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An Robert Klopstock

[Prag, Ende März 1923]
 

Lieber Robert, ich kann nur das Frühere antworten, dass z.B. eben ein Brief wie Ihr letzter ein Beweggrund der Angst ist oder dass es die Ungeduld ist oder dass es etwa die Bemerkung ist: " . . . nicht festhalten können, wenn auch am meisten von uns allen" eine Bemerkung, in der doch nicht eine Spur irgendeiner Wahrheit ist.

Vor allem aber ist es unabhängig davon die Angst vor einer für den Augenblick - von der Zukunft rede ich gar nicht - untrennbaren, betont, ausgesprochen (stillschweigende Vereinbarungen nehme ich aus), mit allen Sakramenten der Untrennbarkeit versehenen, vor dem Himmel sich großartig hinpflanzenden Verbindung. Sie ist mir unmöglich mit Männern wie mit Frauen. Was will man auf der Wanderschaft, in der Bettlerschaft mit so großen Dingen. Es gibt jede Minute unausweichliche, entzückt ausgenützte Gelegenheit zu schamlosester Großtuerei, warum noch weitere Gelegenheiten suchen. Und überdies ist der Verlust vielleicht nicht so groß als er manchmal scheint; fühlt man etwas wie eine Gemeinsamkeit des Wegs, ist darin Verbindung genug, das andere überlasse man den Sternen.

Und alle diese Angst, über die Sie mich so ausfragen, als ob sie Sie beträfe, betrifft ja doch nur mich. Wenn hier etwas durch Buße oder etwas derartiges zu erreichen wäre, müßte ich sie mir auferlegen. Aber ist denn etwas gar so Merkwürdiges bei dieser Angst? Ein Jude und überdies deutsch und überdies krank und überdies unter verschärften persönlichen Umständen - das sind chemische Kräfte, mit denen ich mich anbiete, sofort Gold in Kiesel oder Ihren Brief in den meinen zu verwandeln und dabei Recht zu behalten.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at