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Franz Kafka an Kurt Wolff
Verehrter Herr Wolff!
Einen schöneren Vorschlag für den Landarzt konnte ich mir nicht
wünschen. Aus Eigenem hätte ich gewiß nicht gewagt nach
jenen Lettern zu greifen, nicht mir, nicht Ihnen und nicht der Sache gegenüber,
aber da Sie selbst es mir anbieten, nehme ich es mit Freude an. Dann wird
wohl auch das schöne Format der Betrachtung angewendet?
Hinsichtlich der Strafkolonie besteht vielleicht ein Mißverständnis.
Niemals habe ich aus ganz freiem Herzen die Veröffentlichung dieser
Geschichte verlangt. Zwei oder drei Seiten kurz vor ihrem Ende sind Machwerk,
ihr Vorhandensein deutet auf einen tieferen Mangel, es ist da irgendwo
ein Wurm, der selbst das Volle der Geschichte hohl macht. Ihr Angebot,
diese Geschichte in gleicher Weise wie den Landarzt erscheinen zu lassen
ist natürlich sehr verlockend und kitzelt so, dass es mich fast
wehrlos macht - trotzdem bitte ich die Geschichte, wenigstens vorläufig
nicht herauszugeben. Stünden Sie auf meinem Standpunkt und sähe
Sie die Geschichte so an, wie mich, Sie würden in meiner Bitte keine
besondere Standhaftigkeit erkennen. Im übrigen: Halten meine Kräfte
halbwegs aus, werden Sie bessere Arbeiten von mir bekommen, als es die
Strafkolonie ist.
Meine Adresse ist von nächster Woche ab:
Zürau, Post Flöhau in Böhmen
Die schon seit Jahren mit Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit angelockte
Krankheit ist nämlich plötzlich ausgebrochen.
Es ist fast eine Erleichterung. Ich fahre für längere Zeit aufs
Land, vielmehr ich muß fahren. Mit herzlichen Grüßen Ihr
immer ergebener
F Kafka
Krankheit: Im September 1917 wurde bei Kafka die
Diagnose auf Lungentuberkulose gestellt. Der Brief ist am Tage der Diagnose
geschrieben.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at