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An Milena Jesenská
Du schreibst: "Ano máš pravdu, mám
ho ráda. Ale F., i tebe mám ráda" - ich
lese den Satz sehr genau, jedes Wort, besonders beim i bleibe ich stehn,
es ist alles richtig, Du wärst nicht Milena wenn es nicht richtig
wäre und was wäre ich wenn Du nicht wärest und es ist auch
besser dass Du das in Wien schreibst als dass Du es in Prag sagtest,
alles das verstehe ich genau, vielleicht besser als Du und doch, aus irgendeiner
Schwäche kann ich mit dem Satz nicht fertig werden, es ist ein endloses
Lesen und ich schreibe ihn schließlich hier noch einmal auf, damit
auch Du ihn siehst und wir ihn zusammenlesen, Schläfe an Schläfe.
(Dein Haar an meiner Schläfe)
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Das war geschrieben, als Deine zwei Bleistiftbriefe kamen. Glaubst Du,
ich hätte nicht gewußt dass sie kommen würden. Aber
nur in der Tiefe habe ich es gewußt und dort lebt man nicht immerfort,
sondern zieht es vor in der kläglichsten Gestalt auf der Erde zu leben.
Ich weiß nicht warum Du fortwährend Angst hast, dass ich
etwas selbstständig tue. Habe ich nicht deutlich genug darüber
geschrieben? Und an Frau Kohler habe ich doch nur telegraphiert weil ich
fast 3 Tage und schlimme Tage ohne Nachricht war, ohne die Telegrammantwort
und fast glauben mußte dass Du krank seist.
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Gestern war ich bei meinem Arzt, er fand mich etwa in dem gleichen Zustand
wie vor Meran, die 3 Monate sind an der Lunge fast spurlos vorübergegangen,
in der linken Lungenspitze sitzt die Krankheit frisch wie damals. Er hält
diesen Erfolg für trostlos, ich für ziemlich gut, denn wie würde
ich aussehn, wenn ich die gleiche Zeit in Prag verbracht hätte. Auch
glaubt er dass ich gar nichts an Gewicht zugenommen habe, nach meiner
Rechnung sind es aber doch etwa 3 kg. Im Herbst will er es mit Einspritzungen
versuchen, ich glaube aber nicht, dass ich das dulden werde.
Wenn ich mit diesem Ergebnis es vergleiche, wie auch Du mit Deiner Gesundheit
wüstest - notwendigster Weise natürlich, das muß ich doch
wohl gar nicht mehr hinzufügen - so scheint es mir manchmal dass
wir statt zusammenzuleben, uns nur gut und zufrieden zu einander legen
werden, um zu sterben. Aber was auch geschehn mag, es wird in Deiner Nähe
sein.
Übrigens weiß ich entgegen dem Arzt, dass ich um halbwegs
gesund zu werden, nur Ruhe brauche undzwar eine besondere Art von Ruhe
oder wenn man es anders ansieht eine besondere Art von Unruhe.
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Was Du über Stašas Brief schreibst freut mich sehr, es war aber
auch selbstverständlich. Sie hält eben Deinen jetzigen Zustand
für eine Kapitulation, erwähnt auch schon Deinen Vater, eine
Erwähnung, die aus ihrem Mund genügt mich ihn hassen zu lassen,
den ich im Grunde liebe - kurz, sie sagt etwa das Dümmste, was man
bei großer Anstrengung - ihr fließt es aber von den schönen
Lippen - über den Fall sich ausdenken kann. Und es ist natürlich,
das darf man nicht vergessen, durchaus Liebe, sie streckt eben aus ihrem
Grab die Arme nach Dir aus.
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Es ist französischer Nationalfeiertag, die Truppen marschieren unten
von der Parade nachhause. Es hat das fühle ich, in Deinen Briefen
atmend - etwas Großartiges. Nicht die Pracht, nicht die Musik, nicht
das Marschieren, nicht der alte, aus einem (deutschen) Panoptikum entsprungene
Franzose in roter Hose, blauem Rock der vor einer Abteilung marschiert,
sondern irgendeine Manifestation von Kräften, die aus der Tiefe rufen:
"trotzdem, ihr stummen, geschobenen, marschierenden, bis zur Wildheit
vertrauensvollen Menschen, trotzdem werden wir Euch nicht verlassen, auch
in Eueren größten Dummheiten nicht und besonders in ihnen nicht".
Und man schaut mit geschlossenen Augen in jene Tiefen und versinkt fast
in Dir.
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Endlich hat man mir den Haufen Akten der sich für mich angesammelt
hat gebracht, denke, seitdem ich im Bureau bin, habe ich genau gerechnet
6 Amtsbriefe geschrieben und man duldet es. Die viele Arbeit die auf mich
wartet konnte ich bis heute infolge der Faulheit der Abteilung, die sie
für mich aufbewahrt, nicht bekommen, zu meiner großen Befriedigung.
Jetzt sind sie aber da. Und trotzdem ist es ja nichts, wenn ich ein wenig
ausgeschlafen bin. Heute allerdings war es noch recht schlecht.
F
"Ano máš pravdu, mám ho ráda.
Ale F., i tebe mám ráda""ja, Du hast
recht, ich habe ihn gern. Aber F., ich habe auch Dich gern"
Mittwoch
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at