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Max Brod an Franz Kafka


[Prag]

19.8. [1921]
 

Lieber Franz -

Heute sagte mir dein Vater, dass du Fieber hast und noch einige Zeit in T. Matl. bleibst. Ich bin natürlich sehr erschrocken - wollte das Fieber als "Reisefieber" deuten, was mir aber nur teilweise gelang - lief zur Post, wo ich aber nichts von dir vorfandund so schreibe ich diese Zeilen. Wenn du bisserl Lust hast, so schreibe mir doch - eine Postkarte würde genügen. Indessen habe ich Chiffre und Adresse gewechselt. Sie lautet jetzt, fast Gottfried-Kellerfisch:

    Herrn Martin Salvat

    Prag - Hrad

postrestante wobei das "Hrad" zu unterstreichen wäre.

    Ich hatte mich schon so gefreut, dich wiederzusehen und dir von meinem ziemlich abenteuerlichen, aber ins überirdisch Gute ausklingenden Sommer zu erzählen. Da ich die Erzählung so nahe vermeinte, habe ich dir nichts als Ansichtskarten aus Dahme geschrieben. Indessen umso mehr von dir erzählt, mit dem Erfolg, dass meine liebe Emmy dich in jedem Brief grüßen läßt und auch schreibt, dass sie für dich wie für mich zu beten pflegt. - Sie ist eine wunderbare Frau, viel großartiger in diesen 3 Wochen enthüllt als bei den kurzen, nur tagweisen Zusammenkünften zu erkennen möglich war. - Ich dachte auch, dass du mit mir nach Karlsbad zum Kongreß fahren wirst, wohin sie gleichfalls kommt, und eigentlich freut sie sich schon sehr auf deine Bekanntschaft. - Sollte es unmöglich sein? Laß zwei drei Zeilen von dir hören, bitte!

Max        



Quelle: Franz Kafka ; Max Brod: Eine Freundschaft (II). Briefwechsel. Hrsg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1989.


Gottfried-Kellerfisch: Bezieht sich auf Gottfried Kellers Roman Martin Salander (1886).


zum Kongreß: Der XII. Zionistenkongreß, der vom 1. bis 11. September 1921 in Karlsbad tagte. Laut seinem Tagebuch war Brod vom 31. August bis zum 5. September dort. Siehe seinen Aufsatz "Der zwölfte Zionistenkongreß" in der Wochenschrift Das Tagebuch 2 (1921), S. 1203-1206.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at