Ch.
SITTE: Entwicklung des Unterrichtsgegenstandes Geographie, Erdkunde,
Geographie u. Wirtschaftskunde an allgemeinbildenden Schulen in Österreich nach
1945. Dissertation an der Grund- u. Integrativwissenschaftlichen Fakultät der
Universität Wien. 1989, 2 Bde
zum
Inhaltsverzeichnis hier
.
Kap.1:
AUFBRUCH
UND KONTINUITÄT
________________________________________________________________
1.1. DER
ORGANISATORISCHE BEGINN DER SCHULE IN DER ZWEITEN REPUBLIK ÖSTERREICH
Nach der
Befreiung und Wiedererrichtung der Republik Österreich, griff man für die
„provisorischen Lehrpläne 1945/46“ auf die Schulgesetzgebung der Reform
1927 zurück. In der Folge soll gezeigt werden, wie im Schulfach
„Geographie“ bzw. “Erdkunde“ ältere fachdidaktische Traditionen
wiederaufgenommen worden sind.
Für unser Fach
bedeutender als dieser Neuanfang waren aber die Veränderungen infolge der
Schulgesetzreform 1962, ab der das Schulfach einheitlich für (fast) alle
Schultypen in „Geographie und Wirtschaftskunde“ umbenannt worden ist. Das
grundsätzliche fachdidaktische Paradigma hatte sich trotz dieses
richtungsangebenden Wunsches des Gesetzgebers nicht wesentlich verändert.
Der eigentliche
Umbruch erfolgte erst in einer dritten Phase. Sie beginnt zunächst in den
Schulversuchen der siebziger Jahre. Grundsätzlich veränderte sich die
fachdidaktische Sicht erst mit den 10-14jhrigen Lehrplänen 1985.
Das Verfassungsüberleitungsgesetz
vom 1.Mai 1945 führte das Bundes-Verfassungsgesetz 1920 in der Fassung von 1929
wieder ein. Das Rechtsüberleitungsgesetz hob alle Bestimmungen auf, die dem
Geist der Demokratie und einem unabhängigen Österreich entgegenstanden oder
typisches Gedankengut des Nationalsozialismus enthielten.
Die Überleitung des Schulbetriebs ging häufig von der Praxis aus, auch
wenn die entsprechenden rechtlichen Grundlagen noch nicht vorhanden waren
(M.NEUGEBAUER:1972, S.323).
In einem Erlaß
vom 3.September 1945 regelte das damalige Staatsamt für Volksaufklärung,
Unterricht und Erziehung die allgemeinen Richtlinien für die Erziehung und den
Unterricht an den Österreichischen Schulen (ve5rlautbart im VdgBl. des
Stadtschulrates für Wien 1. Nov. 1945). Festgelegt wurden Stundentafeln
in denen „Geographie“ (Mittelschule) bzw „Erdkunde“ (Hauptschule) mit je
2 Wochenstunden in allen Klassen vertreten war.
Interessant
ist, daß darin für die Schulfächer „Unterrichtssprache“ moderne
Fremdsprache, den Geschichtsunterricht, Biologie, Philosophischen Einführungsunterricht
und die körperliche Erziehung sozusagen
Entnazifizierungsbestimmungen für die nun andere
Unterrichtserteilung enthalten sind - für Geographie bzw.
Erdkunde fehlen solche !
Die 1946
erlassenen „PROVISORISCHEN LEHRPLÄNE“, so regelte ein weiterer Erlaß (Erl.
Nr. 56, S. 123, in VdgBl. d. BMfUnterricht v. 21. Juli 1948) ,gingen auf die Grundgedanken des Mittelschulgesetzes und Hauptschulgesetzes
von 1927 sowie auf die einschlägigen Durchführungsverordnungen vom Jahre 1928
zurück. (was das konkret für das Schulfach Geographie bzw. Erdkunde bedeutete
wird weiter unten ausgeführt).
Und weiter hieß
es : die provisorischen
Lehrpläne stellen Lehrpläne mit teilweise maximalen Forderungen dar ...
Innerhalb des Rahmens wird es dem Lehrer nicht nur anheimgestellt,
sondern vielmehr zu ihrer Obliegenheit gemacht, einen Mindestlehrplan zu
gestalten. Er wird eine Auswahl treffen müssen.
Zu diesen (bis auf den Lateinunterricht ab der 3.Klasse
Gymnasium,Realgymnasium und Mädchenrealgymnasium) Lehrplänen mit weitgehend
aneinander angepaßten Stundentafeln in Mittel- und
Hauptschule - 1.Klassenzug (eine
wichtige Neuerung zu 1928 war der verbindliche Unterricht in einer lebendigen
Fremdsprache schon ab der 1.Klasse),forderte der Unterrichtsminister F.HURDES
die Lehrkörper und Schulaufsichtsbehörden auf,
die aufgrund der praktischen Erprobung gewonnenen Verbesserungsvorschläge
dem Bundesministerium für Unterricht vorzulegen (H.SCHNELL: 1982, S.209).
Die Erlässe
kamen einerseits vom Ministerium in Wien, die Initiative beim
Wiederaufbau des Schulwesens lag aber zunächst weitgehend bei
den Ländern, die zu eigenen Entscheidungen drängten
(H.SCHNELL:1974,S.29f). Die 1946 veröffentlichten Lehrpläne für die
10-14jährigen stießen bald auf heftigen Widerstand. Vor allem die
westlichen Bundesländer (z.B. Amtsblatt f.d. Unterrichtswesen in Tirol 11.
Sept. 1946 - wo rückwirkend als Abweichung vom LP 1928 nur ein Klassenzug in
der Hauptschule und Französisch als erste lebende Fremdsprache eingeführt
wurde) stützten sich dabei mehr auf die Lehrpläne
1935 als auf die von 1928 und hielten an der im Jahre 1934
wieder rückentwickelten einzügigen Hauptschule fest (P.SEIDL:1978,S.399).
Aus der Schulstatistik für das Jahr 1953/54 geht noch
hervor, daß es nur in Wien, Niederösterreich, Steiermark und Kärnten
zweizügig geführte Hauptschulen gab. Noch
zu Beginn
der 60er Jahre
gab es in Oberösterreich und
Salzburg harte Auseinandersetzungen
über die Einführung der zweizügigen Hauptschule (H.SCHNELL:1982,S.211).
Ein großer Teil der Landkinder besuchte
dort die
Volksschuloberstufen (1947 dort im österreichischen Durchschnitt 56
von Hundert, gegenüber 34 % in der Hauptschule). 1956 war das
Verhältnis bereits umgekehrt : 56 % Hauptschüler
mit regionalen
Werten in der VS-Oberstufe die zwischen 54% in Tirol,
41% in Salzburg, 39% in
Oberösterreich bis zum Wert 0 % in Wien lagen - nach L. LANG 1962)
Diese Spannungen zwischen Ost- und Westösterreich sind auch
in den 40er
Jahren bei Büchern für den Geographieunterricht feststellbar. Das
erste in der Zweiten Republik herausgekommene Lehrbuch ist
1945 von H. BRAUN bei
Tyrolia in Innsbruck herausgebracht worden
(siehe Schulbuchbibliographie im Anhang). Es umfaßte zwei Bände ( I.Teil:
Unterstufe
f.d.1.-3.Klasse. II.Teil: Oberstufe, 4.,5.,6.
Klasse).
Anmerkung: Braun, Lehramtsprüfung
1933, Dienstantritt 1938 (!) - aber pragmatisiert schon wieder 1947 an der
Bundesgewerbeschule, später 1958 am 2.BRG Innsbruck. In seinem Lehrbuch (Bd.
II, S. 159) beim Kapitel "Rassen" und ihre
Eigenschaften:"...geistige Anlagen sind in ihrer Vererbung wohl nicht zu
leugnen."
In einem Artikel von
V. FADRUS (1946:S.9), pädagogischer Teil des
Verordnungsblattes wird berichtet, daß sich die Bundesländer Tirol und
Vorarlberg gegen ein einheitliches Schulbuchwerk
für alle
Schulen in österreich ausgesprochen haben.
Umgekehrt ist
aus
Bewirtschaftungsgründen wieder ein Schulbuchverlegerkartell der Verlage
F. Deuticke - Ed. Hölzel - Hölder-Pichler-Tempsky
aus Wien und Leykam
aus Graz gebildet worden (V.FADRUS:1948, 222 und K. BIAK: 1988). Ein solches gab
es auch schon 1939, als die Verlage Deuticke-Deutscher Verlag Jugend & Volk
- Ed. Hölzel für die Ostmark die Erdkundebücher "Heimat und Welt"
(Verl. Teubner) und "E.v. Seydlitz'sche Erdkunde" (von Hirtverlag)
druckten und herausbrachten. Dort wurde dann 1948ff auch die Erdkundebücher für Haupt- und
Mittelschulen von FUCHS-KELLNER-SLANAR
(für die Unterstufe) bzw.
KLIMPT-SLANAR (Oberstufe) herausgebracht
(mehr darüber im Abschnitt „Kontinuit“t“
in diesem Kapitel weiter unten).
Umgekehrt entstanden aus
A. EBNER's „Geographie - Lernheft
der
Maturaschule Salzburg“ (hg.Österr.Kulturvereinigung Salzburg)
die
Lehrbuchreihe „Wirtschaftsgeographie“
für kaufmännische Schulen ab 1950
beim Universitätsverl. Ibk. u. Sbg. Jugendverlag (Anton Ebners - später LSI in
Salzburg - Bücher hatten an den kaufmännischen Schulen noch bis 1978 das vom
Kartell unbehelligte Monopol !
Die in der Folge ergebnislosen Gespräche in der Großen
Koalition über
eine endgültige Organisationsstruktur
des Österreichischen
Schulwesens 1948 bis 1954, ließen die „Provisorischen Lehrpläne“
zu einer Dauereinrichtung werden. Die
1955 unter BM
DRIMMEL
eingerichtete „Ständige Pädagogische Konferenz“ war als
neue
Gesprächsplattform vor allem aus dem Unwohlsein über die
stoffliche Überfüllung
der Lehrpläne entstanden (In ihren insgesamt 4 Tagungen fielen aber, was die
Belange des Schulfaches Erdkunde bzw. Geographie betraf keine
Tagesordnungspunkte an - vgl. bei BURGSTALLER / LEITNER : 1987, S. 31). In
den einführenden
Bemerkungen zu der „Neuverlautbarung der Provisorischen Lehrpläne
1955“ (In: VERORDNUNGSBLATT f.d. Dienstbereich d. BMf.Unterricht, Stück
10a, 15. Oktober 1955, Erlaß Nr. 87) wird dieser Appell zum Abbau der gewaltigen
Überlastung
wiederholt, man wollte aber vor einer grundsätzlichen Neuregelung
des Schulwesens keine Detailänderungen anbringen.
Diese wurde
erst durch das SCHULORGANISATIONSGESETZ 1962 und den
in den
folgenden Jahren neu herauskommenden Lehrplänen geleistet (SCHOG 62 in BGBl.
Nr. 242 vom 25. 7. 1962) - vgl. Kap. 3 in dieser Dissertation !.
.
1.2.
DIE KONTINUITÄT DER LEHRPLÄNE 1928-1935-1946(1955)
1.2.1.
Im Bereich der 10-14jährigen
Ein beträchtlicher Anteil der 10-14jährigen besuchte nur die
VOLKSSCHULOBERSTUFEN.
Dort gingen die Lehrpläne noch auf die Zeit
nach dem Ersten
Weltkrieg zurück. Die pädagogische Weiterentwicklung und die
Zeitereignisse forderten förmlich eine Lehrplanrevision.
Das Bundesministerium für Unterricht ersuchte um Stellungnahmen zu einer
Lehrplanreform (H.WALLENTIN: 1979,
S.207), die
jedoch
letztlich bis in die 60er Jahre hin aufgeschoben wurde.
Die ja in einen
grundsätzlichen Bewahren der dreifachen Bildungwswege bleibende,
von den Bundesländervertretern getragene Landschulreform
(vergl.L.LANG:1962 oder G.SCHMIDBERGER:1977) brachte
zwar eine
Unzahl pädagogischer Maßnahmen, blieb aber auf die
Lehrpläne
bezogen bis nach dem SCHOG unwesentlich. Man arbeitete
weiter mit dem
Volksschullehrplan 1930, die eine
mittlere Linie
zwischen dem
Reformlehrplan 1920 und den Lehrplänen aus der Zeit
vor dem Ersten
Weltkrieg darstellten (H.WALLENTIN:1979, S.147ff). H. WALLENTIN behandelt in seiner Arbeit die für die
verschiedenen Typen des
„weniggegliederten Schulwesens“, die vom Heimatland ausgehend,
einen kurzen länder- und völkerkundlichen WeltÜberblick (in
viel geringerem Maß aber als in der Hauptschule) im Unterricht an
den Volksschuloberstufen anstrebten.
Wesentlicher für die weitere Entwicklung waren die, wie 1928
und
sogar 1935 (!) wortidenten Erdkundelehrpläne
der
HAUPTSCHULE und
UNTERSTUFE DER MITTELSCHULEN (nur in HS hieß das
Fach
„Erdkunde“, in MS „Geographie“ - wobei dann aber bei letzteren in den „Bemerkungen“
wieder von „Erdkunde“ die Rede ist !) , in der Fassung als „Provisorische
Lehrpläne 1946“ (Verordn.d.BMfU, v.18.Okt.1946,
Zl.28.520-IV/12/Sch
- gedruckt beim ÖBV = Österr. Bundesverlag, Wien 1946) - zunächst nur
gedacht
für das Schuljahr 1946/47, stand doch auf der ersten
Seite „ das
BMfU ... fordert die Lehrkörper der einzelnen Schulen
sowie die
Schulaufsichtsbehörden auf, bis zum Ende des Schuljahres 1947/48
die auf Grund der praktischen Erprobung gewonnenen Verbesserungsvorschläge
dem Bundesministerium für Unterricht vorzulegen“; - ein
Provisorium, das bis zum Schulgesetzwerk 1962 dann
fortbestand.
Ein Vergleich Geographie/Erdkunde 1928
- 1935 - 1946
< bzw. nach
den kleinen Retuschen infolge der „Neuverlautbarung
1955 >auf der Basis der Lehrplantexte zeigt folgende Verschiebungen
(vollständige LP-Texte im Dokumentenanhang am Ende dieser
Arbeit):
LP
HS in BGBl. 137 /1928 (u.VOLKSERZIEHUNG = VdgBl. d. BMfU - 45 v. 15. Juni
1928) bzw. LP Mittelschulen (=Gymnasien, seit 1962 AHS) in BGBl. 138 /1928 (
VOLKSERZIEHUNG 46/ 15. Juni 1928)
LP
HS in BGBl. 237 v. 21. Juni 1935; LP MS BGBl. 285 v. 11. 7. 1935
Neuverlautbarung
der provisorischen Lehrpläne für Mittelschulen in VERORDNUNGSBLATT 87 v. 15.
Okt. 1955
1928 (*) auf
1935 (**) zu 1946 (***) <u.1955> veränderten sich
LEHRZIEL:
* Kenntnis Österreichs
und der übrigen deutschen Siedlungsgebiete in Europa in erdkundlicher Sicht. übersichtliche
Kenntnis des außerdeutschen Europa und der außereuropäischen Erdteile ...
** Eingehende
Kenntnis Österreichs und seiner erdkundlichen Beziehungen zu den Ländern im mitteleuropäischen Raum. Kenntnis
Europas und Übersicht über die anderen Erdteile ...
*** Kenntnis Österreichs
und der Nachbarländer in erdkundlicher Sicht. Übersichtliche Kenntnisse des übrigen Europa und der
außereuropäischen Erdteile ...
.
STOFF
1.Kl.
(wöchentlich
2 Stunden):
* ... Republik
Österreich ...
** ...
Bundesstaat Österreich ...
*** ...
Republik Österreich ... <...engeren Heimat und des gesamten Bundesgebiets ..., Ausdruck „erdkundlich“ durch
„geographisch“ ersetzt >
* Anschließend
an diesen Lehrstoff Festigung und Vermehrung ...
** In
Verbindung mit diesem Lehrstoff und auf Grund planmäßig angeordneter Lehrausgänge Erwerbung der wichtigsten ...
*** Anschließend
an diesen Lehrstoff Festigung und Vermehrung...
* ... mit übersichtlicher
Besprechung der Staaten und ihrer bedeutendsten Städte; Verteilung der großen Menschenrassen...
** ... mit übersichtlicher
Einordnung der Staaten und ihrer großen Städte in die Großräume der Erde; Verteilung der großen
Menschenrassen...
*** ... mit übersichtlicher
Besprechung der Staaten und ihrer bedeutendsten Städte; Verteilung der großen Menschenrassen...
.
STOFF
2.Kl. (wöchentlich
2 Stunden):
* Länder und
Völkerkunde von Asien, Afrika und Südeuropa mit besonderer Rücksicht auf die Mittelmeerländer. ...
** Länder und
Völkerkunde von Südeuropa unter besonderer Rücksicht auf die wirtschaftlichen und kulturellen
Beziehungen zu Österreich. Asien und Afrika. ...
(+ neu: Vermehrung und Vertiefung erdkundlicher Grundbegriffe.
... Vermehrung der heimatkundlichen Kenntnisse anzustreben ...
... Fortsetzung der Übung im Zeichnen von Kartenskizzen und
Profilen.)
***
Länderkunde von Asien, Afrika und Südeuropa, die Pyrenäen-,
Apenninen- und Balkanhalbinsel mit besonderer Rücksicht auf die Mittelmeerländer. ...
.
1928 (*) auf
1935 (**) zu 1946 (***) <u.1955> veränderten sich
STOFF 3.Kl.
(wöchentlich
2 Stunden) :
* Länder und
Völkerkunde Europas, soweit sie in der 2.Kl.noch nicht behandelt wurde, jedoch mit Ausnahme von Österreich und dem Deutschen Reich; ferner Länder und Völkerkunde von Amerika, Australien, Ozeanien und den Polargebieten. ...
** Länder und
Völkerkunde Europas, soweit sie in der 2.Kl.noch nicht behandelt wurde, jedoch mit Ausnahme Österreichs, der
Schweiz, des Deutschen Reiches, der Tschechoslowakei und Ungarns; auf allfällige wirtschaftliche und kulturelle
Beziehungen der zu behandelnden Länder zu Österreich ist Rücksicht zu nehmen. Amerika, Australien, Ozeanien und die
Polargebiete. Vermehrung und Vertiefung der erdkundlichen Grundbegriffe. ...
***
Länderkunde Europas (mit Wiederholung <1955:Berücksichtigung> des asiatischen Teils der Union der Sozialistischen
Sowjetrepubliken), jedoch mit Ausnahme von Südosteuropa, Österreich und seiner Nachbarländer; ferner Länderkunde Amerikas,
Australiens, Ozeaniens und der Polargebiete. ...
STOFF 4.Kl.
(wöchentlich
2 Stunden):
* Eingehende
Länderkunde Österreichs und des Deutschen Reiches mit besonderer Berücksichtigung des Wirtschaftslebens.
Das Auslandsdeutschtum. Überblick über die Erdteile und die Weltmeere sowie über die
Völker und Staaten der Erde. Die Aufteilung der Erde unter die Weltmächte; die Stellung
Österreichs und des Deutschen Reiches im Weltverkehr und in der Weltwirtschaft. ...
**
Länderkunde der Schweiz, des Deutschen Reiches, der Tschechoslowakei und Ungarn.
Eingehende Länderkunde Österreichs nach Landschaftseinheiten mit besonderer Berücksichtigung des Wirtschaftslebens und der
durch Natur und Geschichte bedingten Entwicklung der Länder und des Bundesstaates. Die wirtschaftlichen und kulturellen
Beziehungen Österreichs zu seinen Nachbarstaaten, auch in Hinblick auf den Fremdenverkehr.
Übersicht über die von Deutschen besiedelten Gebiete in
Europa und in den übrigen Erdteilen. Die Aufteilung der Erde unter die Weltmächte. Die Stellung Österreichs im Verkehr und der Wirtschaft Europas. Weltverkehr und Weltwirtschaft in ihrer Wirkung auf Österreich. ...
Wanderungen und Lehrausgänge zur Vermehrung der Kenntnis von
Heimat und Vaterland.
*** Eingehende
Länderkunde Österreichs mit besonderer Berücksichtigung des Wirtschaftslebens. <1955: übersichtliche>)
Länderkunde der <jener> Nachbarstaaten, soweit <die> in der
zweiten Klasse nicht behandelt wurden. Überblick über die Erdteile und die Weltmeere. Der Anteil der
Weltmächte an der Erde; Stellung Österreichs im Weltverkehr
und in der Weltwirtschaft. ...
BEMERKUNGEN
(heute würde man schreiben „Didaktische Grundsätze“)
Hier erfolgte 1935 (gegenüber 1928) eine stärkere
Hervorhebung des Österreichbezugs
:“... in der 4.Klasse ist der Behandlung Österreichs
mindestens die Hälfte der zur Verfügung stehenden
Unterrichtszeit zu widmen ... Österreichs hervorragende Stellung in der
Kartographie würdigen ... Lehrwanderungen in den Gang des
heimatkundlichen Unterricht planmäßig einzubauen ...
Ähnlichkeiten
der erdkundlichen Erscheinungen der Heimat und des jeweils im
Unterricht in Behandlung stehenden fremden Ländern
hinzuweisen.
... Eine besondere Aufgabe des
erdkundlichen Unterrichtes wird es
sein, darauf zu achten, daß die Kenntnis der Österreichischen
Heimat dauernder Besitz der Schüler wird und bleibt ...! Bei der
Einführung in das Kartenlesen ist auch auf die Bedeutung der
Karten für das Wehrwesen hinzuweisen. ! ...“
1946 lehnte sich der Text wieder stärker der Formulierung
von 1928 an.
Hinzufügungen wie :“... die Behandlung der Mittelmeerländer in
der 2.Klasse soll die Behandlung der
Geschichte des Altertums
vorbereiten ...“ spezifizieren nur die schon 1928
geforderten
Wechselbeziehungen zwischen Erdkunde und den anderen Fächern.
Hervorgehoben sollten 1946 auch nicht mehr „... die mit
Österreich und
dem Deutschen Reich ...“ , sondern es erfolgt
eine Klärung
„... mit Österreich ...“ - ähnlich schon in der
Verschiebung in
den Stoffangaben , wo es statt „Österreich und
das Deutsche
Reich“ dann „Österreich und seine Nachbarstaaten“
hieß.
Eine Erläuterung erfuhr auch der Begriff „Länderkunde“:
„... in der
Länderkunde ist auf die Kenntnis von Landschaftstypen sowohl
der Naturlandschaft als auch der Kulturlandschaft
Wert zu
legen.“
NEU 1946 dann der abschließende letzte Absatz , der den
politischen
Veränderungen Rechnung trug: „ Im Erdkundeunterricht
aller Klassen
ist auf eine strenge sachliche Darstellung größter
Wert zu legen;
die Veränderungen, die der zweite Weltkrieg in der
Weltlage zur
Folge hat, sind vom Standpunkt der Vereinten Nationen zu betrachten.
Die Darstellung der Demokratien hat ausführlicher
zu erfolgen als
die anderer Staaten. Auch der Erdkundeunterricht hat die
Erziehung zum Österreichertum und zur Demokratie stets im
Auge zu
behalten und im Dienste der Vereinten Nationen zu wirken“ - sind die ( heute würde man sagen
) „politisch bildenden“ Anforderungen an den
Unterricht in der Zweiten Republik.
.
1.2.2
Die Oberstufen der Mittelschulen:
Sieht man von den schon bei 1.1. erwähnten Abweichungen in
Westösterreich
ab, so galten die 1927 vereinheitlichten Typen des Mittelschulgesetzes
(BGBl. 244 v. 2. Aug. 1927 bzw. in den Lehrplänen des BGBl. 138 v. 12.
Juni 1928) aus der
Ersten Republik :
Gymnasium,
Realgymnasium, Realschule und Frauenoberschule (wobei die
modernsten Formen, die Realgymnasien Typ B und C -
mit der
Beschränkung des Lateins auf die Oberstufe - aber stillschweigend
verschwanden! - vergl H. FISCHL:1950,S.127).
Das Schulfach „ERDKUNDE“ (1955 dann in „GEOGRAPHIE“
umbenannt) bekam
gegenüber seiner Stundendotierungen in den Oberstufen
Lehrplänen 1928 und 1935 im Jahr 1946 mehr Wochenstunden!
_________________________________________________________
Wochenstunden in (
jeweils 5./6./7./8.Kl. Gymnasien-Oberstufen )
1928
1935 1946
Geographie/Erdkunde
2/1/1/0-2 2/2/-/(3)
2/2/2/2
_______________________________________________
Anm.: 1928 erstes Halbjahr Naturgeschichte,
2. Halbjahr Geographie
1935 in den Abschlußklassen "Vaterlandskunde" = eigenes Fach "Geschichte-Geographie
u. Bürgerkunde Österreichs"
Gekommen ist es zu dieser Aufwertung, weil in den beiden
letzten Klassen
1946 statt früher 31, nun 33 Wochenstunden veranschlagt
waren. Zweitens erfolgten Stundenkürzungen und Umschichtungen in
anderen Fächern: Deutsch wurde auf allen Stufen
auf 3
Wochenstunden herabgesetzt, im Gymnasium entfiel die moderne
Fremdsprache, Geschichte wurde ebenfalls von einer Stundensumme
von 11 auf das Schema 2/2/2/2 gebracht, Leibesübungen verlor
in der 7.u.8. eine von ehemals 3 Wochenstunden
(interessant
ist, daß dabei auch Kunstpflege
bzw. Musik als durchgängige
Pflichtgegenstände eingeführt worden sind !).
Inhaltlich finden sich im LP 1946 gegenüber den
Lehrplanformulierungen
von 1928 folgende Änderungen:
Das LEHRZIEL ist praktisch gleich geblieben. Nur im letzten
Satz, wo ein Überblick
über die Weltwirtschaft und Weltpolitik
1928 noch
verlangt war, fehlt der Ausdruck „Weltpolitik“.
Die STOFFGLIEDERUNG der
Oberstufen-Klassen 5 bis 8 erhielt folgende
Änderungen:
5.Klasse blieb gleich;
In der
6.Klasse wurde statt der Passage „Länderkunde der
wichtigsten außerdeutschen
Staaten Europas“, nun „Länderkunde Europas „ und
statt „Rußland“ der staatsrechtlich korrekte Ausdruck „Union
der Sozialistischen Sowjetrepubliken“ verwendet.
Diese zweistündige
reine „Europaklasse“ gab es
schon im LP 1935.
Daher wurde die
7.Klasse um die Behandlung des Deutschen Reiches
entlastet, und nur mehr eine „eingehende
Länderkunde Österreichs“
verlangt. Anstelle des 1928
zu unterrichtenden „Auslandsdeutschtums“
war nun „die Stellung Österreichs in der Weltwirtschaft“
neu hinzugekommen. In diesen, im
Vergleich zu heutigen
Lehrplanangaben äußerst kurz gehaltenen Angaben, findet man (wie im
Unterstufen bzw HS-LP 1946) die 1935 im Rahmen der „Vaterlandskunde“
erstmals hinzugekommenen Wirtschaftsgeographischen
Lehrplaninhalte nicht mehr.
Die beiden allgemeingeographisch ausgerichteten Hauptkapitel
der 8.Klasse „Mensch und Erde“ und „Grundfragen der Staatengeographie“
blieben gleich. Der erste Block sogar wortident, trotz Passagen wie
„Gliederung und räumliche Verteilung der Menschheit nach Rassen und
Völkern (!)...“. Auch im zweiten Block blieb die nicht
unbelastete Verbindung „Staat und Boden“ im ersten Lehrplan für die Zweite
Republik erhalten ! Nur die Passage
„Abhängigkeit des
Grenzverlaufs, der Grenzveränderungen und der wechselseitigen Beziehungen der
Staaten von geographischen Bedingungen“ entfiel
(wohl weniger
wegen ihres Naturdeterminismus, denn eher wegen der 1946 unklaren
Situation auf den politischen Landkarten).
Dafür
wurden als
Zugeständnis an die Alliierten „die
Großmächte der
Erde, besonders
die Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien, die Union der
Sozialistischen Sowjetrepubliken und Frankreich“ -
übrigens auch
bei der Wiederverlautbarung (mit kleinen Änderungen) im Oktober 1955
- in der Maturaklasse (thematisch?) verankert.
In - für die Oberstufe neu hinzugefügten -
"Bemerkungen", ist
dazu der
erläuternde Satz „Bei der Behandlung der Fragen der allgemeinen
Erdkunde, besonders der Staatengeographie in der 8.Kl. ist jeder
Hinweis auf das Gebiet der Geopolitik und der Rassentheorie
zu vermeiden“.
NEU in diesem Lehrplan 1946 sind ferner zwei Freifächer :
„Wirtschafts-
und Gesellschaftskunde“ und „Staatswissenschaft“.
Auf das erste
der beiden, soll im nächsten Großkapitel „Wurzeln der
Wirtschaftskunde“ noch näher eingegangen werden.
.
1.3
TEILWEISE WIEDERAUFNAHME
DER ALTEN
BÜCHER und ATLANTEN
1.3.1
Atlanten - Neuerungen und Diskussionen:
Am deutlichsten ist das Wiederanknüpfen an die
Schulgeographie der Ersten
Republik im Bereich der Schulatlanten feststellbar:
Waren schon aus der großen Anzahl von Schulatlanten in der
Monarchie nach
dem Ersten Weltkrieg praktisch nur vier Atlasproduzenten übriggeblieben
( Der Atlas der Staatsdruckerei war nach dem Ersten
Weltkrieg noch einmal von H. MONTZKA bearbeitet worden;
ROTHAUGs Atlas erschien weiter in Neubearbeitungen von H. KAINDLSTORFER 1926 und 1932 bei Freytag & Berndt; der
SLANAR-Atlas
1928 bei Jugend & Volk; der Kozenn-Atlas von Hölzel in
Neubearbeitungen von LEITNER H. und H. GÜTTENBERGER -
50.Aufl.1929;
RICHTER-MÜLLNER-Atlas als Große und Mittlere Ausgabe,
bearbeitet von O. KENDE 1930 bei Hölder-Pichler-Tempsky) so reduzierte
sich diese Zahl nach dem Zweiten Weltkrieg auf die beiden bis
heute die österreichischen Schulen mit Atlanten
ausstattenden
Verlage Hölzel und Freytag & Berndt.
Der traditionelle Kozenn-Atlas war bei Hölzel auch während
des Zweiten
Weltkriegs weitergedruckt worden. Freytag & Berndt
war als
Kartenproduzent in die Kriegswirtschaft noch 1942/43 im Rahmen des
Gemeinschaftsverlages Deutscher Schulatlas-Verleger
an einem
„Deutschen-Schulatlas“ (Hg. Reichsstelle f.d.Schul- u.
Unterrichtswesen. 1942. 34 Seiten - Kartographie Westermann, Leitung O
Muris) beteiligt (SLEZAK F.:1970,S.85). Wesentlich für
die spätere Entwicklung war der Umstand, daß der
vom Schuldienst aus politischen Gründen entlassen Geograph (und spätere
Nachfolger von Anton BECKER als Methodik-Lehrbeauftragter an der Universität
Wien) H. SLANAR die nationalsozialistische Ära im Verlag
Hölzel verbringen konnte.
In den „Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft“, die
1952 zur
Herausgabe neuer Atlanten mehrere Beiträge brachten,
schreibt H. SLANAR (1952, S.307): In der Folgezeit (damit meint er die, der
50.Auflage 1929 folgenden - Anm.d.Verf.) hat sich am
Atlas mit
Ausnahme der notwendigsten Korrekturen nichts geändert.
So zeigt die
65.Auflage (Anmerkung: 1945) den gleichen Aufbau
wie die 59. Bloß
jene durch die Zeit der nationalsozialistischen Okkupation
bedingten Beilagen - Karte des Großdeutschen Reiches mit
Gaueinteilung u.“. - kamen und verschwanden wieder. Seit dem Jahre 1940
wurde der Atlas vom Referenten (= H.SLANAR sen.) bearbeitet.
Zunächst sollte allerdings ein Mittelschulatlas des damaligen Großdeutschen
Reiches hergestellt werden, für den der Referent jedoch
all seine Erfahrungen, die er bei der Ausgabe
des RICHTER-MüLLNERschen
Atlasses sowie bei der Herstellung des Wiener Atlasses
(gemeint ist damit der bei J & V herausgekommene-
Anm.d.Verf.)
gewonnen hatte, verwenden konnte. Die 75.Auflage,
die 1951
erschien, trägt den Titel: ÖSTERREICHISCHER MITTELSCHULATLAS. Er umfaßt
146 Kartenblätter... Dieser Atlas bringt die Karten gerade
in umgekehrter Reihenfolge des vor beinahe 100 Jahren
erschienenen
Kozenn (neben dem "Kozenn" wurde im gleichen Jahr ein ca halb so
starker ÖSTERR. HAUPTSCHULATLAS von Hölzel / Jugend&Volk Wien
herausgebracht - vgl. bei FUCHS 1952).
In einem Vergleich mit dem zweiten Atlasprodukt (von Freytag
& Berndt)
stellt H. KLIMPT (1952, S.309) fest, daß methodisch vieles vom
alten „Slanar“ (Klimpt meint damit die Ausgabe von 1928 bei J
& V - Anm.d.Verf.) , dagegen fast nichts aus dem alten „Kozenn-Atlas“
übernommen worden ist. Dies spreche für den Verlag , meinte
Klimpt damals.
Der Verlag Freytag & Berndt hatte 1951 einen ATLAS FÜR
HAUPTSCHULEN und im
darauffolgenden Jahr im Umfang erweiterte Ausgaben
als ATLAS FÜR
MITTELSCHULEN und ATLAS FÜR LEHRERBILDUNGSANSTALTEN durch W.
STRZYGOWSKI und F. AURADA herausgebracht. Damit war die Nachkriegsentwicklung
an österreichischen Schulatlanten vorläufig
abgeschlossen (R. RUNGALDIER:
1953,S.55). Die zweifellos größere
kartographische
und methodische Erfahrung Slanars sucht Strzygowski durch
einen größeren Mitarbeiterstab wettzumachen (KLIMPT: 1952, S.308).
Im Konkurrenzkampf der beiden Verlage wurden auch
erstmals in Österreich
zwei Begleithefte (SLANAR H.1952 und
STRZYGOWSKI/AURADA
1952) herausgebracht. Beide sind erste Vorläufer der
viel später in der BRD und dann auch in Österreich
heute praktisch
zu jedem Unterrichtswerk herausgebrachten „Lehrerhandbüchern“
(für diese vergl.dazu BENVENUTTI/WEILINGER:
1986).
Die in Folge der Neubearbeitungen der beiden Atlaswerke
herausgekommene
schulgeographische Literatur zeigt deutlich, daß das
Schwergewicht des Interesses in den fünfziger Jahren in unserem Land
auf der Atlasdidaktik lag (vergl.Literaturzitate aus
dieser Zeit von AURADA F, BERNLEITNER E, BLASONI M, BREU J, FUCHS
H, LANGBEIN O, KLIMPT H., MEINE K.H., NEUNTEUFL J,
PASCHINGER H,
PRILLINGER F, RUNGALDIER R, SLANAR H, SLEZAK F, STOLITZKA J,
STRZYGOWSKI W, WAGNER W, ZERLIK A).
Dies verwundert nicht sonderlich. Methodisches wurde -
wenn überhaupt
- nur ganz weniges und dies damals fast aus-
schließlich
von Pflichtschullehrern in der
offiziellen pädagogischen
Zeitschrift „Erziehung und
Unterricht“ publiziert
(vergl.Zitate
von BECKER C, BUTZ H, FUCHS H, HARTL Ch, HUBER F, LETTMAYER F,
MATZKE R, MEIER A, NAGL K, NOWOTNY H, OBERTHALER F,
PENCIK K,
PFLEGERL R, SCHEER H).
Unter K. WICHEs Schriftleitung („Startartikel“ WICHE K:1955)
gab es auch
eine kürzere Zeit in den „Mittelungen der Geographischen
Gesellschaft“ einige, von Schulgeographen für den praktischen
Gebrauch in der Schule geschriebene Beiträge. (vergl.
BAUER R,
BRUNBAUER K, HASENMAYER H, KUBAT O, SCHANTL M, SCHREMS
, R, SLEZAK F, STRZYGOWSKY W, WILTHUM E.)
Im Laufe der Zeit aber „verkümmerten“ sie zu
fachinhaltlichen
Aufrissen für
einen (eher gymnasial-frontal angelegten) Erdkundeunterricht. In der Didaktik war das Paradigma der Länderkunde
unumstrittenes
Allgemeingut. H. SLANAR (1952, S.320) hat das auch klar in seinen
Zeilen zur „Methodik des Österreichischen Mittelschulatlasses“
formuliert:
Die Unterstufe
hat vor allem Kenntnisse zu vermitteln und das
Verständnis
der Landkarte zu erreichen, das Lehrziel der Oberstufe sind
neben Kenntnissen vor allem Erkenntnisse: Bessere Betonung des
ursächlichen Zusammenhanges der geographischen Erscheinungen
sowie Einblick in den Einfluß geographischer Tatsachen auf
Kultur und Geschichte, und endlich ein Überblick
über die
Weltwirtschaft vom geographischen Gesichtspunkt. Da Geographie die
Lehre von der dinglichen Erfüllung der Erdräume
ist, kann über
ein so formuliertes Lehrziel kein Zweifel
herrschen. Die
Erdkunde hat ein scharf umgrenztes Ziel und die
Zeiten sind
lang vorbei, in denen jede Wissenschaft versuchte,
in
Nachbargebieten Freibeuter zu spielen.
Und weiter
(ebenda,S.320): Zum
Lehrziel der Geographie der
Unterstufe
geh”rt z.B. die Kenntnis von Landschaftstypen sowohl
der Natur- wie
der Kulturlandschaft, nicht aber etwa der Unterschied zwischen
der Organisation einer Aktiengesellschaft und
einer offenen
Handelsgesellschaft. Diese Organisationsformen des Wirtschaftslebens
gehören nicht zur „räumlichen Verteilung der Dinge auf der
Erdoberfläche“, sondern vielleicht in eine heute allerdings an
den Mittelschulen nicht gelehrte und daher bei der
Reifeprüfung
nicht zu verwendende Wirtschaftskunde. Jede Schulaufsichtsperson
hat für die Einhaltung des heute gültigen Lehrplanes Sorge zu
tragen. Sie kann niemand von diesem entbinden,
wenn er dem
persönlichen Empfinden nicht entspricht, wohl aber -
- in einem
demokratischen Staatswesen - auf gesetzlichem Wege für
dessen Änderung
eintreten... (ebenda S.321):Nicht erwähnt im Lehrplan wird die in der
amerikanischen
Schulgeographie geübte Methode, den Schüler durch
entsprechende
Fragen zur besseren wirtschaftlichen
Ausnutzung
geographischer
Gegebenheiten eines Landes anzuleiten. Auch hierbei handelt es
sich wohl nicht um eine im
eigentlichen Sinne geographische
Fragestellung. Jedenfalls hat sich auch der Erdkundeunterricht
bei der heute dem Schüler gebotenen Fülle an Lehrstoff vor
„Überschoppung“ durch Aufnahme fremder Stoffe zu
hüten.
Zum Atlas als zentralem Unterrichtsmedium sagte SLANAR
(1952,S.321)
noch folgendes:
Der Atlas hat
also vor allem länderkundliche Kenntnisse und Erkenntnisse zu
ermöglichen bzw. zu fördern. Dabei
soll das Heimatprinzip
nach Möglichkeit gewahrt werden, die engere Heimat
soll die
Grundbegriffe zur Erkenntnis der Fremde geben. Diesen Weg hat der
Autor ( = H.Slanar) in seinem Wiener Atlas (Anmerkung d.Verf.:
1928) bereits für die Wiener Schulen vorgezeigt.
SLANAR befindet sich hiebei ganz in der Tradition Anton
BECKERs, der
(1932) schrieb: Die Summe all dieser Erscheinungen
(einige Seiten
weiter vorher nennt er physische Geographie , Kulturgeographie
- die Zusammenfassung geographischer Tatsachen
und ihre
Auswirkung auf den Menschen -
und Länderkunde als Staatenkunde -
Anm.d.Verf.) der Erdoberfläche ist aber die geographische
Landschaft. Diese soll der Ausgangspunkt und Endpunkt
der
geographischen Betrachtung sein (A.BECKER: 1932, S.38).
Diese Aussagen bekommen dadurch auch noch stärkeres Gewicht,
bedenkt man, daß
beide Schulgeographen nicht nur publizistisch,
sondern auch in
ihrer Funktion als Lehrbeauftragte für Methodik des
Geographieunterrichts am Geographischen Institut der Universität Wien
und am Pädagogischen Institut der Stadt Wien in der
Lehrerausbildung dominierende Rollen gespielt haben.
.
1.3.2
Schulbücher - Kontinuität
seit 1928 :
Viel stärker als die Atlanten, die 1951 / 52 einen großen
chulkartographischen
Schritt in die Zukunft getan haben, wirkte
bei den Schulbüchern
die BECKERsche Tradition (vergl.
die Grundsatzdebatte
über Schulbuchfragen in der damals von ihm geleiteten
„Zeitschrift für Schulgeographie“
1900 bis 1904). Der von
A.BECKER und J.MAYER 1902 gepr“gte „Lernbuch“-Typ26 mit
in den Text
eingestreuten Fragen und der Anleitung zu gleichzeitiger
konsequenter Atlasarbeit im Unterricht, wurde in der
Zwischenkriegszeit
von dem Autorenteam FUCHS H./H.SLANAR (1926
und 1929 f) für
die Haupt- und Untermittelschulen bzw ROSENKRANZ R./H.SLANAR
(1933 f) für die Gymnasialoberstufe fortgesetzt.
Die - politisch motivierte - Lehrplanreform 1935 (siehe 1.2)
hatte in den
Bänden für die 1.-4.Klasse nur insofern Änderungen
gebracht, als
daß die ansonsten noch immer wortidenten Hauptschulund
Untermittelschulausgaben getrennt gebunden wurden.
In der Oberstufe erfolgte ja bekanntlich die
Wiedereinführung der
„Vaterlandskunde“ in der Maturaklasse. In dem einen
der dazu noch
1938 herausgebrachten „Vaterlandskundebücher“ - und zwar bei dem
des „Deutschen Verlages für Jugend und Volk“ (gedruckt
bei „Vorwärts“
in der Rechten Wienzeile), findet man neben einem neugeschriebenen
historischen Teil von H. NAGLER, den fast vollständigen
Text des 7.Klassebandes von H.SLANAR und R.ROSENKRANZ (1936).
Auffallend gegenüber dem ohne kleingedruckte Zwischenfragen
gestalteten historisch-staatsbürgerlichen Text,
die mit
Fragen
durchsetzten geographischen, Naturlandschaften, Entwicklung der
Kulturlandschaft und „heutiges
Bev”lkerungs- und Wirtschaftsbild“,
beschreibenden Textteile.
Das 1946 gegründete
österreichische Schulbuchkartell (siehe
bei 1.1)
verwendet als Erdkundebuch (-das in 1.1 genannte Geographieschulbuch
von H.BRAUN: 1945, dürfte aufgrund seiner geringen Qualität nur
ein westöstereichisches Provisorium geblieben sein-)
für die junge
Zweite Republik wieder den Text der kleinformatigen Schulbuchreihe
von FUCHS und/bzw SLANAR in den vierziger Jahren.
In diesem
Schulbuchkartell war(und ist) der Verlag Hölzel - wohl
aufgrund seines
Schulatlasses und der „schulgeographischen
Nummer Eins“
Hans SLANAR sen. - für die Belange der Geographie federführend.
Die traditionsreiche Schulbuchreihe „Österreichischen
Schulgeographie“ ehemals von F.HEIDERICH (1929 bearbeitet vom wiener
Landesschulinspektor H.GÜTTENBERGER) verschwand dadurch wie auch
die Hauptschul- und Gymnasialschulbücher
von Deuticke,
Hölder-Pichler-Tempsky und vom Österreichischen Bundesverlag.
Bei den ersten vier Bänden stieß zu FUCHS und SLANAR 1946
der
Hauptschullehrer H.KELLNER dazu. Inhaltlich sind die Änderungen insofern
marginal, als sie nicht die schon bei Kap.1.2 erwähnten
kleinen Verschiebungen, wie zB statt nur dem Deutschen Reich schon
1935 die Länderkunde aller Österreich umgebenden Staaten
durchzunehmen, betrafen. Äußerlich sind die Texte nicht
mehr in
deutschen sondern in Latinalettern gesetzt. In den ersten beiden Bänden
findet man auch noch die für die Gestaltung der
Zwischenkriegszeit
typischen, streifenförmigen Tuschezeichnungen. In den Bänden
3 und 4 sind nur mehr die Kärtchen und der schwarz/weiß
Fotoanhang dann zu finden.
Die Oberstufenreihe gestaltete H.SLANAR mit H.KLIMPT.
Die Bände für
die 5.und 6.Klasse blieben in ihrer Inhaltsgliederung,
Struktur und Methode (länderkundlicher Gang) praktisch gleich.
KLIMPT teilte mir in einem Interview mit, daß daß für
Urheberrechtsansprüche der Erben Rosenkranz's ausschlaggebend gewesen
sind. Nur im letzten Band
für die 7.Klasse mit
„Österreich“
zum Inhalt, zeigt das stark
ausgeweitet Kapitel
„Das
Wirtschaftsbild des heutigen Österreich“
(früher nur 10
Seiten, gegenüber
fast 50 in der 1953 von KLIMPT mitgestalteten Ausgabe)
Ansätze der später von KLIMPT propagierten „Wirtschaftskunde“.
Der im Manuskript im Verlag Hölzel eingereichte 8.Band
wurde, da bei
diesem bereits Pl“ne für eine neue, gemeinsam mit
dem Verlag Hirt
aus Kiel zu produzierende neue
”sterreichische Schulbuchreihe
(„Seydlitz“) bestanden nicht mehr ausgeführt (Ch.SITTE:1986,S.231).
Bis 1962, als gleichzeitig mit dem Band 5 auch ein Band
8 des „Seydlitz“ herauskam, gab es daher für
die
Maturaklasse kein Geographie-Schulbuch am Markt (Kap.9.2.1).
Ausgeführt wurden hingegen lehrplan- und inhaltsbedingte
Änderungen des
Buches für Lehrerbildungsanstalten von BECKER A/
HELMER L.
Der Salzburger Didaktiker F. PRILLINGER gestaltete den Bd. I unter
dem Titel „vergleichende Länderkunde“ 1958 neu,
der methodisch
ebenfalls das Arbeitsbuch Becker'scher Tradition fortsetzte, dem
aber mit der für die Entwicklung der österreichischen
Schulgeographie richtungsweisenden Änderung 1962
zu „Geographie
und Wirtschaftskunde“ nur eine kurze Gebrauchszeit
beschieden war
(Ch.SITTE: 1986, S.231).
Die Österreichbände dieser Reihe erfuhren mehrmalige
Umarbeitungen.
Auffallend ist schon in der von STOLITZKA bearbeiteten Auflage
das starke Einfließen des wirtschaftlichen Aspekts (der sich nicht
nur in einem stärkeren Gesamtumfang manifestierte - über 250
Seiten) mit auch rein wirtschaftskundlichen Begriffen wie „Handels-
und Zahlungsbilanz“ (STOLITZKA: 1957, S.186),
„Clearingverkehr“(ebenda
1957, S.183).
Für die anderen Klassen in der Lehrerbildungsanstalt wurden
die Bände von
KLIMPT/SLANAR verwendet.
Diese Bücher prägten den Geographieunterricht der
allgemeinbildenden
Schulen, bis mit den 1959 (- 1965)
von einem neuen Team
herausgebrachten SEYDLITZ-B“nden eine neue Generation von
Schulgeographen die Bühne betrat (siehe weiter Kap.9).
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