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[An Ottla Kafka: Postkarte]

[Stempel: Liboch - 27. II. 19]
 


Liebe Ottla, Sonntag zwischen 2 und 3 Uhr erwartet Dich Frl. Olga Stüdl in ihrer Prager Wohnung am Radetzkyplatz. Je pünktlicher Du bist, desto besser, desto empfehlender. Sie hat zwei, allerdings noch fast vollständig unsichere Anstellungsmöglichkeiten für Dich, eine davon bei ihrer Tante, deren Mann vorgestern gestorben ist, und die außer andern riesigen Dingen auch ein riesiges Gut hat. Damit der Empfehlungsbrief Frl. Stüdls überzeugter begründet ist,

habe ich ihr vorgeschlagen, sie möge mit Dir selbst sprechen. Sag ihr also ausführlich, was Du kannst und willst. - Es ist nun freilich nicht ganz ausgeschlossen, dass Frl. Stüdl am Sonntag noch nicht in Prag ist, dann würdest Du eben den kleinen Weg nutzlos gemacht haben und Frl. Stüdl würde schreiben, ohne mit Dir gesprochen zu haben. Montag bist Du wohl nicht mehr in Prag, sonst könntest Du noch Montag bei Stüdl anfragen. Sonntag geh aber jedenfalls hin.

Grüß alle und mach alles gut.

Franz



Die Postkarte ist nach Prag adressiert.


Olga Stüdl, die die Pension in Schelesen leitete, wo Kafka damals und dann wieder im November 1919 (vgl. Nr. 73 ff.) Erholung suchte, ist die Verfasserin des mit Dora Gerrit gezeichneten Artikels Kleine Erinnerungen an Franz Kafka, der am 27. II. 1931 in der Deutschen Zeitung Bohemia erschien. (Wiederabgedruckt in FK 396-371) Detaillierte Begründung für diese Zuweisung in H. Binder, Kafka in neuer Sicht, Heidelberg 1975, III. Teil, Kapitel 6a.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at