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An Felix Weltsch
Lieber Felix, Dank für Karte und Selbstwehr. Die Selbstwehr entbehrte
ich wirklich schon als eine Mitteilung von Dir; dass Du mir eigens
schreiben solltest, daran dachte ich gar nicht, Deine Arbeitsleistung und
vor allem der Mut zu ihr und in ihr ist mir ja unbegreiflich. Und mit welcher
Überlegenheit, Ruhe und Treue gegen Dich Du das Ganze führst.
Von Deinen persönlichen Schmerzen, die Du in der Karte erwähnst,
ist - ich habe zwischen den Zeilen gesucht - nicht das Geringste zu merken;
so die Zeitschrift zu führen, heißt sich schon bei Lebzeiten
verklärt sehn. Und dabei kann ich die politische Kunst kaum beurteilen.
Letzthin sah ich bei einem hiesigen Bäcker Holzgethan einige Hefte
der Selbstwehr auf dem Ladentisch, ein junger Mann borgte sich sie von
der Besitzerin aus, es wurde überhaupt über Zeitungen gesprochen,
mich einzumischen hatte ich keine Gelegenheit. Jedenfalls war ich hocherstaunt
und wollte Dir gleich die interessante Beobachtung über die Verbreitung
der Selbstwehr schreiben. Leider habe ich es versäumt und heute ist
es zu spät, denn ich habe erfahren, dass das meine Hefte gewesen
sind, die ich meinem Arzt, einem Prager Zionisten (vorher hatte ich sie
noch einer alten Prager Dame geborgt), geborgt hatte, der sie beim Bäcker
liegen ließ und nicht mehr wiederbekam.
Letzthin wollte ich Dir eine Nummer des hiesigen katholischen Blattes mit
einem Leitartikel über Zionismus schicken, es schien mir aber damals
zu langweilig. Es war eine Besprechung eines in Wien erschienenen Buches
von Wicht über Zionismus und Freimaurerei. Der Zionismus ist hienach
die von der Freimaurerei geschaffene, im Bolschewismus zum Teil schon aufgegangene
Schöpfung zur Zerstörung alles Bestehenden und Aufrichtung der
jüdischen Weltherrschaft. Beschlossen wurde das alles auf dem ersten
Basler Kongreß, der zwar nach außen hin verschiedene lächerliche
Sachen verhandelte, um äußerliche Billigung der Weltorganisation
zu bekommen, im Innern aber nur über die Mittel zur Erreichung der
Weltherrschaft beriet. Diese Geheimprotokolle sind glücklicherweise
in einem Exemplar gestohlen worden und wurden von dem großen russischen
Gelehrten Nilus (von dem merkwürdiger Weise in dem
Leitartikel nochmals ausdrücklich bemerkt wird "er hat wirklich
gelebt und war ein großer russischer Gelehrter") veröffentlicht.
Stellen aus den Protokollen der "Weisen von Zion", wie sich
die Kongreßmitglieder selbst nennen, werden zitiert, sie sind gleichzeitig
dumm und schrecklich wie der Leitartikel.
Deine Nachricht von Langer, dem ich vielmals danken lasse, hat mich sehr
gefreut, ich weiß, dass es zum größten Teil kindliche
Freude ist, aber ich habe sie schamlos. Das Kind ist offenbar nicht befriedigt
worden und klettert die Leiter der Jahre zum Schwindligwerden hinauf.
Mir geht es hier gut, wenn ich nicht schlaflos bin, aber ich bin es sehr
oft und sehr arg. Vielleicht ist die Bergluft daran schuld, vielleicht
anderes. Wahr ist, ich lebe nicht sehr gern weder im Gebirge noch am Meer,
es ist mir zu heroisch. Aber das sind doch nur Späße und die
Schlaflosigkeit ist ernst. Ich bleibe trotzdem noch ein paar Wochen hier
oder übersiedle in die Nähe von Bozen.
Herzliche Grüße Max, Oskar und den Frauen, auch Deinen Eltern
und dem Bruder. Kommt nicht bald die große Zeit? Alles Gute der tapfern
Frau.
Dein Franz
Buches: Friedrich Wichtl, Freimaurerei - Zionismus
- Kommunismus Spartakismus - Bolschewismus. Hamburg und Wien, 1920.
Nilus: Diese zuerst von Sergej Nilas in seinem Buch
"Das Große im Kleinen oder Nahe ist der herandrängende
Antichrist und das Reich des Teufels auf Erden" (1905) zitierten
Protokolle wurden später von O. Friedrich und H. Strack als Fälschungen
erwiesen.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at