Wer die Debatte über die Abschaffung der Frühpensionen verfolgt, muß den Eindruck gewinnen, die Österreicher seien ein arbeitsscheues Volk: Sie hätten nichts anderes im Sinn, als sich bei erstbester Gelegenheit, oft unter Vorspiegelung von Krankheiten, in den vorzeitigen Ruhestand zu verabschieden und fortan auf Kosten der armen, noch aktiven Steuerzahler ein mehr oder weniger flottes Leben zu führen. Solche Fälle mag es geben, eine Generalisierung ist aber unzulässig. Die Realität schaut nämlich anders aus. Daß in Österreich die jüngsten Pensionisten Europas leben, liegt nicht oder jedenfalls nicht hauptsächlich an den Betroffenen: Viele gehen ja nicht freiwillig in die Frühpension, sondern jeder zweite Pensionsantritt erfolgt aus der Arbeitslosigkeit heraus. Tatsache ist, daß die Unternehmen im Bedarfsfall
zuerst ältere Mitarbeiter abbauen. Und zwar deshalb, weil sie relativ
teuer kommen. Auch Kündigungen vor dem Stichtag für eine höhere
Abfertigung sind keine Seltenheit. Gegenüber diesem reinen Kostenaspekt
rückt die Frage der Erfahrung und der oft noch vorhandenen Leistungsfähigkeit
in den Hintergrund. Dem Frühpensionistenboom geht es jetzt aber den
Kragen. Um den mittelfristig drohenden Finanzkollaps des staatlichen
Pensionssystems zu vermeiden sollen Herr und Frau Österreicher künftig
länger arbeiten. Anderenfalls müßten nämlich bei weiter steigender
Lebenserwartung und gleich bleibender Erwerbsquote die Pensionsbeiträge
kräftig angehoben oder die Pensionen empfindlich gekürzt oder die
Budgetzuschüsse zum System stark erhöht werden. Wie berechtigt grundsätzlich der von Politikern und Experten erhobene Ruf nach einem späterem Pensionsantritt ist, wird auch aus der Statistik deutlich: Zur Zeit gehen drei von vier Österreichern vor dem gesetzlichen Pensionsalter von 65 (Männer) beziehungsweise 60 (Frauen) Jahren, im Schnitt mit 58, in den Ruhestand. Die sukzessive Abschaffung der Frühpensionen in Österreich
wird aber nur zu erreichen sein, wenn entsprechende Begleitmaßnahmen
gesetzt werden und sowohl die Konjunktur als auch der Arbeitsmarkt dabei
mitspielen. Sonst würde ja das finanzielle Problem lediglich von
der Pensions- in die Arbeitslosenversicherung verlagert. Es muß also
dafür gesorgt werden, daß ältere Menschen ihren Arbeitsplatz länger
behalten bzw. einen solchen finden. Vorerst klaffen Theorie und Praxis noch stark
auseinander. Da wird von der Volkspartei einerseits das Auslaufen der Frühpensionen
ab 2004 gefordert, aber andererseits schickt der Staat als Eigentümer
bei Post, Bahn und Telekom über Fünfzigjährige in die Frühpension.
Mehr Realitätssinn zeigen die Sozialpartner, die den Starttermin etwas
hinausschieben wollen: Ab dem Jahr 2006 werden nämlich auf Grund der
demographischen Entwicklung wieder Arbeitskräfte fehlen. Mit einer Mini-Entlastung der Betriebe von
Lohnnebenkosten als Ansporn zur Einstellung bzw. Weiterbeschäftigung älterer
Kräfte wird es jedenfalls nicht getan sein. Da braucht es schon ein
Gesamtkonzept aus innerbetrieblichen Maßnahmen (Jobwechsel,
Teilzeitmodelle, Weiterbildung) und geeigneten überbetrieblichen
Rahmenbedingungen. Gefragt sind Kreativität und Flexibilität. |
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Die Presse vom : |
13.02.2003 |