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[Tagebuch, 12. Februar 1922; Sonntag]

12 (Februar 1922) Die abweisende Gestalt, die ich immer traf, war nicht die welche sagt: Ich liebe Dich nicht, sondern welche sagt: "Du kannst mich nicht lieben, so sehr Du es willst, Du liebst unglücklich die Liebe zu mir, die Liebe zu mir liebt Dich nicht. " Infolgedessen ist es unrichtig zu sagen, dass ich das Wort "Ich liebe Dich" erfahren habe, ich habe nur die wartende Stille erfahren, welche von meinem "Ich liebe Dich" hätte unterbrochen werden sollen, nur das habe ich erfahren, sonst nichts.

Die Angst beim Rodeln, die Ängstlichkeit des Gehens auf glattem Schneeboden, eine kleine Geschichte, die ich heute gelesen habe, bringt wieder den lange unbeachteten, immer naheliegenden Gedanken herauf, ob nicht doch nur der irrsinnige Eigennutz, die Angst um mich undzwar nicht die Angst um ein höheres Ich, sondern die Angst um mein gemeines Wohlbefinden die Ursache meines Niederganges war, so freilich, dass ich aus mir selbst den Rächer geschickt habe (ein besonderes: die-rechte-Hand-weiß-nicht-was-die-linke-tut). In meiner Kanzlei wird immer noch gerechnet, als finge mein Leben erst morgen an, indessen bin ich am Ende.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at