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[Prag]

27.4. [1921]
 

Liebster Franz - Dein Brief hat sich wohl mit dem meinen gekreuzt. Ich fragte dich in meinem Brief und bat dich so sehr, mir über dein rein körperliches Befinden Genaueres zu schreiben. Du erwähnst aber gar nichts; so muß ich wohl annehmen, dass mein Brief erst nach Absendung des deinen - oder gar nicht eingelangt ist. Ich legte diesem Briefe auch einige Drucksachen bei, andere Drucksachen (2 Ausschnitte) sandte ich extra. Hast du das alles bekommen?

    Was nun die Hauptsache deines Briefes anlangt: selbstverständlich werde ich dir sofort Nachricht geben, sobald Frau M. in Prag ist. Sie schrieb mir, dass sie mich besuchen wird. Wir stehn seit einiger Zeit im Briefwechsel, ich schrieb ihr nämlich, da sie mich darum ersuchte, etwa drei- oder viermal Bulletins über dein Befinden. - Von deinem Brief, soweit er sich auf sie und den Bruch ihres Versprechens bezieht, sage ich natürlich kein Wort. - Meine Briefe bewegten sich in dem Gedankenkreis, dass sie dir vorläufig nicht schreiben solle und dass dann, wenn du dich wohler fühlst, alles wieder in Ordnung kommen wird.

    So sieht es nun freilich nach deinem letzten Brief nicht gerade aus. - Du verbietest mir zwar in ihm ausdrücklich, ihn unverständlich zu finden. Aber Verständnis zu gebieten, dazu reicht deine Kraft nicht aus, mit der du dich versteckst. Nun fühle ich ja, dass du mit ungeheuren Hemmungen zu kämpfen hast, wenn du etwas aus dieser Sphäre mir gleichsam preisgeben willst. Und ich möchte auch nicht neugierig erscheinen, bin es auch wahrlich nicht, so wenig, dass ich sogar bezweifle, ob du weiter gehen sollst in solchen Mitteilungen an mich - ich will sagen: nur wenn du dir irgendeine Heilkraft, eine Linderung davon versprichst, so sage mir mehr, sage alles, - aber wenn du glaubst, dass es nicht gut ist für dich, so laß es lieber, vielleicht für später, für mündlich, für die Zeit der Gesundheit, die ich ja ganz bestimmt für dich erhoffe, trotz deiner Hypochondrie und trotz deiner Naturheilmethoden-Verkühlungen. Nur eine Frage stelle ich noch. Du beziehst dich in deiner Darstellung, die mir verständlich sein soll, auf eine Geschichte, eine meiner frühesten, wie du schreibst. Welche? -

    Hoffentlich hast du den Brief von M. überwunden und erholst dich nun bei der eben einsetzenden Besserung des Wetters. Ich bringe jeden schöneren Sonnenschein sofort in Zusammenhang mit dir. Wenn du mir nur einmal so richtig schriebest, ob du noch Fieber hast, ob der Husten nachläßt, was der Arzt sagt! Ein einziges Mal, bitte.

    Von mir nichts Neues. Der Roman ist etwas stiller geworden, ich denke an den stürmischen Anfang wie an ein Wunder zurück. Baum ist Musikkritiker der "Prager Presse", sehr beschäftigt. Und Felix - ich sage es dir als strenges Geheimnis, dass es sogar schon zu Tätlichkeiten mit seiner Frau gekommen ist und dass es nicht gut mit ihm steht.

Max        


Bezüglich des Mediziners habe ich mich erkundigt. Jüdische Ausländer bedürfen allerdings einer gewissen Protektion. Ich würde aber selbstverständlich, wenn du diesen Studenten empfiehlst, mein Möglichstes tun.



Quelle: Franz Kafka ; Max Brod: Eine Freundschaft (II). Briefwechsel. Hrsg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1989.


Der Roman: Franzi (siehe Anm.43 oben).


"Prager Presse": Siehe Anm.14 oben. An deren Feuilletonteil haben neben Oskar Baum Otto Pick, Rudolf Fuchs und später auch Kafka mitgewirkt. Vgl. Brods Brief vom 14. Mai 1921.


des Mediziners: Robert Klopstock.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at