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An Robert Klopstock

[Berlin-Zehlendorf, Stempel: 29. II. 1924]
 

Mein lieber Robert, es geht nicht, ich kann nicht schreiben, kann Ihnen kaum danken für alles Gute, womit Sie mich überhäufen (die prachtvolle Chokolade, die ich erst vor ein paar Tagen bekam oder vielmehr, um die Wahrheit nicht zu verschleiern, die wir bekamen und dann die Fackel, mit der ich die Ihnen schon bekannten entnervenden Orgien abendlich getrieben habe, einmal während der Onkel und Dora entzückt, anders wohl entzückt als ich, bei einer Krausvorlesung waren) und unter welchen die Geschenke noch das Geringste sind. Zwei angefangene Briefe und eine Karte treiben sich schon längst irgendwo in der Wohnung herum, Sie werden sie nie bekommen. Letzthin suchte ich Ihren vorletzten Brief, konnte ihn nicht finden, nun fand er sich in einem hebräischen Buch, in dem ich ihn aufgehoben hatte, weil ich in dem Buch täglich ein wenig las, nun aber hatte ich es schon einen Monat lang nicht aufgemacht, in der Hochschule war ich noch länger nicht. Hier freilich draußen habe ich es sehr schön, werde aber wohl fortmüssen. Sehr schade, dass es auch Ihnen nicht sehr gut geht, das ergibt dann keinen Ausgleicht. Es ist mir unbegreiflich, wovon Sie leben. Zahlt wenigstens S.? Und gibt die Mensa Karten? Sehr unrecht, dass Sie den Auftrag für D. durchtrieben haben. Aufträge machen uns glücklich. - Ihre Gesundheit scheint trotz aller Plage - fassen wir das Zarte zart an -wenigstens nicht allzu schlecht zu sein. Mit diesem Besitz läßt es sich doch vorwärts gehn.

Leben Sie recht wohl

Ihr F




Onkel: Kafkas Onkel Siegfried Löwy, Landarzt in Triesch, war wegen des bedenklichen Zustands Kafkas nach Berlin gefahren und erreichte schließlich die Übersiedlung in ein Sanatorium bei Wien.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at