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[Prag]

Montag [14.3.1921]
 

Lieber Franz,

Schon Samstag beschloß deine prachtvolle Schwester Ottla auf deinen Brief hin (an sie) zum Direktor zu gehen. Am Sonntag erhielt ich deinen Expreßbrief. Da war schon alles erledigt - im günstigsten Sinn. Du hast ja indessen schon Telegramm und Brief von deiner Schwester. - Ich habe deine Mutter noch nie so glück strahlend gesehen als in dem Moment, da ich ihr sagte, dass du nun selbst weiteren Urlaub willst und dass der Arzt dies für aussichtsvoll hält. Sie sah förmlich (um die Augen herum) in diesem Moment wie ein junges Mädchen aus, fast übermütig.

    Urlaub also hast du nun - bis zu einem Jahr mit vollem Gehalt, weitere 2 oder 3 Jahre (die gar nicht nötig sein werden) eventuell ohne Gehalt. Ottla, der es auch körperlich sehr gut geht, erzählte mir, dass der Direktor außerordentlich lieb und rücksichtsvoll zu ihr war.

    Nun kommt bei all diesen guten Dingen natürlich das "aber": - Mein Glauben an Matliary ist erschüttert. Ich bin, wie ich dir schon schrieb, für ein strenges Sanatorium mit richtiger offizieller Ärzte-Aufsicht. Daß du nackt im Sonnenschein liegst, offenbar nach deinem eigenen Rezept, gefällt mir nicht. Ich glaube ja, dass du die Kur ernst nimmst, wie du schreibst. Aber das Ernstnehmen von deiner Seite allein ist mir keine genügende Garantie. Ernstnehmen muß der Arzt, das Personal, die ganze Anstalt, der ganze Tag mit seiner vorgeschriebenen Einteilung. Wenn du es doch über dich brächtest, versuchsweise für einige wenige Monate dich der Aufsicht von Fachleuten zu unterordnen!!

    Nun also habe ich dich wieder ein wenig nervös gemacht, wenn ich dir schon den gewünschten Dienst nicht leisten konnte. Verzeih! - Von mir nichts Neues. Ich fahre für 3 Tage am 19. nach Berlin, Leipzig. Im April kann ich dich vielleicht besuchen, wenn du schon Besuche verträgst.

Herzlichst Max        


Schreibe bald!


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at