, dass BürgerInnen und Familien ganz allein imstande seien, grundlegende Prinzipien wie "Vertrauen, Uneigennützigkeit, Altruismus und Solidarität" (Frank Schirrmacher) zu schaffen und zu verbreiten, irre gewaltig: "Es geht immer um wirtschaftliche und machtpolitische Entscheidungen."

Beziehungsverantwortung

Auch das einzelne Kind werde diese Werte nur hochhalten lernen, wenn es "in einer Welt aufwachsen darf, die auf solche Beziehungsverantwortung Wert legt", betont die 48-jährige Psychoanalytikerin. Das fange in Kindergärten und Schulen an, die für die zunehmende Zahl von Einzelkindern eine sehr wichtige Rolle spielten: um Gruppenerfahrungen zu machen und so "das familiäre Umfeld zu ergänzen".

In diesem Sinne nimmt die Psychotherapeutin auch ihre eigene Zunft nicht aus der Pflicht. Einseitig kleinfamilienbezogene Ansichten, die etwa die Mutter - und nur sie allein - als exklusive Bezugsperson von Kindern sehen, existierten in der Kollegenschaft weiterhin. Doch die moderne Säuglingsforschung zeige, "dass eine Kleinkind Kontinuität in der Beziehung braucht, aber nicht unbedingt von einer einzigen, weiblichen Person".

Überhaupt sei "der Weg zurück kein Weg" und der schwindende Sockel der Alterspyramide eine unumkehrbare Entwicklung. Doch Aull will in diesem Zusammenhang nicht von einer "Krise" sprechen. Vielmehr sei es als Fortschritt zu werten, dass das Kinderkriegen heutzutage eine bewusste, lang überlegte Entscheidung darstelle: "Wer wie ich im psychosozialen Bereich arbeitet, weiß, welche Negativfolgen es hat, wenn ein Kind ungeplant auf die Welt kommt. Wenn es im emotionalen Leben seiner Eltern keinen Platz hat."

(DER STANDARD-Printausgabe, 18./19.03.2006)

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Innsbruck - Tirols unselbstständig erwerbstätige Frauen verdienen 43 Prozent weniger als Männer. In keinem Bundesland ist dieser Abstand größer. Das durchschnittliche Bruttoeinkommen der Tiroler Frauen liegt pro Jahr bei 15.391 Euro. 40 Prozent der Frauen (20 Prozent der Männer) beziehen weniger als 10.000 Euro. Egal welcher Aspekt der Einkommensstatistiken auch hergenommen wird: Tirol ist fast immer Schlusslicht.

Der jährlich von der AK Tirol vorgelegte Bericht "Zur Lage der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Tirol" ist heuer schwerpunktmäßig den Frauen gewidmet. ...Das Podium sah in einer verbesserten Vereinbarkeit von Kindern und Beruf den Schlüssel zu mehr Einkommensgerechtigkeit und im besonders hohen Anteil an Teilzeit- und Saisonjobs einen Hauptgrund für die weibliche Einkommensmisere. Allerdings legen die Statistiken auch offen, dass Unternehmerinnen und Frauen mit ununterbrochener Berufslaufbahn beim Einkommen und auf der Karriereleiter zurückbleiben. Ratschlag vom Podium: Frauen müssen selbstbewusster in Gehaltsverhandlungen gehen.

Aus : http://diestandard.at/?url=/?id=2382532

Die Arbeiterkammer macht auf einen drohenden Pensionsverlust für Frauen mit Kindern aufmerksam. Grund dafür ist, dass die Beitragsgrundlage für die Kindererziehungszeiten nicht wie andere soziale Werte mit Jahresbeginn aufgewertet wurde. Dadurch komme es zu einer "schleichenden Entwertung".

Für den Fall, dass auch in den nächsten 20 Jahren keine Aufwertung erfolgen sollte, würde einer Frau mit zwei Kindern dadurch eine Kürzung ihrer monatlichen Pension um mehr als 60 Euro drohen. Für die Pensionsberechnung wurde mit dem seit 1. Jänner 2005 geltenden Pensionskonto die Lebensdurchrechnung eingeführt. Damit zählt nun jedes Einkommen und nicht nur die besten Jahre.

Für das Pensionskonto werden nun die Pensionszeiten jährlich mit der durchschnittlichen Beitragsentwicklung aufgewertet, damit frühere Arbeitsjahre nicht unterbewertet werden. Für die Kindererziehung wurden 1.350 Euro als Beitragsgrundlage genommen, was für die AK ohnehin zu niedrig ist. Dieser Wert wurde nun zusätzlich mit 1. Jänner 2006 nicht aufgewertet - im Gegensatz zur Höchstbeitragsgrundlage und anderen beitragsbezogenen Werten, die mit der durchschnittlichen Beitragsgrundlagenentwicklung von drei Prozent angehoben wurden.

Die Nichtaufwertung der Kindererziehungszeiten bedeutet, dass diese Jahr für Jahr weniger wert wird. Die Arbeiterkammer stellt nun die Frage, ob es sich dabei um ein ein legistisches Versehen handelt, oder ob Kindererziehung absichtlich noch weniger wert werden soll. Gleiches gelte im übrigen auch für den Präsenz- und Zivildienst. (APA)

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