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[An Ottla Kafka]
Liebe Ottla, eigentlich läßt sich noch nichts sagen, ich bin
ja noch nicht eingerichtet (in Deinem Zimmer wohl, aber in der Stadtnoch
nicht) Der Atem ist etwas schlechter, aber wahrscheinlich deshalb weil
ich hier schneller gehe (es ist auch schon besser geworden), der Schlaf
ist sehr schlecht, ich war die ersten Tage kaum recht wach, aber das wird
doch nur Übergang sein - und was alles übrige betrifft, so kann
ich nur sagen, dass ich bis jetzt die Übersiedlung ihrem Wesen
nach nicht bereue, Dich aber würde ich gerne wieder einmal sehn und
am Ohr zupfen, bei Elli habe ich es versucht aber es ist
nicht das Richtige.
Franz
Grüße herzlich Frl. Greschl von mir, auch Frl. David. Hr. Hermann natürlich auch. Für den
Garten weiß ich nichts neues, nur den beiliegenden Jauchedüngungsratschlag.
Seitdem ich heute zufällig in die Schrebergärten hinter Baumgarten
gekommen bin, bin ich auf unsern Garten nicht mehr so stolz
(ohne ihn deshalb weniger gern zu haben). Was wir dort gemacht haben, kann
und tut fast jeder. Die Schrebergärten sind etwa jeder halb so groß
wie unser Garten, die meisten sind gut, viele aber ausgezeichnet bearbeitet.
- Ja, der Plan: von den unglücklichen Karotten (1) angefangen, 2:
Möhren, 3 Zwiebeln, Salat 4 Spinat Radieschen 5 Pflanzen, 6 Pfl. und
Fräulein 6 Erbsen 7 Zwiebeln (1 Reihe Steck- zwei Reihen Samenzwiebeln,
dazwischen Knoblauch und Radieschen - nein ich kann nicht weiter, es verwirrt
sich mir, aber Du erkennst es ja.
Wir schicken Dir durch Karl 490 K - davon ich 380 K - und die Mutter 110
K es ist nach Deiner beiliegenden Aufstellung mit einer Differenz von 3
K zu Deinen Gunsten.
Eine Bitte des Herrn Oberinspektor: er wird im Laufe dieses Monats einmal
durch Michelob fahren. Könnte man ihm dann auf telegraphische Benachrichtigung
hin 2-3 Schock Eier zum Zug schicken?
Nachschrift zu einem (von Karl Hermann überbrachten) Brief der Mutter
an Ottla. - Am 2. Mai hatte Kafka wieder seinen Dienst in der "Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt"
angetreten.
am Ohr zupfen: Vgl. Nr. 86 und 97.
Frl. Greschl: Vielleicht das in Br 204 beschriebene
Bauernmädchen.
Frl. David: Ottla hatte sich mit Ella David, der
Schwester ihres späteren Mannes, inzwischen angefreundet. Am 27. IV.
1918 schrieb sie an Josef David: "Sie ist mir lieb, nicht nur darum,
weil sie Deine Schwester ist; ich würde mich gewiß vor nur einer
solchen Liebe fürchten, aber so wie es ist, ist es schön für
mich und ich kann mich freuen." Vgl. auch Nr. 53.
Baumgarten: Von Kafka geschätzte parkartige
Anlage in Prag, an der Bahnlinie nach Dresden, mit mehr als hundert verschiedenen
(mit Schildern gekennzeichneten) Baumgattungen. (Vgl. T 539, F 558 und
571)
auf unsern Garten nicht mehr so stolz: Kafka hatte
sich in Zürau besonders für den Garten verantwortlich gefühlt
und öfters darin gearbeitet: "Es ist dort schön, ich arbeitete
dort heute mit dem Bruder von ein Uhr bis acht Uhr abends. Es war schon
fast dunkel. Wir haben Gemüsesetzlinge gesetzt, und ich habe zwei
Beete umgegraben." (Ottla an David am 27. IV. 1918, vgl. Br 201,
233, 237 und 240). Als Folge dieser Arbeit half Kafka im Sommer in Troja,
einem Vorort von Prag, bei leichten Gartenarbeiten. Vgl. Br 243.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at