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[An Ottla Kafka: Postkarte]

[Stempel: Prag - 7. IX. 17]
 


Liebe Ottla in Deiner Karte bist Du nur für meine 8 Tage Urlaub vorbereitet und jetzt will ich Dir zumindest für 3 Monate an den Hals fliegen und schon Dienstag oder Mittwoch. Werden das nicht zu große Umwälzungen für Dich sein, auch für die Absichten, die Du zum Herbst hattest? Heute war ich beim Direktor. Ich glaube ich, ich komme endgültig nur im Galopp der Tuberkulose aus der Anstalt hinaus. Keine Pensionierung. Urlaub natürlich, und zwar ohne Gesuch. Ich soll es nicht so schwer nehmen, schwer ist es für sie, dass eine so wertvolle Kraft u.s.w. Höre ich so etwas und schaue dann oben meine Arbeit an, schwankt mir die Welt. Es ist so: habe ich mich einmal irgendwo festgesetzt, dann klebe ich wie etwas gar nicht Appetitliches. Die unmittelbare Sorge ist das allerdings nicht. Ich gehe also als aktiver Beamter auf Urlaub. Hat Zürau durch längere Zeit überhaupt schon einen aktiven Beamten gesehn?

Franz


Bereite bitte den Briefträger auf Briefe für mich vor.




große Umwälzungen: Am 12. September schrieb Ottla an David: "Der Bruder ist heute abend zu mir gefahren gekommen und bleibt wahrscheinlich längere Zeit hier. Er bekam drei Monate Urlaub, in Zürau wird er solange sein, wie es ihm hier gefallen wird. Es ist schon ein gewisser Erfolg, dass ich Leute hierher einladen kann, und ich habe mit ihm Freude. Es geht mir wirtschaftlich viel besser, ich glaube, dass ich die schwerste Zeit hinter mir habe."


eine so wertvolle Kraft: Pfohl beurteilte Kafka u. a. wie folgt: "Unermüdlich fleißig und ambitiös, ausgezeichnete Verwendbarkeit. Dr. Kafka ist ein eminent fleißiger Arbeiter von hervorragender Begabung und hervorragender Pflichttreue." (WB 149)


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at