Budget-Defizit höher als von Finanzminister erwartet

Wifo-Chef Helmut Kramer über den zweifelhaften Sinn nationaler Konjunkturbelebungs-Programme,

den Handlungsbedarfs Europas

und die Probleme des heimischen Finanzministers.

.In : Die Presse v. 6.11.2002

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Österreichs Budgetdefizit wird heuer angesichts der hartnäckigen Wirtschaftsflaute kräftiger ausfallen als erwartet. Davon geht jedenfalls Helmut Kramer, der Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo), aus. Das Defizit (Bund, Länder und Gemeinden) wird seiner Schätzung nach heuer nicht wie vom Finanzministerium zuletzt angenommen bei 1,3 Prozent, sondern zwischen 1,5 und zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Das sei vor allem auf die "heftig enttäuschenden" Steuereinnahmen zurückzuführen, sagte Kramer am Montag vor Journalisten.

Deutlich unter den Erwartungen blieben seit Jahresbeginn in erster Linie die Einnahmen aus Ertrags- und Umsatzsteuer. Zu den Mindereinnahmen kämen noch die im Zuge der Konjunkturflaute leicht höher erwarteten Ausgaben hinzu. Dabei konzediert Kramer der Bundesregierung verhaltenes Lob: Während der Schwerpunkt der Anstrengungen zur Budgetsanierung im Vorjahr deutlich auf der Einnahmenseite gelegen sei, habe sich der Fokus heuer mehr auf die Ausgabenseite verlagert. Viele Maßnahmen gingen in die richtige Richtung, aber dennoch nicht weit genug, meint Kramer.

VP-Staatssekretär Alfred Finz kann die Defizit-Prognose Kramers nicht nachvollziehen: Der von der Regierung erwartete Abgang in Höhe von 1,3 Prozent werde halten, so Finz in einer ersten Reaktion.

Das zentrale konjunkturelle Problem Europas ortet der Wifo-Chef derzeit in der eklatanten Nachfrage-Schwäche. Diese sei auch durch nationale Alleingänge nicht zu beheben. Wenn nun etwa der Finanzminister Geld in die Hand nähme und es unter die Leute streue, so würde dies laut Kramer kaum die erwartete Konjunkturbelebung bringen, sondern verpuffen. Steuererleichterungen würden zu großen Teilen nicht in den Konsum, sondern auf Sparkonten gehen oder jenseits der Grenzen ausgegeben.

Zudem würde mit Alleingängen jenes Pulver verschossen, das für künftige, "echte" Steuerreformen gebrauchte werde. Darunter versteht Kramer eine nachhaltige Absenkung der allgemeinen Steuerlast, nicht nur Umschichtungen innerhalb der Gruppe der Steuerpflichtigen.

Als die schwarz-blaue Regierung im Sommer dem Rat der "Einflüsterer" - Helmut Frisch (Staatsschuldenausschuß), Bernhard Felderer (IHS) und Kramer - gefolgt sei und auf die angekündigte Steuersenkung verzichtet habe, hätte er, Kramer, nicht damit gerechnet, daß die Regierung gleich an dieser Frage zerbrechen würde. Er habe vielmehr ein kleines Entlastungspaket in Höhe von 400 Mill. Euro erwartet. Damit hätte der politische Druck gemildert werden können, zudem wäre eine bescheidene Entlastung auch vertretbar gewesen, insbesondere für niedrigere Einkommen.

Insgesamt sieht Kramer den Spielraum zur raschen Belebung der Konjunktur als äußerst eng an - auch aus europäischer Sicht. So plädiert Kramer zwar für ein koordiniertes Vorgehen auf EU-Ebene, gleichzeitig scheint er aber ob des Fehlens einer gemeinsamen europäischen Wirtschaftspolitik nicht so recht an den Erfolg glauben zu wollen.

Einzig wirklich greifbarer konjunktureller Rettungsring bleibt aus Sicht Kramers der Ausbau der Transeuropäischen Netze (Verkehr, Eisenbahn, Stromleitungen). Aber auch hier würde der konjunkturelle Effekt bescheiden ausfallen: Die Wirtschaftsleistung in Europa sei durch das Vorziehen der ohnehin notwendigen Investitionen höchstens im Zehntelprozent-Bereich nach oben zu treiben.

06.11.2002 Quelle: Print-Presse