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[Tagebuch, 30. Oktober 1921; Sonntag]

30 (Oktober 1921) Nachmittag, Teater, Pallenberg

Meine inneren Möglichkeiten für (ich will nicht sagen Darstellung oder Dichtung des Geizigen, sondern für) den Geizigen selbst. Nur ein schneller entschlossener Griff wäre nötig, das ganze Orchester schaut fasciniert dorthin, wo über dem Kapellmeisterpult der Taktstock sich erheben soll.

Das Gefühl der vollständigen Hilflosigkeit.

Was verbindet Dich mit diesen festabgegrenzten, sprechenden, augenblitzenden Körpern enger als mit irgendeiner Sache, etwa dem Federhalter in Deiner Hand? Etwa dass Du von ihrer Art bist? Aber Du bist nicht von ihrer Art, darum hast Du ja diese Frage aufgeworfen.

Die feste Abgegrenztheit der menschlichen Körper ist schauerlich

Die Merkwürdigkeit, die Unenträtselbarkeit des Nicht-Untergehns, der schweigenden Führung. Es drängt zu der Absurdität: "Ich für meinen Teil wäre längst schon verloren. " Ich für meinen Teil.

1.) Werfels "Bocksgesang"

Die freie Verfügung über eine Welt unter Mißachtung ihrer Gesetze. Die Auferlegung des Gesetzes. Glück dieser Gesetzestreue.

Es ist aber nicht möglich, der Welt nur das Gesetz aufzuerlegen, dass alles sonst beim Alten bleibt, der neue Gesetzgeber aber frei sein soll. Das wäre kein Gesetz, sondern Willkür, Auflehnung, Selbstverurteilung.

2.) vage Hoffnung, vages Zutrauen

Ein endloser trüber Sonntagnachmittag, ganze Jahre aufzehrend, ein aus Jahren bestehender Nachmittag. Abwechselnd verzweifelt in den leeren Gassen und beruhigt auf dem Kanapee. Manchmal Erstaunen über die fast unaufhörlich vorbeiziehenden farblosen, sinnlosen Wolken. "Du bist aufgehoben für einen großen Montag!" "Wohl gesprochen, aber der Sonntag endet nie"

3.) Der Anruf

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at