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An Robert Klopstock

[Prag, November 1921]
 

Lieber Robert,

nun hört die Furcht allmählich schon auf, es war aber doch arg.

Ärgerlich sind die Temperaturen. Und ohne besonderen Grund? Liegen Sie zumindest so viel wie im Sommer? Und wie ist Ihre Stellung in Matlar? . . .

Von Frl. Irene hatte ich einen Brief, geschrieben vor Beginn der Probezeit. Offenbar ist man dort sehr freundlich zu ihr, auch die beiden von Hardt ihr genannten Mädchen scheinen sich ihr anzuschließen, trotzdem in dieser Hinsicht Hardt, wie er mir privat sagte, von diesen ganz anders gearteten feurig geistigen russischen Jüdinnen nicht viel erhoffte. Hoffentlich geschieht es nicht nach dem alten Gesetz: Wem nicht zu helfen ist, dem wollen alle helfen (Sie kennen die "Räuber"? Dem Mann, welchem geholfen werden kann, hilft nur der große Held, die Menge wirft sich auf die Unrettbaren). Wenn es Frl. Irene nur gut ginge! Ihr Brief war aufregend.

Lesen Sie "Bocksgesang" in der Prager Presse? Äußerst interessant ist es. Dieser Kampf mit den Wellen und immer wieder kommt er hervor, der große Schwimmer. Morgen sollte ich ihn sehn, ich gehe aber nicht hin.

Die Selbstwehr schicke ich Ihnen Montag, es tut nichts, wenn Sie ein wenig nach ihr hungern, nachdem Sie sie früher oft mißachtet haben. Auch das Lehrbuch schicke ich.

Von der neuen Kur ist noch nichts zu sagen. Der Arzt erhaben kindlich lächerlich wie die meisten. Nachher habe ich sie dann sehr gern. Es kommt doch nur darauf an, dass sie das Beste tun, was sie können, und je weniger das ist, desto rührender ist es. Und manchmal überraschen sie ja doch.

Alles Gute!

Ihr K


Grüßen Sie Glauber und Szinay.




Bocksgesang: Bocksgesang - Drama von Franz Werfel. Erschien dann in München, 1922, als Buch


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at