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[Postkarte, Poststempel: Berlin-Steglitz 25. 12. 23]

[Adressiert: ] Frau

Milena Pollak

Wien VII

Lerchenfelderstraße 113/5

Liebe Milena, so lange schon liegt hier ein Stück eines Briefes für Sie bereit aber zur Fortsetzung kommt es nicht, denn die alten Leiden haben mich auch hier aufgefunden, angefallen und ein wenig niedergeworfen, alles macht mir dann Mühe, jeder Federstrich, alles was ich dann schreibe, scheint mir dann zu großartig, im Mißverhältnis zu meinen Kräften und wenn ich niederschreibe "Herzliche Grüße", haben denn diese Grüße wirklich die Kraft in die lärmende, wilde, graue, städtische Lerchenfelderstraße zu kommen, wo ich und das meine gar nicht atmen könnte. So schreibe ich dann gar nicht, warte auf bessere oder noch schlechtere Zeiten und bin im übrigen hier gut und zart behütet bis an die Grenzen irdischer Möglichkeit. Von der Welt erfahre ich, undzwar kräftigst nur durch die Teuerung, die Prager Zeitungen bekomme ich nicht, die Berliner sind mir zu teuer, wie wäre es, wenn Sie mir manchmal einen Ausschnitt aus den Národní Listy schicken würden von der Art, wie sie mich einmal so gefreut haben.

Eine Adresse ist übrigens seit paar Wochen: Steglitz Grunewaldstraße 13 bei Hr. Seifert. Und nun doch die "beste Grüße" was tut es, wen sie schon bei der Gartentürniederfallen, vielleicht ist Ihre Kraftdesto größer.

Ihr K.           


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at