Voriger Eintrag Jahresübersicht | IndexseiteNächster Eintrag

 

An Robert Klopstock

[Prag, Dezember 1921/Jänner 1922]
 

Lieber Robert gestern waren wir
[abend > (Felix] und ich) abend bei
Münzer. Das Ergebnis ist, an
den Hoffnungen gemessen, gering:
ein Freiplatz in der mensa,
der Recht gibt auf tägliches
(angeblich sehr gutes, in einer
Selbstwehr stand auch einiges darü-
ber) Mittag- und Abendessen
und ferner von einer ameri-
kanischen Vereinigung etwa
150 K monatlich. Das
ist alles, vielleicht wird sich, wenn Sie
hier sind, noch anderes ergeben,
vorläufig sind aber nur
die zwei obigen Dinge gesichert.
Vor allem Wohnung nicht.
Ich hatte schon früher davon
gehört, dass die Spital-Gehilfen





schaft, wie wir sie uns vor-
gestellt hatten, nicht zu errei-
chen ist, dass X [ar>fe]rtige Ärzte
glücklich wären, wenn sie etwas
derartiges bekämen, Münzer,
(der übrigens dank Felix sehr
freundlich war) bestätigte das,
der Vorstand seines Spitals
würde ihm etwas derartiges
nie bewilligen. Nun, Robert, das
ist wenig, nicht wahr? Und
wo sollen Sie wohnen? Ich werde
mich natürlich noch weiter er-
kundigen, aber das Sommersemester
beginnt ja wohl schon bald.


Der Besuch bei Münzer war XX
in medicinischer Hinsicht noch
trostloser. Das was Sie von med. Unwissen
heit schrieben, wurde im Gespräch
an dem Beispiel einer offenbar




hoffnungslosen Erkrankung
jenes Kousins schrecklich deutlich.
Davon erzähle ich Ihnen näch-
stens. Ich leide seit einiger
Zeit sehr an Schlaflosigkeit
und ihren Folgen.
Ihr K


Original: Inlibris Verlag
Quelle Text: Kafkas letzter Freund, S. 37
Quelle Anmerkungen: Kafkas letzter Freund, S. 37 - 38

Unveröffentlicht
Eigenh. Brief mit U. ("K") . 2 ½ Seiten (46 Zeilen in Bleistift auf 2 Blatt) . Mit horizontaler Knickspur und unbedeutenden Randläsuren. Gr.-8vo (12,4:19,9 cm). [Prag] , [Dezember 1921 oder Januar 1922] (Dat. nach Inhalt).
1] gestern waren wir [...] bei Münzer. Felix Weltsch, seit etwa 1903 mit Kafka bekannt, war nach Abschluß von Jurastudium, Gerichts- und Advokaturspraxis seit 1909 an der Prager Universitätsbibliothek tätig. Von Herbst 1919 bis zu seiner Emigration 1938 leitete er überdies die Redaktion der von Kafka abonnierten jüdischen Wochenschrift Selbstwehr (vgl. auch Nr. 3 , Anmerkung 16). - Zu Egmont Münzer vgl. Nr. 1 , Anmerkung 4, sowie Nr. 3, 8, 11, 25 und 29.
2] Selbstwehr. vgl. Nr. 3, Anmerkung 1 6
3] X 1 Wort unlesbar gestrichen
4] XX 1 Wort unlesbar gestrichen
5] an dem Beispiel einer offenbar hoffnungslosen Erkrankung jenes Kousins: der am 16. März 1922 verstorbene Robert Kafka (vgl . Nr. 1, Anmerkung 4, sowie Nr. 10 und 11)

Letzte Änderung: 26.4.2011werner.haas@univie.ac.at