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An Robert Klopstock
Lieber Robert, die Fahrt war sehr bequem, ich erwähne
es nur wegen der Menge traumhaft ineinander spielender Zufälle, die
mir einen guten Platz verschafften. Der Zug war ganz überfüllt,
zuerst konnte man noch hie und da auf einem Koffer sitzen, später
konnte man kaum mehr stehn. In Vrutky sollten zwei leere Waggons angeschlossen
werden, dort würde also Platz sein. In Vrutky steige ich aus, laufe
zu den Waggons, alles überfüllt, außerdem alte schmutzige
Wagen, laufe wieder zu meinem Waggon zurück, finde ihn nicht gleich,
steige in einen andern ein, es ist ja gleichgültig, alles ist voll.
In diesem Waggon drücken sich unter andern drei Frauen an den Wänden
herum, sie fahren aus Lomnitz nach Prag, eine von ihnen, eine alte Lehrerin,
kenne ich flüchtig aus Matlar, wo sie einmal Ing. G., da anderswo
kein Platz war, zu meinem Tisch geführt hat. Jetzt im Waggon mache
ich ihnen einige kleine Dienste. Die Lehrerin, mit der vereinigten wütenden
Alte-Frauen- und Lehrerinnen-Energie beschließt von Abteilung zu
Abteilung zu gehn und sich doch einen Platz zu erzwingen. Tatsächlich
findet sie in einer entfernten I. Klasse Abteilung einen Platz, durch irgend
einen Zufall wird dort auch noch ein zweiter Platz frei, jetzt sind also
zwei Frauen untergebracht, die dritte zieht auch mit ihnen. Gleich darauf
geschieht in jenem Coupá folgendes :Von den übrigen vier Reisenden
sind zwei Eisenbahnunterbeamte oder dergl., sie überreden mit großer
Mühe den Kondukteur (da sie selbst nur Anspruch aufzweite Klasse haben),
das Coupá für ein solches zweiter Klasse zu erklären,
dieses Verwandlungsrecht hat der Kondukteur in Ausnahmefällen. Endlich
stimmt er zu, dadurch sind aber die andern Passagiere, da sie auf erste
Klasse Anspruch haben, gekränkt und verlangen ein leeres Coupá
erster Klasse, der Kondukteur verschafft es ihnen, dadurch sind wieder
zwei Plätze frei, einer für die dritte Frau und einer - da sich
die Frauen für die Dienste dankbar zeigen wollen - für mich,
sie rufen mich durch den überfüllten Gang, ich weiß gar
nicht wie, denn sie kennen nicht nur meinen Namen nicht, sondern die Lehrerin
kann sich, wie sich später herausstellt, gar nicht erinnem, wann sie
zuerst mit mir gesprochen hat. Jedenfalls höre ich, wie sie mich rufen
und übersiedle hin, gerade klebt der Kondukteur eine große 2
an die Glastür. Von der Reisenahrung waren das Beste die Pflaumen,
ausgezeichnete Pflaumen.
Einige Veränderungen in Prag, z. B. der Tod eines alten merkwürdigen
Onkels. Er ist vor ein paar Monaten gestorben vor ein paar Tagen habe ich
ihm die erste Karte aus Matlar geschickt: "Herzliche Grüße
vor baldigem Wiedersehn".
Auf den ersten Anhieb hat sich herausgestellt, dass ich durch Verwandte
eine sehr gute Verbindung mit Prof. Münzer habe. Wenn überhaupt
die Möglichkeit einer derartigen Anstellung besteht,
wird sie für Sie zu erreichen sein, gar wenn man es rechtzeitig -
also z. B. jetzt für Feber - vorzubereiten anfängt. Schicken
Sie mir nur irgendwelche Dokumente, den Brief des Professors udgl.
Vielleicht fahre ich noch für drei Monate in ein deutsches Sanatorium.
Alles Gute und Dank für alles Gute!
Ihr K
Fahrt: Bericht über die Reise Kafkas von Matliary,
wo er zehn Monate zugebracht hatte, nach Prag.
Anstellung: Kafka wollte durch Professor Münzer
einen Posten für Klopstock beschaffen oder zumindest seine Immatrikulation
an der Prager Universität erwirken.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at