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An M. E.
Der Faulenzer und die Arbeiterin
Liebe Minze, lange war ich untergetaucht, habe einfach Ihr schönes
Bildchen mit Freude eingesteckt, zwei Karten und den Brief gelesen, als
säßen Sie vor dem Kanapee und erzählten mir, und im übrigen
habe ich mich mit einigen aufregenden, erschöpfenden Besuchen beschäftigt,
war hie und da auch im Bett, hatte keinen Augenblick Zeit, sei es infolge
von Beschäftigung, sei es infolge Müdigkeit, und wußte
allerdings auch, dass es zwischen uns nicht entscheidet, ob ich heute
oder morgen schreibe, denn wir werden nicht nervös, wenn einer einmal
nicht schreibt, jeder weiß doch vom andern, ein wie eisern fester
Mensch er ist. - Aus der holländischen Reise wird nichts? Schade,
schade. - Ich bleibe noch ein wenig in Prag. Herzlichste Grüße
auch den Freundinnen
Ihr K
Meiner Schwester (die Sie herzlich grüßen läßt) Adresse:
Ottilie David Prag Altstädter Ring 6
Der Faulenzer und die Arbeiterin: Die Ansicht zeigt
die Reproduktion einer Zeichnung von Ales betitelt "Podzim"
(Der Herbst). In regnerischer Feldlandschaft treibt eine Bäuerin Gänse
heim, ein kleiner Junge läßt einen Drachen steigen, die Bildsäule
des heiligen Wenzel mit Fahne sieht vom Feldrain aus zu. Kafkas Aufschrift
gibt eine humoristische Deutung - sei es nun, dass mit dem "Faulenzer"
der Junge oder der heilige Wenzel gemeint ist.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at