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An Milena Jesenská

[Prag, 8. November 1920]
 


Ja es gab eine kleine Verzögerung offenbar dadurch verschuldet, dass ein Brief von Dir verloren gegangen ist.

Das Inserat ist also gestern endlich doch erschienen. Du wolltest offenbar "Čechisch" oben allein in der Mitte haben, das ist leider nicht zu erreichen, lieber machen sie zwischen tätige und Lehrerin eine sinnlose Pause. Der Agentur habe ich übrigens Unrecht getan, ich komme jetzt von dort und muß es erzählen, Menschenkenntnis ist schwer:

Ich machte den Frauen dort zum Vorwurf

1.) dass sie trotzdem ich schon genug Inserate dort aufgegeben habe, immer nur eine den richtigen Preis, den sie angeblich noch nicht kennen, offenbar weit übersteigende Anzahlung sich geben lassen und nicht dazu zu bringen sind es genau zu verrechnen

2) dass sie dieses Inserat durch ihre Schuld verzögert haben

3 dass sie mir über die letzte Zahlung gar keine Bestätigung gegeben haben, also gerade über diese Zahlung, die eine fortwährend verzögerte, schon halb vergessene Annonce betrifft.

4) dass sie vor 14 Tagen auf meine Anordnung dass das Inserat also wenigst endlich am 8 Nov. erscheinen soll und fettgedruckt, gar nicht mehr hingehört haben, der Laden war allerdings voll Leute gewesen.

Ich ging also heute hin, überzeugt, dass das Inserat nicht erschienen ist, dass ich ferner ausführlich die nicht bestätigte Zahlung werde erklären müssen, ohne dass man mir glauben wird und dass ich schließlich in eine andere Agentur werde gehn müssen, wo man mich noch mehr betrügen wird.

Statt dessen: das Inserat ist doch erschienen, korrekt, fast so wie ich es wollte und als ich weitere Inserate bestellte, sagt das Mädchen, dass ich vorläufig nichts weiter zahlen muß, dass sie es nach Erscheinen mit mir verrechnen werden. Ist das nicht hübsch? Man beschließt noch ein wenig leben zu bleiben, wenigstens den Nachmittag über, bis man die Sache wieder vergessen hat.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at