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An Robert Klopstock

[Prag, Ende Januar 1922]
 


Lieber Robert, wieder ein Tadelbrief, soweit ich ihn verstehe (das Deutsch - nicht dieses ist aber der Grund des Nichtverstehns - ist ein wenig sonderbarer als früher, nicht etwa falsch, gar nicht, aber sonderbarer, so als wären Sie wenig mit Deutschsprechenden beisammen), müssen Sie mich immerfort tadeln? Tue ich das nicht selbst genug? Brauche ich darin Hilfe? Aber gewiß brauche ich darin Hilfe. Und Sie haben auch an sich recht, aber ich bin so sehr damit beschäftigt, einem imaginären Balken nachzujagen, in dem fortwährenden realen Schiffbruch, dass ich gegen alles andere wahrscheinlich nicht anders als böse sein kann. Besonders was Briefe anlangt, Briefe von Mann wie von Frau. Briefe können mich freuen, mich rühren, mir bewunderungswürdig scheinen, aber sie waren mir früher viel mehr, zu viel, als dass sie jetzt eine wesentliche Form des Lebens für mich sein könnten. Ich bin nicht von Briefen getäuscht worden, aber mich habe ich mit Briefen getäuscht, mich förmlich jahrelang im voraus gewärmt an der Wärme, die schließlich erzeugt wurde, als der ganze Haufen Briefe ins Feuer kam . . .


Maxens Roman hat für mich große Bedeutung gehabt. Schade, dass ich nicht imstande bin einiges (z.B. die Spionagegeschichte, die Jugendtagebuchgeschichte) vor Ihren Augen wegzuziehn, damit Sie in die Tiefe des Buches sollen können. Wenigstens meiner Meinung nach hindern das jene Geschichten, aber für den Roman, das ist eben seine Schwäche, sind sie doch nötig. Geben Sie sich Mühe hindurchzusehn, es steht dafür.

Über Bocksgesang sagten Sie nichts.

Die Münzermitteilungen haben Sie wohl bekommen.

Einige Zeitschriften schicke ich morgen, vom Feuerreiter bekam ich nur das erste Heft.

Freitag fahre ich nach Spindelmühle, für vierzehn Tage. Mögen diese besser sein als die letzten schlaflosen drei Wochen, das ging an Grenzen, die ich in Matlar noch nicht berührt habe.

Wie richten Sie Ihre Zukunft ein? Wohljung habe ich noch nicht, aber bei der Ymca sind, wie mir Max (der dort vor ein paar Tagen einen Vortrag gehalten hat) erzählte, schöne stille angenehme Tag- und Studierräume für Studenten, Liegeräume, Badezimmer u. s. w., aber kein Nachtlager.

Leben Sie wohl und grüßen Sie schön Glauber.

Ihr K




Roman: "Franzi" (siehe Anmerkung 1921, 10).


Feuerreiter: "Der Feuerreiter. Blätter für Dichtung, Kritik, Graphik." Herausgegeben von Heinrich Eduard Jacob. 1921 ff:


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at