VP-Programm: Einsparungen von 11,5 Mrd. Euro bis 2010
"Land der Chancen" nennt sich die von der Volkspartei erarbeitete "wirtschaftspolitische Agenda 2010".

 

WIEN. Die ÖVP hat ein umfangreiches, 117seitiges Reformprogramm erarbeitet, das bisher unter Verschluß war. Kernpunkt ist eine umfangreiche Entlastung mit der bereits bekannten Absenkung der Abgabenquote von derzeit rund 45 Prozent auf unter 40 Prozent bis 2010.
Bei einem unterstellten Wirtschaftswachstum von durchschnittlich vier Prozent nominell jährlich müssen die Ausgaben um 11,5 Mrd. Euro zurückgefahren werden, um weiterhin einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Der Finanzsprecher der Partei, Günter Stummvoll, hält den Fahrplan für ambitioniert und gesteht ein, daß die zugrunde gelegten Konjunkturannahmen "nicht gerade pessimistisch" seien. Stummvoll hat den Arbeitskreis "Entlastung" des mit "Land der Chancen" titulierten Wirtschaftsprogramms geleitet, zwei weitere Gruppen beschäftigten sich mit den Gebieten Arbeit und Wirtschaft.
Anders als bei den im Wahlkampf getätigten Aussagen werden auch die Sparpotentiale skizziert und beziffert

[*] Familienförderung: Wegen der demographischen Entwicklung (geringe Geburtenrate) ist davon auszugehen, daß die Ausgaben in diesem Bereich langsamer steigen als das BIP. Zudem wird die Erhöhung der Treffsicherheit durch eine soziale Staffelung vorgeschlagen, um rasch die Familienförderung um einen Viertel-Prozentpunkt des BIP oder knapp 500 Mill. Euro zu kürzen.

[*] Pensionen: Hier wird auf die eingesetzte Reformkommission verwiesen. Als "entscheidend" wird in dem Papier die Freigabe des Pensionsantrittsalters bei gleichzeitiger Gestaltung einer versicherungsmathematisch fairen Berechnung der Pensionshöhe bezeichnet. Auch das Ehegatten-Splitting, bei dem ein Teil des Rentenbeitrags auf das Konto des Partners überwiesen wird, soll verfolgt werden. Die Reform soll die Pensionsausgaben im Verhältnis zum BIP stabilisieren. Parallel dazu werden Einsparungen bei der Invaliditätsrente um einen halben BIP-Prozentpunkt vorgeschlagen.

[*] Arbeitslosenversicherung: Neben Verbesserungen infolge der demographischen Entwicklung sollen die Einbindung privater Arbeitsvermittler und eine Lockerung der Zumutbarkeitsregeln die Kosten senken.
[*] Gesundheit: Die verstärkte Inanspruchnahme medizinischer Einrichtungen außerhalb der Spitäler und die Stärkung der Präventivmedizin sollen dazu beitragen, die Gesundheitskosten relativ zu stabilisieren.
[*] Im Bildungswesen tritt die ÖVP für Effizienzsteigerungen ein.
[*] Der Schuldendienst verringert sich u. a. durch Privatisierungen, die 6,5 Prozent des BIP ausmachen sollen (allerdings großteils nicht auf Bundesebene). Die Schuldenquote soll bis 2010 auf 40 Prozent senken.
[*] Verwaltung: Dieser Bereich soll mit einer Rückführung der Ausgabenquote um 2,5 Prozentpunkte den größten Beitrag zur Konsolidierung leisten. Neben der Durchforstung der öffentlichen Aufgaben sollen Agenden an Private abgegeben werden. Allein im kommunalen Bereich sieht die Partei bei Müllabfuhr, Gartengestaltung, Nahverkehr usw. ein Einsparungspotential von einem Prozentpunkt des BIP. Dazu wird eine Verkürzung der Instanzenzüge auf der Ebene der Bezirkshauptmannschaften ventiliert. Auch bei der Wohnbauförderung soll gespart werden. Eine Reform des Dienstrechts soll u. a. die Reduktion der Pragmatisierung auf Kernbereiche der Verwaltung wie Polizei und Justiz bringen, wobei dieser Nukleus mit einem Viertel ein Viertel des öffentlichen Dienstes angeben wird.

Aus : Die Presse vom 5.12.2002