Steuerreform als politisches Marketing klingt gut. Dies hieße aber eine
Änderung des Steuersystems. Doch davon ist in der gegenwärtigen
Diskussion ohnehin nicht die Rede. Wohl sollte es aber als Wahlzuckerl
eine Senkung der Einkommens- und Lohnsteuer geben, vornehmlich für den
"kleinen Mann". Doch die Einkommensschwächsten zahlen keine
bzw. kaum Steuer, sie würden weitgehend leer ausgehen. Aber, welchen
Populisten welchen Lagers immer kümmert dies?
Die
meisten Steuerbürger wissen allerdings inzwischen, daß solchen
wahlbezogenen Erleichterungen in der Regel höhere Belastungen folgen.
Inzwischen erreichen wir auf diese Weise eine
Rekordsteuerbelastungsquote von 46 Prozent. Trotz der hohen Steuerlast
steigt die Verschuldung, insbesondere beim Bund munter weiter, und die
Zinsen fressen einen immer größeren Teil der Einnahmen auf.
Die
Situation wird noch durch die Hochwasser-Katastrophe verschärft. Es ist
verständlich, daß das besonders betroffene Deutschland die schon
beschlossene Steuersenkung um ein Jahr verschiebt. Mit gutem Recht darf
auch EU-Solidarität eingefordert werden. Erleichtert kann auch unsere
Regierung einen Beschluß zur Steuersenkung verschieben. Damit ist auch
eines der Streitthemen innerhalb der Regierung zunächst vom Tisch.
Die
Reduktion der Abfangjäger-Zahl ist in erster Linie als eine Replik auf
das Volksbegehren zu werten. Der Argumentation der Regierung nach stellt
sich aber sehr wohl die Frage, ab welchem Pegelstand kein einziger Jet
mehr angeschafft werden würde.
Schließlich
dient die Flut der Regierung auch dazu, sich vom ohnehin nicht
verwirklichten Marketing-Gag des Nulldefizits verabschieden zu können.
Insgesamt sind viele Teile eines zunehmend unerträglichen
wirtschaftspolitischen Zick-Zack-Kurses der Regierung von der schlimmen
Flut gnädig hinweggespült worden. Unsere finanzpolitischen Probleme
sind aber um nichts geringer geworden.
Jeder
vernünftige Mensch sieht ein, daß staatliche Ausgaben finanziert
werden müssen und daher Steuern notwendig sind. Wie hoch diese sein
sollen und welche öffentlichen Leistungen erbracht werden müssen, darüber
läßt sich sicherlich streiten. Zu hohe Steuern hemmen die
Leistungsbereitschaft der Bürger, zu geringe vernachlässigen die öffentlichen
Aufgaben. Overtaxation ist leistungshemmend, undertaxation zukunftsschädlich.
Dazwischen liegt allerdings ein beträchtlicher Gestaltungsspielraum.
Voll
hoffnungsvoller Freude hören wir, daß die Steuerbelastungsquote bis
2010 um mehr als 6 Prozent unter 40 % gesenkt werden soll. Dies
entspricht einem Fünftel aller Sozialausgaben bzw. entsprechend
geringeren Ausgaben für den öffentlichen Dienst. Die Umsetzung dieser
Zielsetzung erfordert daher eine massive Änderung der Ausgabenstruktur
und des Ausgabenvolumens der öffentlichen Haushalte.
Wir
werden uns also entscheiden müssen, welche öffentlichen Leistungen wir
wollen, und welche Eigenleistungen von uns selbst zu erbringen sind.
Dabei muß außer Streit stehen, daß unser vorbildliches
Gesundheitswesen, ein gutes Bildungswesen und die Pensionsversicherung
nicht unter die Räder kommen. Ebenso muß unser wirtschaftspolitischer
Spielraum gewahrt oder, besser gesagt, wiederhergestellt werden. Dies
erfordert politische Prioritätensetzung. Dazu bedarf es Leadership. Es
gilt, alternative Programme anzubieten. Über diese müssen die WählerInnen
entscheiden.
Dieser
Kommentar drückt die persönliche Meinung des Autors aus.