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Unfallverhütungsmaßregel bei Holzhobelmaschinen

Endlich schreitet die Einführung der runden Sicherheitswellen für Holzhobelmaschinen in günstiger Weise fort. Hiefür bürgt der Zirkularerlass der k. k. Statthalterei an die k. k. Bezirkshauptmannschaften betreffend die Einführung der Sicherheitswellen, sowie die Stellungnahme der k. k. Gewerbeinspektorate, welche mehr und mehr auf Verwendung dieser Wellen dringen und endlich die Tatsache, dass bereits eine ganze Anzahl von Unternehmern mit derartigen Wellen arbeitet und sich in sehr günstiger Weise - die schutztechnische Bedeutung wurde niemals in Abrede gestellt auch über die praktische Verwendbarkeit der runden Wellen ausgesprochen hat. Es ist daher die begründete Hoffnung vorhanden, dass in absehbarer Zeit die runden Wellen eine derartige Verbreitung werden gewonnen haben, dass für die Einreihung eines Betriebes Nichtverwendung dieser Wellen als Merkmal für eine über das Normale erhöhte Gefahr wird bewertet werden können. Es wäre nur noch zu Wünschen, dass auch die Fachzeitschriften sich mit der runden Welle mehr befassen, denn nach dem gegenwärtigen Stande der Dinge hat es tatsächlich den Anschein, als ob es nur einer letzten zusammenfassenden, in alle beteiligten Kreise dringenden Darstellung bedürfe, um in kurzer Zeit die runde Welle zu einer allgemeinen Einrichtung zu machen. Dies hat seinen Grund vor allem darin, dass die runde Welle unter den schutztechnischen Einrichtungen eine ganz besondere Stellung einnimmt, da sie abgesehen von ihrer schutztechnischen Wirkung, die überdies eine vollkommene ist, auch noch eine ganze Anzahl anderer Vorteile in sich vereinigt, indem sie im Grunde billiger ist als die Vierkantwelle, überdies billiger arbeitet und endlich auch besser arbeitet, so dass ihre Einführung an das sozialpolitische Verständnis der Unternehmer nicht einmal Anforderungen stellt, sondern schon dem bloss praktischen Blick sich sofort empfiehlt.
I. Die runde Sicherheitswelle schützt vollkommen:
Unsere Abbildungen zeigen den Unterschied der Vierkantwellen und der runden Wellen in schutztechnischer Hinsicht. Die Messer der Vierkantwelle (Abbildung 1), direkt durch Schrauben an der Welle befestigt, drehen sich mit ihrer nackten Schneide bei 3800 - 4000 Umdrehungen in der Minute. Die Gefahren, die für den Arbeiter durch den grossen Abstand zwischen Messerwelle und Tischfläche entstehen, treten deutlich hervor. An diesen Wellen wurde daher entweder gearbeitet in Unkenntnis der Gefahr, die dann womöglich noch grösser wurde, oder es wurde im Bewusstsein einer ununterbrochenen Gefahr gearbeitet, die sich nicht vermeiden liess. Ein äußerst vorsichtiger Arbeiter konnte wohl darauf achten, dass bei der Arbeit, also bei dem Hinwegführen des Holzstückes über den Hobelmesserkopf kein Fingerglied über das Arbeitsstück hinaus vorstand, aber die Hauptgefahr spottete jeder Vorsicht. Selbst die Hand des vorsichtigsten Arbeiters musste in die Messerspalte geraten beim Abrutschen, bezw. bei dem nicht selten vorkommenden Zurückschleudern des Holzes, wenn er mit der einen Hand das zu hobelnde Stück auf den Maschinentisch aufdrückte und es mit der anderen Hand der Messerwelle zuführte.

Hand in Messerspalte

Dieses Emporheben und Zurückschleudern des Holzes war weder vorherzusehen, noch zu verhindern, denn dies geschah schon, wenn das Holz an einzelnen Stellen verwachsen oder ästig war, wenn sieh die Messer nicht schnell genug drehten oder sich selbst schlecht stellten oder wenn der Druck der Hände auf das Holz ungleichmäßig verteilt war. Ein solcher Unfall aber ging nicht vorüber, ohne dass mehrere Fingerglieder, ja selbst ganze Finger abgeschnitten wurden. (Abbildung 2)
Aber nicht nur alle Vorsichtsmassregeln, auch alle Schutzvorrichtungen schienen dieser Gefahr gegenüber zu versagen, indem sie sich. entweder als durchaus ungenügend erwiesen, oder zwar einerseits die Gefahr verminderten (im Wege selbsttätiger Zudeckung der Messerspalte durch Schutzblechschieber oder durch Verkleinerung der Messerspalte), andererseits, aber die Gefahr erhöhten, indem sie den Spähnen keinen genügenden Fallraum gaben, so dass die Messerspalte sich verstopfte und häufig Verletzungen von Fingern vorkamen, wenn der Arbeiter die Spalte von Spähnen freimachen wollte.

Verstümmelte Hände

Dieser Vierkantwelle ist als Beispiel einer runden Welle in Abb. 3 und 4 eine Sicherheitswelle der Maschinenfabrik Bohumil Volesky, Prag-Lieben und in Abb. 5 und 6 eine Originalsicherheitswelle für Holzhobelmaschinen nach System Schrader, ein Erzeugnis der Maschinenfabrik Emil Mau und Co. in Dresden gegenübergestellt.
Die Messer dieser Welle liegen vollkommen geschützt eingebettet zwischen der Klappe (Welle der Firma Volesky) bezw. zwischen einem Keil (Patent Schrader) und dem massiven Körper dar Welle.

Sicherheitswelle aus der Maschinenfabrik Bohumil Volesky, Prag-Lieben: Gesamtansicht

Messerspalte bei Sicherheitswelle aus der Maschinenfabrik Bohumil Volesky, Prag-Lieben

Sie liegen fest, unbeeinflusst von jeglicher Inanspruchnahme und ein Ausspringen der Messer ist ebenso ausgeschlossen wie ein Sichwerfen oder Sichverbiegen.

Sicherheitswelle nach System Schrader, ein Erzeugnis der Maschinenfabrik Emil Mau und Co. in Dresden: Gesamtansicht

Auch ein Herausfliegen der Schrauben ist möglichst für den Fall eines Bruches verhindert, da diese Schrauben rund sind, tief in Aushöhlungen der Klappen liegen und überdies beim Patent Schrader viel weniger in Anspruch genommen werden, als die Schrauben der Vierkantwellen, da bei jenen die Schrauben die Messer selbst halten müssen, während bei dieser Welle die Schrauben nur die Klappen gegen die Keile zu drücken haben, was umso leichter geschehen kann, als diese Klappen nur mit ihren äussersten Enden fest aufliegen, während sie im Übrigen durch einen aus der Abbildung nicht ersichtlichen Zwischenraum vom Körper der Welle getrennt sind.

Messerspalte bei Sicherheitswelle nach System Schrader, ein Erzeugnis der Maschinenfabrik Emil Mau und Co. in Dresden

Dadurch, dass die Welle nach Patent Schrader hinterdreht ist auch dies kann die Abbildung nicht deutlich zeigen und vor den Messern in sanfter Neigung sich verflacht, ist verhindert, dass die Wellen sich verschmieren und gleichzeitig bewirkt, dass das Holz sich leicht in die Welle schiebt und die Spähne genügenden Fallraum haben.
Das Wichtigste jedoch in schutztechnischer Hinsicht ist, dass die Messer gerade nur mit ihrer Schneide vorragen und dass diese Messer, da sie mit der Welle förmlich verwachsen sind, ganz dünn sein dürfen, ohne die Gefahr eines Bruches.
Durch die angeführten Vorrichtungen ist einerseits die überwiegende Möglichkeit beseitigt, mit den Fingern in die Spalte der Vierkantwelle zu geraten, andererseits aber ist selbst für den Fall, dass die Finger in die Spalte kommen, bewirkt, dass nur ganz unbedeutende Verletzungen sich ereignen können, Risswunden, die nicht einmal Unterbrechungen der Arbeit zur Folge haben. (Abb. 7)
Durch den grossen schutztechnischen Erfolg der runden Wellen im allgemeinen ist eine grosse Anzahl verschiedener derartiger Fabrikate auf den Markt gelockt worden, die sich zwar zum grossen Teile in der angedeuteten Weise auch bewähren, zum kleinen Teil aber auch neben ihrer schutztechnischen Wirkung in gewissem Masse (dadurch, dass sich die Messerspalten mit Spähnen leicht verstopfen, die Messer nicht genügend festhalten usw.) der Arbeit hinderlich sind, von den Arbeitern ungern benützt werden und dadurch die guten Schutzwellen kompromittieren.

Hände mit leichten Fingerverletzungen

Jedenfalls handelt es sich in allen Fällen, in denen Unternehmer mit der Arbeit der runden Wellen unzufrieden waren, nur um derartige Fabrikate und die eigentliche Bedeutung der runden Welle wird damit nicht berührt.
Es wurden Stimmen laut, welche aufgefütterte Vierkantwellen für einen genügenden Ersatz der eigentlichen runden Wellen erklärten. Dies kann nur insoweit zugestanden werden, als die obigen Einwendungen nicht zutreffen, die Messerspalten sich also nicht verstopfen, die Messer genügend festgehalten werden, das Holz genügend leicht über die Welle geht, die vier Schraubenreihen nicht eine eigene Gefahr bedeuten usw. (Abb. 8, eine von der Firma Volesky ausgeführte Auffütterung.)
In letzter Zeit wurde für Abrichthobelmaschinen ein neuer Ersatz für die eigentlichen runden Wellen empfohlen. Die Einrichtung hiebei ist derart getroffen, dass die Vierkantwelle von einer Stahlhülse umgeben wird, wodurch der gefahrbringende Abstand zwischen Tischfläche und Messerwelle, wie bei der runden Welle, verringert und überdies die Messerschraubenmuttern von der Stahlhülse verdeckt sind und ein Abfliegen derselben im Falle eines Bruches verhindert wird. Bei einer derartigen Welle können allerdings die alten Messer der Vierkantwelle und die gleichen Messerschleifmaschinen verwendet werden. II. Die runde Sicherheitswelle ist im Grunde billiger als die Vierkantwelle: Bei der Vierkantwelle, deren freiliegende Messer viel grösseren Anforderungen Stand halten müssen, konnten nur mindestens 8 mm dicke, künstlich gehärtete Messer verwendet werden, während, wie schon erwähnt, bei der runden Welle, 1 ½ mm starke Messer aus naturhartem Stahl genügen.
Überdies entfällt die Notwendigkeit der Anschaffung jeglicher anderen Schutzvorrichtung, die sich bei den alten Vierkantwellen nicht umgehen liess.
III. Die runde Sicherheitswelle arbeitet billiger als die Vierkantwelle:
Vor allem ist natürlich das Schleifen dieser schmalen Messer weit leichter und schneller auszuführen, als jenes der starken Messer der Vierkantwelle. Überdies aber haben die Messer der runden Welle eine weit grössere Abnützungsfläche. Während die Abnützungsfläche der Vierkantwellenmesser nur 15-16 mm betrug, beträgt sie bei den Messern der runden Welle ca. 28, also fast noch einmal soviel. Da die Messer der runden Welle einen weit geringeren Luftwiderstand zu überwinden haben, als jene der Vierkantwellen, ersparen sie gegenüber jenen an Kraft. Ihr Gang wird dadurch auch viel ruhiger und es wird jenes Heulen der alten Vierkantwellen vermieden, welches förmlich ihre Gefahr anzeigte.
IV. Die runden Wellen arbeiten auch besser. Da z. B. bei den runden Wellen nach Patent Schrader der gesamte Arbeitsdruck der Messer direkt gegen den massiven Körper der Welle liegt, wird ein bedeutend saubereres Hobeln des Holzes bewirkt und die Messer brauchen keinen so grossen Spahn, wie die Messer der Vierkantwelle.
Auf der runden Welle können schwache und starke Spähne gehobelt werden, ebenso wie hartes oder weiches Holz. Es können selbst von roh bearbeiteten Werkstücken ohne jede Gefahr Spähne heruntergeschruppt werden, was bei den alten Vierkantwellen eine häufige Gefahrenquelle bildete.
Der rasche Messerwechsel bei den runden Wellen, vor allem aber die Möglichkeit, ohne Herausnehmen der Hobelmesser zu kehlen (diese Möglichkeit war allerdings auch bei den alten Vierkantwellen, besteht jedoch nicht bei allen runden Wellen) verbürgt ein rasches Arbeiten.
Überdies beschleunigen die runden Wellen die Arbeit auch dadurch, dass sie durch ihre vollkommene Gefahrlosigkeit ein unbedenkliches Arbeiten gestatten.


Quelle: Im Jahresbericht der Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt 1910 erschien dieser Beitrag, der zwar nicht unterzeichnet, aber offensichtlich von Kafka verfasst war.

Letzte Änderung: 29.4.2016werner.haas@uibk.ac.at