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An Oskar Baum

[Zürau, Mitte Dezember. 1917]
 

Lieber Oskar, ich komme zwar in den nächsten Tagen zu Dir, aber dieses muß ich doch noch schreiben, weil Du davon schreibst: Das einzige Bedenken, das ich gegen Deinen Besuch habe (abgesehen von meiner allerersten Zürauer Zeit, wo gewisse Angewöhnungen, die im Zuge waren, vielleicht die Notwendigkeit vollständigen Alleinseins glaubhaft machen konnten); ist, dass Dir möglicherweise - und das allerdings sucht mir Ottla auszureden - Zürau oder ich oder sonstwas nicht gefallen könnte. Wird Dir aber etwas hier irgendwelche Freude machen, dann werde ich - das ist gewiß diese irgendwelche Freude zweifach haben. Darüber müssen wir jetzt nicht mehr sprechen.

Das, was ich von den Mäusen geschrieben habe, war natürlich nur Spaß. Ernst nämlich wird es erst dann werden, bis Du die Mäuse wirklich hörst. Ich glaube nicht, dass es einen Schriftsteller- und Musikerschlaf gibt, der ihnen widerstehen könnte, und kein entsprechendes Herz, das, nicht eigentlich von Angst, aber von Ekel und Traurigkeit nicht überliefe. Aber auch das ist nur Spaß, denn ich höre dank der Katze schon seit langer Zeit nichts Verdächtiges, was immerhin schon etwas bedeuten will, denn ich werde in Prag ohne Katze zweifellos hie und da Mäuse hören. Übrigens hat mich jetzt Max auf eine Falle aufmerksam gemacht, die vierzig Mäuse auf einmal (ich weiß nicht ob mit einem Ruck oder allmählich) fangen kann, sie ist schon bestellt und wird sich bei mir wohlfühlen. Und Du unter ihrem Schutz.

Das wäre vorläufig das Wichtigste, alles übrige Wichtige, z. B. über Zürauer Verkehrsformen, nach welchen keine Magd, sondern ein Fräulein die Gänse stopft, u. dgl., werden wir mündlich besprechen, auch den Roman, der nicht kommen will, werde ich mir wohl holen müssen und wir lesen ihn dann zu dritt.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at