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An M. E.
[Prag, Winter 1922/23]
Liebe Minze, erst heute, ich glaube es kaum, danke ich für die Blumen,
die mir solche Freude gemacht haben, den Trost der Wohnung, die Mahnung
an Kassel. Es sind aber höchst unruhige Tage, der Mutter wurde plötzlich
und dringendst eine schwere Operation verordnet und nun kann sie trotz
aller Dringlichkeit wegen eines dazwischen gekommenen andern mit der Hauptsache
allerdings zusammenhängenden Leidens nicht ausgeführt werden
und wird unter schmerzhaftesten Prozeduren von Tag zu Tag verschoben. Schreckliche
Medicin, schreckliche Erfindung der schrecklichen Menschen.
Bis es vorüber ist, schreibe ich; schicken Sie mir doch Ihre Adresse oder genügt Wilhelmshöhe bei Kassel.
Alles Gute
Ihr Kafka
Nun sind sogar diese paar Zeilen liegen geblieben und kommen wohl zu spät nach Teplitz. Die Operation, eine außergewöhnlich schlimme, ist gestern gewesen.
Letzte Änderung: 17.4.2009 | werner.haas@univie.ac.at |