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An Hugo Bergmann

[Müritz, Juli 1923]
 

Lieber Hugos,

vielen Dank für Deinen Gruß und Wunsch. Es war die erste hebräische Schrift, die ich aus Palästina bekam. Der Wunsch in ihr hat vielleicht große Kraft. Um meine Transportabilität zu prüfen, habe ich mich nach vielen Jahren der Bettlägerigkeit und der Kopfschmerzen zu einer kleinen Reise nach der Ostsee erhoben. Ein Glück hatte ich dabei jedenfalls. 50 Schritte von meinem Balkon ist ein Ferienheim des Jüdischen Volksheims in Berlin. Durch die Bäume kann ich die Kinder spielen sehn. Fröhliche, gesunde, leidenschaftliche Kinder. Ostjuden, durch Westjuden vor der Berliner Gefahr gerettet. Die halben Tage und Nächte ist das Haus, der Wald und der Strand voll Gesang. Wenn ich unter ihnen bin, bin ich nicht glücklich, aber vor der Schwelle des Glücks.

Leb recht wohl

Dein Franz


Grüße von mir Deine tapfere Mutter und die Kinder.




Hugos: Im Gymnasium war Hugo Bergmann Kafkas Mitschüler gewesen (vergleiche "Biographie", ferner "Franz Kafkas Glauben und Lehre"), später Bibliothekar der Hebräischen Nationalbibliothek und Professor an der Hebräischen Universität in Jerusalem.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at