Voriger Eintrag Jahresübersicht | IndexseiteNächster Eintrag

 

An Robert Klopstock

[Postkarte. Müritz, Stempel: 24. Juli 1923]
 

Robert, was ist denn wieder? Gestern kam das Paket (wie kamen Sie zu Puas alter Sendung?) und das Anmerkungsbuch (gerade überlegte ich, ob ich mir eines kaufen sollte), aber keine Nachricht. Drückt wieder die schwere Luft der Tatrat Ist es unmöglich, dort hebräisch zu lernen? Ich glaube an die Macht der Orte oder richtiger an die Ohnmacht des Menschen. Mitteilbares habe ich eigentlich nichts, zu Zeigendes viel, Mit-zu-Erlebendes viel. Um es zu ermöglichen, träumte ich Sie letzthin her. Die Kolonie, die Kolonie, diese jungen Menschen. Wie übertreiben Sie, Robert, den Wert Prags für Sie, den Wert der vereinzelten Menschen für Sie, die Sie dort kennen. Anders muß man leben, als wir dort. Sie müssen Ihr Leben anders einrichten im nächsten Jahr, vielleicht von Prag fortgehn z.B. in die schmutzigen Berliner Judengassen. - Was mich betrifft, so bedeutet das alles nicht, dass ich schlafe. Böse heutige Nacht. Nur manchmal weht ein wenig Dämmern vom Hause der Kolonie herüber.

Ihr F


Grüße für Glauber und die andern.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at