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An Robert Klopstock

[Prag, Mitte Oktober 1921]
 

Lieber Robert, immerfort sind Sie mit mir unzufrieden. Das kann mir unmöglich gesund sein. Ich bin genau der Gleiche, der ich in Matlar war und doch waren Sie dort nicht immerfort mit mir unzufrieden, freilich das Beisammenleben verwischt wohltätig die Linien. Man könnte aus dem Ganzen schließen, dass, wenn Sie mir vollständig auf die Schliche kämen, Sie überhaupt nichts mehr von mir wissen wollten.

Der Vergleich mit Ihrer Cousine droht mir immer wie eine Rute. Und doch habe ich gewiß mit Ihrer Cousine nichts Entscheidendes gemeinsam außer Sie selbst. In früheren Jahren pflegte mein Vater, wenn ich irgendeine scheinbare Dummheit, in Wirklichkeit aber die Folgerung aus einem Grundfehler machte, zu sagen: "Der ganze Rudolf!", womit er mich mit einem für ihn äußerst lächerlichen Stiefbruder meiner Mutter verglich, einem unenträtselbaren, überfreundlichen, überbescheidenen, einsamen und dabei fast geschwätzigen Menschen. Im Grunde hatte ich kaum etwas Gemeinsames mit ihm, außer dem Beurteiler. Aber die quälende Wiederholung des Vergleiches, die fast körperliche Schwierigkeit, einem Weg, an den man früher gar nicht dachte, nun um jeden Preis auszuweichen, und schließlich des Vaters Überzeugungskraft oder, wenn man will, seine Verfluchung, brachten es doch zustande, dass ich mich dem Onkel wenigstens näherte.

Die ganze Pneumothoraxgeschichte war doch nur Scherz, ich war mit andern Dingen als mit meiner Lunge beschäftigt, die Lunge hat die Berechtigung dessen eingesehn und war ein Weilchen lang stiller, sie hat sich seitdem dafür schon wieder entschädigt.

dass Sie allein sind, ist freilich nicht gut, trotzdem man auch das nicht mit Bestimmtheit sagen kann. Sie studieren? Wie sind die Temperaturen?

Wissen Sie nichts von Ilonka, Frau Galgon? Szinay ist also lungenkrank, ist das möglich?

Alles Gute!

Ihr K


[Randnotiz:] Von was für einem Buch sprachen Sie, das ich Ihnen versprochen hätte?


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at