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An Oskar Baum

[Sommer 1923]
 

Lieber Oskar, ich habe es noch am gleichen Abend mit Schrecken durchgelesen, mit Schrecken unter dem stählernen Tierblick und wie sie auf dem Sofa näher heranrutscht [4]. Solche Dinge liegen uns allen wahrscheinlich nahe, aber wer kann das so? Ich habe es vor Jahren ohnmächtig auch versucht, aber statt mich zum Schreibtisch vorzutasten, habe ich mich lieber unter das Sofa verkrochen, wo ich noch immer zu finden bin. Tröstend ist in Deiner Geschichte das zweite sanfte Rätsel, das versöhnen will. Es ist freilich zu schwach, um zu versöhnen, es gibt keinen Ausblick auf eine Hoffnung, sondern nur auf ihren Verlust. Menschlich ist es wenig, auch zu unwirklich, sonst aber scheint es mir sehr schön, diese sanfte Umrahmung des fressenden Feuers.

Der Anfang war mir ein wenig zu unruhig von außen her, zu hotel- und detektivmäßig, es ist aber schwer zu sagen, ob es anders sein soll, vielleicht ist gerade das sehr nötig, zumindest ist es ausgezeichnet, dass man an seinem Zimmer vorübergeht und die Wildheit sich dort in Ruhe austoben kann. Ich hätte diese Aussetzung wahrscheinlich auch weder gefühlt noch bemerkt, wenn ich Dich nicht einer Vorliebe für solche Anfänge verdächtigt und nur aus diesem Verdacht, aus keinem andern Grund die Notwendigkeit hier ein wenig bezweifelt hätte.

Vielen Dank.

Dein F


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at