Steuerreformen

bringen kräftige Konjunkturimpulse

nur dann, wenn sie beherzt durchgeführt werden.

Es war im Sommer des Jahres 1981, als US-Präsident Ronald Reagan den großen Paukenschlag setzte: Die größte Steuersenkung der Geschichte bescherte Privatleuten und Unternehmen auf einen Schlag eine spürbare Erweiterung des finanziellen Spielraums - und dem US-Budget das höchste Defizit aller Zeiten.
Aber sie legte auch den Grundstein für den längsten Wirtschaftsboom der US-Geschichte, von dem Reagans Nachfolger Bill Clinton noch zwei Amtsperioden lang profitierte und an dessen Ende vor zwei Jahren - selbst wenn man die Effekte der unterdessen geplatzten High Tech Blase an den Börsen abzieht - ein spürbar gestiegenes Wohlstandsniveau in den USA und, ganz nebenbei, ein kräftiger Überschuß im Budget standen.

Ein schlagender Beweis für die wirtschaftsbelebende Wirkung von Steuersenkungen, der wohl auch bei der unterdessen vom Hochwasser weggespülten heimischen Steuerkorrektur 2003 Pate gestanden war.
Allerdings: An das Reagan-Konzept glaubt derzeit offenbar nur noch SP-Chef Gusenbauer, die Regierung hat sich von ihren eigenen Steuerplänen mit dem Hinweis, daß es nach der Hochwasserkatastrophe andere Prioritäten gebe, zumindest für 2003 verabschiedet. Das ist aus den Zahlen zwar nicht ganz nachvollziehbar, denn die Hochwasserhilfe des Bundes macht derzeit "nur" 650 Millionen Euro aus, während für die (freilich schon vor dem Hochwasser de facto abgesagte) Steuerreform gut zwei Milliarden vorgesehen waren.

Aber ein Blick auf die Historie österreichischer Steuerkorrekturen zeigt, daß die Gleichung "Steuerreform ist gleich Konjunkturimpuls ist gleich Erhöhung der Staatseinnahmen" hierzulande nicht wirklich funktioniert. Offenbar geht das Konzept nur dann auf, wenn es nach Muster des Reagan-Paukenschlags zu einer wirklich dramatischen Absenkung der Steuerbelastung kommt. Und selbst das funktioniert nur mit entsprechender Zeitverzögerung.

Solche nachhaltigen Steuersenkungen hat es in Österreich aber seit Jahrzehnten nicht gegeben. Die sogenannte Steuer- und Abgabenquote (sie mißt den Anteil der Steuern und Abgaben am Bruttoinlandsprodukt) ist seit den siebziger Jahren (mit kleinen, zeitlich begrenzten Zacken nach unten) kontinuierlich auf den zuletzt erreichten Rekordwert von mehr als 47 Prozent (nach EU-Berechnung) gestiegen.

Die sogenannten Steuerreformen waren also immer nur kleine Korrekturen der sogenannten "kalten Progression", die die Steuerbelastung anhebt, weil bei gleichbleibenden Steuersätzen immer mehr Menschen durch die Inflation in Steuerstufen hineinrutschen, die für ihr reales Einkommensniveau eigentlich nicht gedacht waren. Auch die geplante Steuerreform 2003 wäre ja keine echte Reform gewesen, sondern nur eine Anpassung, die rund die Hälfte jener Mehrbelastung weggenommen hätte, die seit dem Amtsantritt der jetzigen Regierung dazugekommen war.


Der fragwürdige Konjunkturimpuls durch eine Mini-Reform war wohl auch der Hauptgrund dafür, daß jetzt auch beide heimischen Wirtschaftsforschungsinstitute die Verschiebung der Reform zugunsten der Hochwasserhilfe gutheißen. Aus der nüchternen Sicht des Wirtschaftsforschers sieht die Rechnung schlicht so aus: Direktzahlungen an Geschädigte gehen direkt in den Konsum (in Baumärkte, an Baufirmen etc.) und beleben damit die Wirtschaft. Bei einer allgemeinen Steuersenkung ist der Effekt dagegen nur bei niedrigen Einkommen (die allerdings ohnehin nur gering belastet sind) sicher. Bei höheren Einkommen steigt in der Regel nur die Sparquote. Ein in konjunkturschwachen Zeiten unerwünschter Effekt.

Allerdings: Auch wenn der konjunkturelle Effekt von Mini-Steuersenkungen umstritten ist, halten Konjunkturexperten eine Rückführung der Steuerquote für unabdingbar. 47 Prozent Steuerquote bedeuten, daß die öffentliche Hand fast die Hälfte des erarbeiteten Produktionswertes einstreift. Und daß der Staat beim Geldausgeben ineffizienter vorgeht als Private, gilt unterdessen als unbestritten.

Derzeit ist in Österreich die Steuerbelastung der Bürger ebenso zu hoch wie die Abgabenbelastung der Unternehmen. Mit dem Effekt, daß "offizielle" Arbeit unverhältnismäßig teuer ist. Ein Automechaniker muß etwa rund acht Stunden lang arbeiten, um sich eine Automechanikerstunde in einer Werkstätte leisten zu können. Das treibt den "Pfusch" und entzieht dem Finanzminister so Einnahmen. Ein wirklich beherzter Schnitt in die Steuerquote könnte sich auf Umwegen und mit Verzögerung also durchaus auszahlen.

22.08.2002 Quelle: Print-Presse    VON JOSEF URSCHITZ