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An Felix Weltsch

[Postkarte. Berlin-Steghtz, Stempel: 28. I. 1924]
 

Lieber Felix, ich schreibe Dir zwar (aus Angst, die Selbstwehr könnte einmal ausbleiben, sie, die so pünktlich jetzt immer kommt, die Treueste der Treuen in Pünktlichkeit und Inhalt, zu dem Unpünktlichsten der Abonnenten) immer nur wenn ich übersiedle, aber die Korrespondenz hat auch so Anlage, lebhaft zu werden. Am 1. Feber (also schon für die nächste Nummer) ist meine Adresse: Berlin-Zehlendorf, Heidestraße 25-26, bei Frau Dr. Busse. Ich tue vielleicht Unrecht (und bin schon von vornherein durch die entsetzlich hohe, für die Wohnung zwar gar nicht ungebührliche, für mich aber in Wirklichkeit unerschwingliche Miete gestraft), in das Haus eines toten Schriftstellers zu ziehn, des Dr. Carl Busse (1918 gestorben), der zumindest zu Lebzeiten gewiß Abscheu vor mir gehabt hätte. Erinnerst Du Dich vielleicht an seine monatlichen Sammelkritiken in Velhagen & Klasings Monatsheften? Ich tue es trotzdem, die Welt ist überall voll Gefahren, mag diesmal aus dem Dunkel der unbekannten noch diese besondere hervortreten. Übrigens entsteht merkwürdiger Weise selbst in einem solchen Fall ein gewisses Heimatsgefühl, welches das Haus verlockend macht. Verlockend macht allerdings nur deshalb, weil ich in meiner bisherigen schönen Wohnung als armer zahlungsunfähiger Ausländer gekündigt worden bin.

Herzliche Grüße Dir und den Deinen


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at